Taschengeld-Tipps #50/2010

herbstgold1Beim Durchforsten der Veranstaltungskalender der kommenden Tage meinte ich schon doppelt zu sehen: Hamburgs Bühnen sind rappelvoll und nicht wenige Acts treten wegen des Andrangs gleich zwei mal auf. Dafür überzeugt das Kinoprogramm trotz großer Namen ganz und gar nicht und auf dem DVD- und Musikmarkt herrscht besinnliche Festtagsstimmung. Zum Ausgleich gibt’s einige   Dokumentationen, die in den letzten Wochen zu kurz kamen.

LIVE: Eigentlich hätte ich die Hamburger Punk-Urgesteine „Slime“ gerne gesehen, aber der Gig am 18. ist seit Monaten ausverkauft, ebenso wie das Zusatzkonzert im Januar. Neidvoll wünsche ich allen mit Karte richtig abgehende Konzerte. Heute Abend (Donnerstag, 18.12.2010) spielen Findus in der Astra-Stube auf und zeigen wo Deutschpunk heute steht. Im Vorprogramm von Turbostaat und auch von Escapado wussten Findus jedenfalls zu überzeugen.

Saint Vitus - Born too LatePflichttermin für mich alten Headbanger sind dann die Herren von Saint Vitus. Die Doom-Metal-Legende kommt in der Bestbesetzung mit Scott „Wino“ Weinrich auf Deutschlandtour und spielt am Montag, 21. Dezember, in der Markhalle. Hoffentlich sind da mehr Leute als bei dem schmählich unbesuchten Wino-Auftritt im Hafenklang im September. Wer sich nicht entscheiden kann, ob er den Weg durch die Schneeverwehungen auf sich nehmen soll, dem kann ich nur zuraten. Saint Vitus habe ich in den 90ern mal gesehen und Wino schon häufiger, beide zusammen allerdings noch nicht, insofern ist die Erwartung hoch, wurde aber bisher nicht enttäuscht. Vielleicht gibt’s ja auch schon neue Songs des für 2011 angekündigten Albums.

Saint Vitus Tour-Daten 2010: 17.12. – NL-Eindhoven, Effenaar, 18.12. – Stuttgart, Haus 11, 19.12.- Braunschweig, Meier Musichall, 20.12. – Hamburg, Markthalle, 21.12. – Köln, Underground.

KINO: Ruhigen Gewissens kann ich keine der Kinoneuheiten empfehlen, was auch daran liegt, dass ich den von der Kritik durchweg überschwänglich gelobten französischen Film „Von Menschen und Göttern“ schlicht nicht kenne. Das Drama nach wahren Begebenheiten spielt in einem algerischen Kloster. Der Terror holte in den 1990ern die friedliche Koexistenz zwischen den Religionen ein. Dennoch wohl ein kontemplativer und unaufgeregter Film. Hier der Trailer.

Aber sonst? Die deutsche Komödie „Vater Morgana“ ist genau so verzichtbar wie das dritte Kapitel der „Chroniken von Narnia“, was man übrigens auch von der Martin Suter Verfilmung „Small World“ sagen kann, die immerhin noch die Leinwand-Ikone Gerard Depardieu zeigt, und von dem starbesetzten Neuaufguss „The Tourist“, dessen Vorlage „Anthony Zimmer“ schon überbewertet ist. Das wird alles seine Zuschauer finden und solide unterhalten. Großes Kino geht allerdings anders.

HerbstgoldDVD: Auch mit Flimmerbildern für den Hausgebrauch sieht’s in dieser Woche wirklich mau aus. Nicht nur die Alphatiere unter den Blockbustern sind längst draußen, und es macht sich (kurzer) Winterschlaf breit. Zeit also, an dieser Stelle mal eine Alternative anzubieten: Die Dokumentation als Genre wird immer noch unterschätzt. Dabei ist der Unterhaltungs- wie der Lehrwert oft genug qualitativ hochwertig. Hier einige Tipps, womit man das Auge dieser Tage füttern kann.

„Herbstgold“ ist eine wunderbare, großteils lustige, mutmachende und sehr gelungene Doku über Hochleistungssport im Alter. Die fünf Protagonisten zeigen, dass man auch jenseits der 66 Jahre noch Ziele haben kann und trainieren willensstark und enthusiastisch auf  Turniere hin. Das hat wenig mit Altersstarrsinn oder Jugendwahn zu tun, sondern mit einer lebensbejahenden Grundhaltung. Wer die Musikdoku „Young @ Heart“ nicht nur wegen der Musik mochte, sollte mal in „Herbstgold“ reinschauen. Und weil’s so schön ist, hier der Trailer.

Street-Art-DVD„Street Art – Die vergängliche Revolution“ folgt Künstlern auf der ganzen Welt bei ihrer speziellen Stadtverschönerung. (Nein, Banksy ist nicht der einzige, der so etwas macht.) Die deutsche TV-Doku von 2010 ist nun auch auf DVD erhältlich und gibt einen kompetenten und lebendigen Einblick in die Szenen. Allerdings ist die knappe Stunde Spielzeit nicht gerade abendfüllend und über eventuelles Bonusmaterial habe ich nix herausgefunden, recherchiere aber noch fleißig und trage das dann nach. Nachtrag (17.12.2010): Auf der Film-Homepage findet ihr den Trailer und alles weitere, was man wissen muss.

Standfoto RIVERS AND TIDES - Eiscone„Rivers and Tides“ die inzwischen legendäre Doku von 2002 über den Landart-Künstler Andy Goldsworthy ist dieser Tage scheinbar auch neu auf den Markt gekommen. Neu ist diesmal die Bildqualität: man hat sich zu einer Neuedition von den HD-Masterbändern (obwohl’s wahrscheinlich keine Bänder mehr sind) aufgerafft und „Rivers and Tides“ aufgehübscht. Enthalten auch wieder die 60 Minuten Bonusmaterial, die schon die Ausgabe von 2006 komplettierten. Infos über die Neuedition sind kaum zu kriegen, muss man einfach mal so glauben und den Handel quälen.

zen+zeroUnd schließlich hätten wir da noch einen österreichischen Surf-Film beziehungsweise Road Movie im Angebot: „Zen & Zero“. Kurz gefasst machen sich ein paar Kumpel auf den Weg zu Alan Weisbecker, Surfer und Autor des Surfer-Romans „In Search for Captain Zero“. Während des Trips von LA mach Puerto Rico lesen die Kumpel aus dem Roman. Nun ist der Film von 2006 auch in Deutschland veröffentlicht, allerdings fehlt auch hier eine angemessene Informationspolitik. Kann man bei Amazon kaufen, kann ’s ja nicht gewesen sein. Also keine Ahnung, ob es zu der Stunde Film noch Bonusmaterial gibt, von Untertiteln oder deutscher Tonspur ganz zu schweigen.

Ihr seht also, Dokumentarfilme zu glotzen, ist Feldforschung von Sofa aus. Ein bisschen Underground-Arbeit und es gibt viel zu entdecken. Es gibt auch erheblichen Kommunikationsbedarf – zumindest, wenn man seine Filme auch unters Volk bringen will.

MUSIK: Auch in diesem Sektor erscheint dieser Tage nichts, was den Geldbeutel zwingend attackiert.

The-Tallest-Man-on-Earth-Sometimes-the-Blues-Is-Just-a-Passing-BirdWer dennoch unbedingt neue Mukke braucht, ist mit der EP von The Tallest Man on Earth wohl am besten bedient, die auch schon seit einigen Tagen auf dem Markt ist (oder auch nicht; das lässt sich nicht so genau feststellen). Unter dem wunderschönen Titel „Sometimes The Blues Is Just A Passing Bird“ hat die Band eine schöne Singer/Songwriter-Scheibe mit 5 neuen Songs, allerdings nur 15 Minuten Spielzeit, veröffentlicht.

So, finalmente noch die Ankündigung, dass die Taschengeld-Tipps sich in den beiden letzten Wochen des Jahres auf Live-Aktivitäten mit Schwerpunkt Hamburg beschränken. Auf allen anderen Sektoren steht einfach nichts an. Im kommenden Jahr erfolgt in dieser Rubrik wieder der übliche Rundumschlag.

Kommt sicher durch die Woche – oder durch die Feiertage und den Jahreswechsel.