Die Musikdokumentation „Kinshasa Symphony“ begleitet ein außergewöhnliches Orchester bei den Vorbereitungen zu einem wichtigen Konzert und gibt dabei erstaunliche Einblicke in das Leben der kongloesischen Metropole Kinshasa. Der fast beiläufige Blick auf ein afrikanisches Alltagsleben ist das eigentlich Erstaunliche der Doku, die am 26.4. auf DVD erschienen ist.
Das Orchestre Symphonique Kimbanguiste besteht seit mehr als fünfzehn Jahren und hat während dieser Zeit Krieg, Putsche und Krisen überstanden. Dabei legen die Amateurmusiker um den Dirigenten Armand Diagienda eine unendliche Geduld und großes Improvisationstalent an den Tag, wenn es darum geht, europäische Klassik zu spielen.
Zum Jahrestag der Unabhängigkeit der Demokratischen Republik Kongo gibt das Orchester ein öffentliches Konzert, bei dem unter anderem Beethovens Neunte Symphonie aufgeführt wird. Die deutschen Filmemacher Claus Wischmann und Martin Baer begleiten das einzige Symphonieorchesters Zentralafrikas bei den Vorbereitungen und den Proben; bis hin zum erfolgreichen Konzert. Portraits einzelner Orchestermitglieder vervollständigen dies Bildnis eines ambitionierten Unternehmens.
Filmisch beschränken sich die Dokumentarfilmer auf schlichte Beobachtung und begleiten der Menschen im kongolesischen Alltag. Inhaltlich ist das ebenso außergewöhnlich wie das Orchester selbst. Gemeinsam sind allen Orchestermitgliedern die Brüche in der Biografie. Kaum einer arbeitet in seinem erlernten Beruf, viele haben innerhalb des Orchesters auch eine organisatorische Aufgabe. Ein Geiger, der als gelernter Elektriker einen Friseurladen betreibt, ist auch für die Stromversorgung des Orchesters zuständig. Der Orchesterdirektor ist, seit das Orchester vor einigen Jahren ausgeraubt wurde, gleichzeitig Instrumentenbauer. Der Dirigent ist ausgebildeter Pilot, der seinen Arbeitsplatz verloren hat.
Man braucht schon viel Liebe zur Musik, um sich im Kongo für klassische Musik zu begeistern, die im Alltag praktisch nicht vorkommt. Nach den schwerwiegenden politischen Krisen und mit der schlechten Versorgungslage in einem der ärmsten Länder der Welt gibt es im Grunde kein Kulturleben, wie man es aus europäischen Städten kennt. Und auch dann wäre Klassik ein absolutes Randthema. Die Menschen sind damit beschäftigt, ihr Leben zu organisieren. Das geht auch den Orchestermitgliedern nicht anders. Doch viele schöpfen aus der Musik nicht nur ihre Kraft sondern verbinden mit dem Orchester auch die Hoffnung auf ein besseres Leben.
Doch „Kinshasa Symphony“ leistet mehr als bloße Dokumentation eines außergewöhnlichen Musikphänomens. Mit unaufgeregten Bildern und jenseits von zumeist katastrophalen Nachrichten und Reportagen liefert der Film Einblicke in die schwarzafrikanische Gegenwart, zeigt, wie es sich im heutigen Kongo tatsächlich lebt. Mit viel Gelassenheit, großer Zuversicht und hartnäckiger Beharrlichkeit meistern die Menschen in Kinshasa ihr Leben. Das macht, neben der begeisternden Musik, die Wichtigkeit von „Kinshasa Symphony“ aus.
Fazit: Was zunächst wie eine milde Variante von Fitzcaraldos Größenwahn anmutet, entpuppt sich als funktionierendes Gemeinwesen eines 200-köpfigen Orchesters. Die Dokumentation „Kinshasa Symphony“ schafft es zudem, einen notwendigen Blick in das Innere des heutigen Kongos zu werfen. Die „Ode an die Freude“ verjagt „Das Herz der Finsternis“.
Film-Wertung: (7,5 / 10)
Kinshasa Symphony
Genre: Musik, Dokumentarfilm
Länge: 98 Minuten, D, 2010
Regie: Claus Wischmann, Martin Bär
Mitwirkende: Orchestre Symphonique Kimbanguiste
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Salzgeber
Kinostart: 23.09.2010
DVD-VÖ: 26.04.2011