Wenn eine Fernsehserie nach über 25 Jahren keinen Deut ihrer Faszination verloren hat, spricht das für ihre Klasse. Der BBC-Thriller „Am Rande der Finsternis“ setzte 1985 Maßstäbe und gelangte durch das Spielfilm-Remake „Auftrag Rache“ zu erneutem Ruhm. Nun ist die Mini-Serie endlich (wieder) in deutscher Fassung zu sehen und begeistert mit spannender Verschwörungs- story und echtem Zeitkolorit.
Erinnert sich noch jemand an die 1980er Jahre? An die Furcht vor dem nuklearen Holocaust? Das atomare Wettrüsten? An die Anfänge der Ökologiebewegungen? Die „No Future“-Mentalität der desillusionierten Jugend in Zeiten von SDI und Pershing-Stationierung in Europa? Die Regierungszeiten von Helmut Kohl, Ronald Reagan und Maggy Thatcher? Kleinbürgerliche Muffigkeit und konservativen Großmachtwahn? Erinnert sich noch jemand an die Zeit vor Tschernobyl? Genau dann wurde von der BBC die damals hochaktuelle Thriller-Miniserie „Am Rande der Finsternis“ gedreht und transportiert auf bedrohliche Weise all das, was den Zeitgeist jener beklemmenden Jahre ausmacht. Kein Wunder das die Serienmacher bei den Dreharbeiten ständig fürchteten, von den Ereignissen eingeholt zu werden. Selten war eine Filmproduktion so auf der Höhe des brisanten weltpolitischen Geschehens.
„There is Power in a Union“
Der Polizist Ronald Craven (Bob Peck) ist gerade mit der Untersuchung eines Wahlbetrugs bei der Bergarbeitergewerkschaft beschäftigt, als seine Tochter von einem Attentäter erschossen wird. Emma (Joanne Whalley) stirbt in den Armen ihres Vaters. Die Polizei geht davon aus, dass eigentlich der Polizist gemeint war. Doch der trauernde Vater findet heraus, dass seine Tochter in einer Umweltbewegung aktiv war, die umweltzerstörerischen Machenschaften bei der Lagerung atomarer Abfälle im nordenglischen Northmoor untersuchte. Dabei ist die Gruppe offensichtlich mächtigen Leuten auf die Füße getreten.
Obwohl Craven offiziell beurlaubt ist, ist er in die polizeilichen Ermittlungen eingebunden, doch der trauernde Vater ermittelt auch auf eigene Faust und kommt einer seltsamen Gemengelage von Machtinteressen auf die Spur, die bis in britische und amerikanische Regierungskreise reicht. Die Rolle der Beteiligten bleibt dabei lange im Dunkeln, obwohl die Regierungsmitarbeiter Pendleton (Charles Kay) und Harcourt (Ian McNeice) den Polizisten zu unterstützen scheinen. Auch der CIA-Agent Darius Jedburg (Joe Don Baker) scheint hilfreich zu sein und warnt Craven vor der drohenden Gefahr. Gleichzeitig verfolgt Jedburg aber auch eigene Ziele im Dienste seiner Regierung. Letztlich weisen alle Spuren auf die Lagerstätte Northmoor und indem Craven versucht herauszufinden, was dort vor sich geht, setzt er die Arbeit seiner Tochter Emma fort.
„The Myth of Trust“
„Edge of Darkness“, so der Originaltitel, wurde von der British Broadcast Company ursprünglich auf dem kleineren Sender BBC 2 ausgestrahlt, war aber dermaßen erfolgreich, dass man die Miniserie innerhalb weniger Wochen auf dem Hauptsender wiederholte und für Zuschauerrekorde und Begeisterung sorgte. Sowohl Zuschauer als auch Presse waren sich im Lob erstaunlich einig, was insofern überraschte, da die BBC unter der Thatcher-Regierung eigentlich seit Jahren keine politischen Fiktionsformate mehr produzierte. Der Wagemut der Produzenten ging auf und bescherte „Am Rande der Finsternis“ einen Ruhm, der in Großbritannien bis heute anhält.
In Deutschland wurde „Edge of Darkness“ erst 1989 unter dem Titel „Die Plutonium-Affäre“ ausgestrahlt, längst hatten die Ereignisse die Serie überholt und der britische Sendeerfolg konnte nicht wiederholt werden. Das Serienhighlight blieb weitgehend unbeachtet, auch wenn der zuständige WDR-Redakteur „Edge of Darkness“ das Beste nannte, was er seit langem an TV-Serie gesehen habe.
„Which Side Are You On“
Die Fans und positiven Kritiker von „Am Rande Der Finsternis“ behalten Recht. Die Veröffentlichung der Thriller-Serie im Zuge der filmischen Neufassung „Auftrag Rache“ weiß noch immer zu begeistern. Erstaunlicherweise ist es neben der großartigen, intensiven Darstellung gerade von Hauptdarsteller Bob Peck und dem annähernd perfekt komponierten Verschwörungsskript von Troy Kennedy Martin die Authentizität der Serie, die heute überzeugt.
Man sollte meinen, das verstehe sich von selbst, aber anders als viele andere Erfolgsproduktionen aus vergangenen Jahrzehnten, die heutzutage aufgrund besserer Technik und veränderter Sehgewohnheiten lahm und altbacken wirken und mit der Zeit Etliches von ihrem Charme eingebüßt haben, wirkt „Am Rande der Finsternis“ noch immer frisch und aktuell.
Obwohl das Budget der Serie für damalige TV-Verhältnisse nicht gerade gering war, muten die Actionarmut und die analogen Effekte aus heutiger Sicht wenig spektakulär an, doch durch geschickte Kameraführung, eine gute Balance aus Dramatik, (britischen) Humor und einem zwar spärlichen, aber durchaus wirkungsvollen Soundtrack von Eric Clapton und Michael Kamen gelingt es den Machern um den Regisseur Martin Campbell mit überschaubaren Mitteln ein Maximum an Wirkung zu erzielen.
„A New England“
Wenn es auch im ersten Moment verstören mag, dass Ronald Craven mit seiner toten Tochter spricht, so gibt diese Darstellung der Trauer der Serie eine weitere gelungene, sehr persönliche Dimension inmitten der um sich greifenden Machtgier. Schade, dass sich Hauptdarsteller Bob Peck nicht mit dem ursprünglich vorgesehenen Ende anfreunden konnte, bei dem sich Craven in einen Baum verwandeln sollte. Im Jahr 2003 brachte die BBC die einflussreiche Thriller-Serie „Am Rande der Finsternis“ endlich auf DVD heraus und fügte noch ein aktuelles „Making Of“ hinzu.
Das mag wohl die Grundlage gewesen sein, auf der Regisseur Martin Campbell, der nach zwei James Bond-Filmen („Golden Eye“ und „Casino Royale“) zu den großen seines Gewerks zählt, die Story nach Hollywood bringen konnte, um dort eine Filmversion zu drehen. Wahrscheinlich hätte Campbell auch Troy Kennedy Martin und Bob Peck wieder ins Boot geholt, wären diese nicht schon verstorben.
„Help Save the Youth of America“
Das Drehbuch zu „Am Rande der Finsternis“ von Troy Kennedy Martin („Red Heat“, Serienvorlage zu „The Italian Job“) ist so unglaublich facettenreich und vielschichtig, dass es neben der Umweltthematik und der nuklearen Bedrohung auch andere unrühmliche Aspekte britischer Geschichte berücksichtigt, wie Korruption und Willkür der nordenglischen Polizei, den Falklandkrieg und das Engagement der Engländer in Nordirland. Politisch Interessierte werden in der Serie haufenweise Anspielungen finden. Doch auch ohne entsprechendes Vorwissen bleibt eine gut erzählte, spannend verwobene Geschichte, deren finsterer Charme noch immer Sogwirkung hat. Und die zurecht als Meilenstein im Genre des Verschwörungsthrillers gilt. Es wird endlich Zeit, dies auch hierzulande zu erkennen und zu würdigen.
PS: Zwischentitel nach Songs von Billy Bragg aus den 1980ern.
Fazit: Die BBC-Thriller Serie „Am Rande der Finsternis“ ist nach wie vor ein herausragendes Werk großartiger TV-Unterhaltung und wirkt auch nach 25 Jahren durch finstere Spannung. Die kunstvoll gesponnene Story überzeugt mit viel Zeitkolorit und intensiven Hauptdarstellern. Ein Pflichttermin für Fans von Verschwörungen.
Serien-Wertung: (8,5 / 10)
Am Rande der Finsternis
OT: Edge of Darkness
Genre: Thriller, Drama, TV-Serie
Regie: Martin Campbell
Darsteller: Bob Peck, joe Don Baker, Joanne Whalley
Länge: ca. 300 min, GB, 1985
Extras: Making Of, Alternativer Abspann, Interview Bob Peck, Awards,
Deutsche Erstaustrahlung: 1989 als „Die Plutonium-Affäre“
FSK: Ab 16 Jahren
Vertrieb: Polyband, BBC Germany
DVD-VÖ: 25.02.2011
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