Der Internetpionier, Musiker, Künstler und Querdenker Jaron Lanier hat mit „Gadget – Warum die Zukunft uns noch braucht“ ein kluges Buch geschrieben. Das ist in deutscher Übersetzung schon seit Oktober auf dem Markt und befasst sich mit dem Internet.
Eins zu Beginn: „Gadget“ ist keine Katechismus, sondern eine Diskussionsgrundlage. Obwohl Lanier einige Entwicklungen im Netz durchaus kritisch betrachtet, verteufelt er die technische Errungenschaft nicht, vielmehr geht es in „Gadget“ darum, ob und wie das Internet das Individuum bedroht. Lanier meint ja und listet einige Beispiele für Schwarm-Intelligenz und Cloud Computing auf, die die Bedeutung des Einzelnen zum Verschwinden bringen. Gerade auf den Einzelnen aber kommt es Lanier an. Es läuft auf die Frage hinaus, wie wir in Zukunft mit dem Internet umgehen wollen und sollten.
Von Kraken, Hühnern und Virtueller Realität
Das betrifft sowohl die Globalisierung und Vereinheitlichung des Wissens und ein Verarmen der Kreativität als auch Persönlichkeits- und Urheberrechte. Obwohl sich der Nerd-Talk im Buch auf ein Minimum beschränkt und Jaron Lanier seine Ausführungen in gut lesbare Portionen aufgeteilt hat, ist die Lektüre nicht ganz einfach.
Der Leser wird zunächst in Laniers Weltsicht hineinversetzt, die ist technologisch, uptopistisch, individualistisch und mutet beizeiten esoterisch an. Ein Hauch von Hippietum weht durch das Buch, die Wortwahl ist beizeiten provokant. Und immer wieder Gedankengänge, die zum Weiterspinnen und Nachdenken anregen und bewusst offen gehalten sind. Wer hier nicht folgen mag, wird es mit dem Buch nicht leicht haben.
Lanier behauptet nicht, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben; er stellt Fragen, prüft, was von seiner ursprünglichen Begeisterung für die neuen Kommunikationsformen noch vorhanden ist, wo der Rest verpufft ist und warum das geschehen konnte. Dabei entwickelt der Musiker und Künstler schon einen eigenen Bezugskosmos, der gelegentlich abstrus wirkt. Sein Ansatz ist trotz des Individualismus ein ganzheitlicher.
Musik ist eine höhere Form der Kommunikation
In der Analyse und der Kritik hat das Buch seine Stärken. Es wirft ernste und wichtige Fragen auf. „Gadget“ befasst sich auch mit jüngsten Entwicklungen von Suchmaschinen, Social Networks und Online-Enzeklopedien, ihren Vorteilen, ihren Nachteilen. Der Ausblick auf eine mögliche Zukunft und Entwicklung bleibt hingegen eher vage. Das mag an der Schwierigkeit liegen, konkrete Visionen zu entwickeln, beinhaltet aber auch eine Offenheit, die ermöglicht, eine Diskussion zu beginnen. Der Mahner weist nur den Weg und schickt die Leser los. Sollen sie selbst sehen, wo sie ankommen.
Mir kommt das entgegen, wie mir auch Laniers Weltsicht auf musikalische Weise vertraut erscheint. Die Fähigkeit, sich in andere Gedankenwelten hineinzubegeben, die Alien-Vision, sollte man allerdings mitbringen, wenn man sich mit „Gadget“ auseinandersetzt, ansonsten geht einer der wichtigsten Aspekte des Buches verloren: die Kommunikation.
Fazit: Mit seiner Internetkritik „Gadget – Warum die Zukunft uns noch braucht“ hat Janon Lanier einen beachtenswerten und diskussionswürdigen Beitrag über das World Wide Web vorgelegt. Ein glühendes Plädoyer für den Individualismus und die Kreativität in den Zeiten der Schwarm-Intelligenz.
Buch-Wertung: (9 / 10)
Jaron Lanier: „Gadget -Warum die Zukunft uns noch braucht“
OT: „You are not a Gadget – A Manifesto“
247 Seiten,
Übersetzung: Michael Bischoff
Buchseite des Verlags mit Leseprobe
Surkamp-Verlag
VÖ: 11.10.2010