Reise ins Paralleluniversum: „Perry Rhodan – Unser Mann im All“

perryrhodan1In diesem Universum fand die Mondlandung erst 1971 statt, allerdings hatte der Autor Karl Herbert Scheer diese Mission schon 1961 auf den Weg geschickt und damit eine der erfolgreichsten Figuren der Science-Fiction: Perry Rhodan. Seit 50 Jahren erfreut sich die Serie anhaltender Beliebtheit und ist die umfangreichste und langlebigste Science-Fiction-Serie der Welt. Eigentlich ein eigener Kosmos, das Perryversum. Zum Jubiläum begibt sich der Dokumentarfilmer André Schäfer auf Spurensuche und „Perry Rhodan – Unser Mann im All“ ist eine großartige und witzige Hommage an ein völlig unterschätztes Kulturphänomen. Der Countdown läuft:

Ursprünglich war eigentlich nur eine maximal 50 Hefte umspannende Romanserie geplant, als sich Karl Herbert Scheer und Walter Ernsting unter dem Pseudonym Clark Dalton an die Konzeption dieser deutschen Science-Fiction-Geschichte machten. Doch der Erfolg hielt an. Inzwischen ist aus dem ehemaligen Astronauten Perry Rhodan eine quasi unsterbliche Überfigur geworden, die sich durch Zeit und Raum bewegt, in Romanzyklen geordnete Abenteuer und außerirdische Begegnungen hinter sich gebracht hat. Der Mann hat nicht nur eine eigene Con – wie die Fans ihre Conventions, ihre Kongresse, liebevoll nennen – sondern eine eigene an Wikipedia angelehnte Online-Enzyklopädie, die Perrypedia.

Nach der Mondlandung wird aus dem Amerikaner Perry Rhodan ein überzeugter Terraner

perryrhodan5Wenn das den anhaltenden Erfolg der einstig als „Groschenromane“ verpönten Unterhaltungsliteratur noch immer nicht nachhaltig unterstreicht, gibt es nun auch eine filmische Dokumentation über das Phänomen „Perry Rhodan“. Der Dokumentarfilmer André Schäfer („Lenin kam nur bis Lüdenscheid“) blickt hinter die Kulissen des „Perryversums“ und trifft Autoren, Zeichner, Literaturkritiker, Fans und Angehörige der inzwischen verstorbenen Serienpioniere. Hier werden Einblicke gewährt, die wahrscheinlich auch Fans noch erfreuen. In unterhaltsamen Interviews nähert sich der Film dem Phänomen Perry Rhodan wie in einem orbitalen Landeanflug. Selbstverständlich kann der 90 minütige Ausflug in eine andere Galaxie nicht umfassend ausfallen. Zudem ist sich Regisseur Schäfer bewusst, dass eine angemessen Würdigung sowohl die Fans zufrieden stellen muss als auch den Nicht-Eingeweihten eine Einstiegsmöglichkeit in die Raumkapsel „Perry Rhodan“ ermöglichen.

„Echter Wurguzz hat sogar 120 % Alkohol, 30 % davon sind allerdings ausgelagert in den Hyperraum. Bei Perry Rhodan ist das kein Problem.“

perryrhodan3Der Spagat gelingt bravourös und „Perry Rhodan“ unser Mann im All“ gehört zum Unterhaltsamsten, was die Dokusparte in letzter Zeit zustande gebracht hat. Mit viel Liebe, ungeheuer viel Witz und einer professionellen Neugier nähert sich der Film der Faszination dieser Science-Fiction Welt. Das Filmteam macht aus der Not, dem wahrscheinlich relativ begrenzten Budget, eine Tugend und setzt die Interviews originell in Szene. Zwischen den Informationshappen der Gespräche schöpft Schäfer aus der Vielzahl visueller und technischer Möglichkeiten und reichert seinen Film mit animierten Szenen und lustig umgesetzten Einspielern an, die zur sonoren Hörspielstimme Perry Rhodans (gesprochen von Josef Tratnik) den Weltraumreisenden zurück in unsere Realität holen und den Zuschauer gleichzeitig in eine intergalaktische Zukunft entführen.

Perrys Freund Atlan hat Atlantis gegründet und eigentlich alles alle erfunden was wichtig ist.

perryrhodan4Die Dokumentation nähert sich dem Perryversum keineswegs chronologisch, sondern mit den ganz persönlichen Zugängen vieler aktueller Serien-Autoren zu ihrem Helden, daneben wird eher beiläufig immer wieder Historisches angeführt und mit Archivmaterial unterfüttert. Doch auch Kritik bleibt nicht unerwähnt und die Aufnahme oder besser Verachtung der Literaturkritik ist ebenso einen Gedanken wert, wie die Faschismusvorwürfe der frühen Jahre und die noch immer anhaltende Leserkritik, dass die Frauengestalten der Serie nicht überzeugen. Es ist fast selbstverständlich, dass eine so lange laufende Serie auch immer den jeweiligen Zeitgeist abbildet und so auch die Gesellschaft spiegelt, in der sie entstand. Über die Jahrzehnte findet sich in „Perry Rhodan“ auch ein Stück deutscher (und österreichischer) Geschichte und Befindlichkeit wieder.

„Ich bin 10 Jahre alt und meine Hobbies sind Reiten, Voitigieren und Perry Rhodan lesen“

perryrhodan2Allzu ernst sollte man das alles nicht nehmen, schließlich handelt es sich bei Perry Rhodan unbestritten um Unterhaltung, wenn auch hochkomplexe. Was vor allem für die Konzeption und den metaphysischen Überbau der zukünftigen Abenteuerwelten gilt. Doch einer der Vorteile des Formats Heftroman ist die episodenhafte Abgeschlossenheit. Die Hefte erscheinen nach wie vor regelmäßig jede Woche und bilden trotz aller Ableger und Sonderbände das Rückgrat der Serie und des Erfolges. Der Einstieg ist also leicht gemacht und es verwundert nicht, dass auch neue, junge Leser Zugang zum Perryversum finden. Erstaunlicher scheint auf den ersten Blick, aber auch nur dann, die unendliche Treue älterer Leser zu ihrer Serie. Gerade durch die breit gefächerte und durch alle Gesellschafts – und Altersschichten reichende Leserschaft zeigt sich die wahre Größe dieser vermeintlichen Trivialliteratur. Perry Rhodan gelingt es seit 50 Jahren Abenteuer, Unterhaltung, Technik, Neugier und gesellschaftliche Visionen unter einen Hut zu bringen und genügend Raum für die eigene Fantasie der Leser zu lassen.

Das alles umfasst auch die wunderbare und höchst gelungene Dokumentation „Perry Rhodan – Unser Mann im All“ in einem Zeitraum, der kosmisch gesehen nicht einmal bemerkt wird. Zeit genug also, sich davonzustehlen und in ein erstaunliches Paralleluniversum einzutauchen. Um dann Augenblicke später vielleicht ein bisschen bereichert wieder in die eigene Welt zurückzukehren.

Fazit: André Schäfers Dokumentation „Perry Rhodan – Unser Mann im All“ wird der deutschen Science-Fiction Ikone auf liebevolle Weise gerecht und schafft es, sehr originell Einblicke in eine fantastische Parallelwelt zu vermitteln. Das ist nicht nur für eingefleischte Fans ein Genuss, sondern auch für „normale“ Zuschauer. „Perry Rhodan“ ist jetzt schon eine der wunderbarsten Dokumentationen des Jahres.

Film-Wertung: 8.5 out of 10 stars (8,5 / 10)

Zusatzinfo: Zum Kinostart der Dokumentation zeigt das Hamburger Literaturhaus am 1. September 2011 als ARTE-Preview die TV-Version des Films; anders geschnitten und nur 54 Minuten lang. (Der TV-Sendetermin steht noch nicht fest) Der Eintritt dazu ist frei. Anschließend gibt es einen „phantastischen Abend mit Klaus Frick, Gisbert Haefs, Hartmut Kasper und André Schäfer“ zum Thema Perry Rhodan. (Kein freier Eintritt!) Alle weiteren Infos auf der Homepage des Literaturhaus Hamburg.

perryrhodan-Filmplakat Doku„Perry Rhodan – Unser Mann im All“
Länge: 94 Min, D, 2011
Genre: Dokumentation, Science-Fiction
Regie: André Schäfer
Mitwirkende: Wim Vandemann, Josef Tratnik, Klaus N. Frick
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Edition Salzgeber
Kinostart: 01.09.2011

Weiterführende Links

zur Perrypedia

zur Fanseite  Perry-Rhodan.net

zur Perry Rhodan Convention Weltcon

deutscher Wikipedia-Eintrag

zur Film-Homepage der Dokumentation mit Kinoliste