Fragil: Albatrosse im Start

Ein bisschen bringt die romantische französische Komödie „Fragil“ den Sommer zurück ins triste Grau der trüben Jahreszeit. Ein junger Austernzüchter hat Liebeskummer, kommt aber gar nicht erst dazu, sich hängen zu lassen. Regisseurin Emma Benestan ist im altbekannten Genre der Romcom ein überraschender Wurf gelungen, die für Instant-Gute-Laune sorgt. Im Kino ab dem 1.Dezember 2022.

Az (Yazin Houicham) arbeitet als Austernzüchter in einer südfranzösischen Hafenstadt. Er sit mit der Sachspielerin Jessica (Tiphaine Daviot) zusammen, die gerade eine Krimiserie in der Gegend dreht. Während Azzedine überlegt, ob er beim Heiratsantrag den Ring in eine Auster packt, braucht Jessica eine Auszeit. Der Antrag geht gründlich nach hinten los und plötzlich findet sich Az wieder im Frauenhaushalt wieder, in dem seine erwachsene Schwester mit Mutter und Tante leben.

Zum Glück hat Az Freunde, die ihn aus seiner Tristesse holen. Kollege Raphaël (Raphaël Quenard) labert zwar gerne viel über Männer und Frauen, aber so richtig Plan hat er auch nicht. Kalidou (Diong-Kéba Tacu) wäre gerne Rapper und Ahmed (Bilel Chegrani) kommt hat auch nur Frauen im Kopf.

„Waffeleisen sind etwas Persönliches. Wie Badehosen.“

Und dann wäre da noch Lila (Oulaya Amrama), die eine Zeit lang in Paris als Tänzerin gearbeitet hatr, aber wieder in den Süden zurückgekommen ist. Jess hat in zwischen eine Beziehung mit ihren Serienkollegen Gouillaume angefangen. Um die Verflossene zurückzugewinnen lasst sich Az von Lila überreden, tanzen zu lernen. Mit erstaunlichen Effekten.

Viellicht hat mich „Fragil“ in einem rührseligen Moment erwischt, oder aber die romantische Komödie entwickelt ihren Charme komplett aus dem Handgelenk. Auf jeden Fall dauert es nicht lange, bis das Publikum mit Az und seiner Posse (sagt die Jugend das heute noch?) abhängen will. Das liegt auch an der beschwingten Musik.

„Bezahl mich mit Keksen.“

Es geht schon mit dem vorangestellten Motto von R.B. Sheridan los: „Auch die Auster hat Liebeskummer“. Woran sich beim Austernputzen ein Dialog zwischen Rafa und Az entpinnt, über die Möglichkeiten, die es bietet, das Geschlecht wechseln zu können. Aber: Romantik ist okay, aber bitte auf eine männliche Art. Ring in der Auster ist übertrieben, zu soft, zu fragil. Nu je, Az macht es dennoch.

„Wie ein Regenwurm auf Extasy. Mitten auf der Straße!“

Spätestens als die Crew Az abholt um im Second-Hand-Kaufhaus Klamotten zu shoppen ist klar, wohin der Hase läuft. Lila hat was übrig für Az. Das merkt der selbstredend nicht, weil er ja noch Jess hinterhertrauert. Das Argument, das Frauen auf Männer stehen, die Tanzen Können, verfängt. Und doch traut sich Romeo nicht als es darauf ankommt.

Und genau in diesen Szenen geht es weit über den Horizont einer handelsüblichen Romcom hinaus. Hier stellen sich Fragen nach Rollenmustern, nach Verhaltensregeln und Erwartungshaltung. Lila erkennt, das Az immer wieder an seiner Scham scheitert. Männer tanzen nicht, die eigenen Freunde algerischer Abstammung sind nicht französisch genug, die Kumpel zu proletarisch. Darüber verliert der Mensch auch schon mal den Boden unter den Füßen.

„Ich bin eine Zimmerpflanze gewesen.“ „Du bist Wonder Woman.“

„Fragil“ wird von seiner Regisseurin als „Dirty Dancing auf Algerisch“ beschreiben. Darin liegt eine gewisse Wahrheit, vor allem ein gewisser Beat, doch es geht auch um Herkunft im Sinne von Heimat. Und um Respekt und Freundschaft, die Menschen stärker macht. Dabei stimmt die Chemie unter den jungen weitgehend unbekannten Darstellern auf so überzeugende und natürliche Weise, das es einfach Freude macht zuzuschauen.

Es gibt einen Haufen Szenen und Dialoge, die sind so hinreißend komisch, dass es locker ausreicht für den flottesten Kinospaß im Advent. Sei es die schon erwähnte Modenschau, oder der Tanzuntericht mit der ganzen Horde oder aber die Kanalparade im Abspann. Aber das mag das Publikum selbst entdecken.

Der südfranzösische Sommer und die Lebensfreude der jungen Leute sind einfach ansteckend. Sicherlich gibt es die eine oder andere Filmsituation, die im Romcom-Genre schon mal bemüht wurde, aber das Spiel mit Geschlechterrollen, Identität und gesellschaftlichen Erwartungshaltung ist pfiffig und aktuell ohne belehrend zu sein. Und es gibt einfach hinreißende Szenen. Eine Auster mit Perle unter den romantischen Komödien.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Fragil
OT: Fragile, internationaler Titel „Hard Shell, Soft Shell“
Genre: Romanze, Komödie
Länge: 99 Minuten, F, 2020
Regie: Emma Benestan
Darsteller:innen: Yazin Houicham, Tiphaine Daviot, Oulaya Amrama,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Unité Filmverleih, Salaoud Morisset
Kinostart: 01.12.2022