Top 5: die besten Dramen 2012

dein-wegDrama, wenn ich das schon höre, fühle ich mich gestresst! Dabei beschreibt der Begriff als Filmgenre nicht immer nur die Vollbedienung an Leid und Elend des Lebens, sondern umfasst ebenso die leisen Alltagsgeschichten wie die intensiven Charakterstudien. Das kann durchaus auch humoristische Elemente und Momente beinhalten und muss einen nicht immer komplett ergriffen aus dem Kinodunkel taumeln lassen. Gleichwohl sollte ein Drama schon in der Lage sein, etwas im Zuschauer zum Mitschwingen zu bringen.

Es gab auch 2012 wieder Unmengen an Filmen, die im weitesten Sinne dem Drama zuzuordnen sind. Allein Blockbuster bringt das Genre nur noch selten hervor. So wie momentan Spielbergs „Lincoln“. Wenn es an der Kinokasse klingeln soll, muss scheinbar Action her, oder Humor, oder beides. Wenn diese Anteile zu gewichtig werden, handelt es sich aber zumeist nicht um ein Drama. Aber das ist alles rhetorische Korinthenkackerei. Drama ist, wenn‘s um Handlung und um Menschen geht. Hier ist die

Top 5 der besten Dramen 2012

5. Cäsar muss sterben

cäsar-muss-sterbenEin Quasi-Dokumentarfilm über eine Theatergruppe von inhaftierten Schwerverbrechern hört sich zunächst einmal unspektakulär an, aber der italienische Film „Cäsar muss sterben“ fasziniert. Der Shakespearesche Tyrannenmord in „Julius Cäsar“ ist dabei ein höchst doppeldeutiges Drama. Es gibt etliche Shakespeare-Verfilmungen und die Mehrzahl bleibt dem vorgegebenen Szenario treu, einige Versuche, dem Ganzen eine neue Dimension zu verleihen, sind durchaus gelungen, wie etwa Michale Almerydas Verlagerung der „Hamlet“-Handlung in einen New Yorker Konzern (2000) oder auch Al Pacinos Erarbeitung von „Richard III“ in „Looking for Richard“ (1996)  hier verknüpft der Star als Regisseur seine Recherche , die Proben und die Aufführung zu einem faszinierenden Amalgam, das letztlich über das Shakespeare‘sche Drama hinausgeht. Gleiches ist auch den italienischen Altmeistern Paolo und Vittorio Taviani mit „Cäsar muss sterben“ auf höchst sehenswerte Weise gelungen. Hier geht’s zur ausführlichen Filmvorstellung.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

4. Take Shelter

take-shelterIn dem Drama „Take Shelter – Ein Sturm zieht auf“ wird die Angst vor der drohenden Katastrophe beinahe körperlich greifbar. Mit großer Intensität gelingt „Take Shelter“ dabei auch ein einprägsames Sinnbild für die Furcht in der amerikanischen Gesellschaft. Regisseur und Autor Jeff Nichols erzählt in seinem beängstigend intensiven Psychogramm eine einfache Geschichte über verborgene Existenzängste eines durchschnittlichen Familienvaters und bleibt dabei perspektivisch immer nahe an der Hauptfigur Curtis, die mit einer fast manischen Getriebenheit dem eigenen Gefühl nachgeht. Nicht allein die grandiose, verschlossene Darstellung Michael Shannons, der nach „Shotgun Stories“ erneut die Hauptrolle in einem Jeff Nichols Film übernimmt, sondern auch die beinahe thrillerartige Gesamtatmosphäre machen „Take Shelter“ zu einem spannenden und authentischen Psychogramm. Mit „Take Shelter“ hat sich der Regisseur Jeff Nichols als wichtiger amerikanischer Autorenfilmer etabliert und „Take Shelter“ sagt einiges über den Zustand nicht nur der amerikanischen Gesellschaft aus.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

3. Monsieur Lazhar

monsieurlazhar_photo5In dem kanadischen Drama „Monsieur Lazhar“, das es bis auf die Shortlist der Oscar-Nominierungen für fremdsprachige Filme schaffte, muss eine Schulklasse mit einem Trauma fertig werden und ein ungewöhnlicher Lehrer hilft dabei: An einer Schule im kanadischen Montreal bringt sich eine Lehrerin in einem Klassenraum um. Die Schüler sind verstört und Schuldirektorin und Kollegium tun ihr Möglichstes, die Kinder psychologisch betreuen zu lassen. Nur, wer soll den Unterricht übernehmen? Dann erscheint Bashir Lazhar (Mohamed Fellag) bei der Direktorin und bietet aushilfsweise seine Dienste an. Monsieur Lazhar ist algerischer Herkunft und wartet in Montreal darauf, als politischer Asylant anerkannt zu werden. Mit leisen Tönen und warmem Humor nähert sich der Film in Gestalt der Hauptfigur Bashir Lazhar einem schwierigen Thema. Es geht weniger um den Schulalltag als solchen, als um die modernen Tabus, um die mangelnde Auseinandersetzung mit Tod und Trauer. „Monsieur Lazhar“ ist ein ruhiger Film mit leisem Humor, das mit seiner großen Menschlichkeit überzeugt und es bei aller emotionalen Komplexität beinahe nebenbei schafft, gesellschaftlich relevante Fragen zu stellen (…und vielleicht zu beantworten). Zu Recht heimst der absolut sehenswerte Film mit seinem grandiosen Hauptdarsteller Mohammed Fellag international etliche Preise ein.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

2. Beasts of the Southern Wild

beasts-of-the-southernDie amerikanische Independent Produktion ist einer der erstaunlichsten Filme des Jahres. Mit beinahe magischem Realismus erzählt er die Geschichte der kleinen Hushpuppy, die im Bayou vor New Orleans lebt. Regisseur Benh Zeitlin gelingt es zusammen mit dem Künstlerkollektiv Court 13 eine fantastische Geschichte zu erzählen, die sich im Wesentlichen aus der Sicht einer Sechsjährigen und deren Erzählstimme ergibt. Der Zuschauer wird gefangen von dieser hypnotischen kindlichen Welt und erlebt eine bizarre Schönheit, die auch immer eine Gefahr darstellt. Dabei erzählt „Beasts of the Southern Wild“ keine sozialromantische Aussteigergeschichte, sondern von einem aussichtslosen Kampf um die Existenz einer Gemeinschaft, die sich selbst als unabhängig versteht, aber auch nur bedingt funktioniert und sich ihre Unabhängigkeit im Wesentlichen mit elender Armut und viel Alkohol erkauft. Sinnbildlich für die Bedrohung dieses Lebensstils ist die nahende Ankunft der mächtigen urzeitlichen Auerochsen, der Bestien aus der südlichen Wildnis. Gelegentlich schrammt der Film am Sozialkitsch vorbei, kriegt aber immer die Kurve.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

1. We need to Talk About Kevin

kevin_Mit dem verstörend grandiosen Psychodrama “We Need To Talk About Kevin” wird die Thematik Amoklauf aus einer völlig anderen Sicht beleuchtet: Mit den Augen einer Tätermutter. International räumte der Film Unmengen an Preisen ab. Gleich die Eröffnungssequenz des Films ist verstörend: Eva (Tilda Swinton) befindet sich in einem Meer von Körpern, dass in Rot badet: Getragen, geworfen, verschlungen und absorbiert fließt der Zuschauer mit Eva durch eine merkwürdig bedrohliche und zugleich euphorische Situation. Erst dann wird deutlich, dass es sich um ein heiliges indisches Volksfest handelt – und eine verkaterte Eva erwacht in ihrem heruntergekommenen Haus in einer amerikanischen Kleinstadt. Zwischen Erinnerung und der filmischen Jetztzeit liegt der Amoklauf ihres Sohnes. Auf subtile und bedrohliche Weise vermittelt „We Need To Talk about Kevin“ die Hilflosigkeit der Mutter, eine Beziehung zu ihrem Kind herzustellen ebenso wie die scheinbare Unausweichlichkeit des Dramas, ohne dabei jedoch eine Schuldfrage zu stellen. Dass der gesamte Film aus der Sicht der Mutter inszeniert wird, gibt den Ereignissen eine gewisse innere Kausalität, die freilich nicht objektiv ist. Eva ist als Erzählerin nicht immer vertrauenswürdig. Letztlich geht es in „We Need To Talk About Kevin“ weiniger darum, den Amoklauf zu erklären oder Erklärungsmöglichkeiten aufzuzeigen, sondern um die Hilflosigkeit eines Elternteils – und der ist mit wahrlich leidenschaftlicher Intensität zu erleben. Wer sich auf das Drama einlässt, wird mit einem der intensiven und herausragenden Film belohnt. Mein Favorit als bestes Drama 2012. Hier geht’s zur ausführlichen Filmvorstellung.

Film-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)