Berlin hat seine Anziehungskraft für Kreative und Musiker wohl wieder gewonnen; oder nie verloren. Das mögen andere beurteilen. Der Hamburger guckt ‚n büschen neidisch rüber in die Nahbarmetropole. Auch und vor allem, weil Stoner Rock an der Elbe so gar nicht angesagt scheint. Dabei hauen Red Mess mit ihrem dritten Album „Hi-Tech Starvation“ ‚ne gehörige Kante in die Spundwand. Noisolutions Neuzugang veröffentlicht am 1. August 2025. Freut euch.
Kurz zur Erinnerung: Das Vorgängeralbum „Breathtaker“ wurde auf diesen Seiten im Herbst 2022 vorgestellt und abgefeiert. Inzwischen ist viel Wasser die Spree und den Rio Tibagi entlanggeflossen. Das brasilianische Stoner Trio aus Londirina in Brasilien hat Europa betourt und in alter Punk Tradition beschlossen einfach mal in Berlin zu bleiben. Wie Bowie, Pop, Cave und haufenweise wehrpflichtige junge Männer, die die Mauerstand im geteilten Deutschland dem Einberufungsbefehl vorzogen. Geschichte und Geschichten.
Dafür haben Red Mess wenig Zeit, denn der hyperaktive Stoner Rock auf dem knackig kurzen aktuellen Album beschäftigt sich mit den Befindlichkeiten der Gegenwart. Was mag Hi-Tech Starvation wohl bedeuten? Das Cover-Artwork in rotem Strich auf schwarzem Grund wirkt wie ein nervöses Kritzeln. Ich bin in Sachen Ausdeutung eher schlicht gestrickt und stelle mir vor, hochtechnisierte Verhungern mag sich beziehen auf zunehmende Technik-Abhängigkeit sowie emotionale Abhängigkeit von (un)sozialen Media, die eine:n einfach nie richtig unarmen.
The Road to Berlin
Songtitel wie „Huntress, „Inexisting Color“, „Ransomware“, „Intra Venous“, „Xenon“, „Kind Villain“und „Uncanny Valley“ mögen in den knapp 32 Minuten „Hi-Tech Starvation“ keine zusammenhängende Story erzählen, aber es sind die Boxenstopps auf diesem musikalischen Road Trip.
Red Mess spielen seit mehr als einem Jahrzehnt zusammen und rocken ziemlich ab. Grundsätzlich geht es in Stoner Rock Gefilde wie ihn Kyuss, Fun Manchu und Konsorten zelebriert haben, doch die berliner Brasilianer haben eigene Zutaten in die Wüstenpfütze gespuckt. Eine Priese Proto-Punk, der bisweilen auch in früher Grunge-Wütigkeit spiegelte, und einen Downbeat der bisweilen an Hardcore gemahnt.
Der Gesang wird dabei aufgeteilt und kommt ziemlich knackig rüber. Eine gewisse Gedrungenheit ist dem Genre Stoner Rock innewohnend, aber sirenenhafte Backing Vocals und Hardcore-Shouts muss mensch erstmal in die Songs packen wollen. Da mag sich für die eine oder den anderen schreibenden Kolleg:in (in Punk, Prog und Heavy Postillen) die absurde Frage nach der Relevanz von Stoner Rock stellen. Kann mensch sich ja auch bei der nächsten Fun Punk Scheibe stellen. WtF?
Glas Haus Betrachtungen – Steine schmeißend
Erlaubt ist was gefällt und wenn Künstler ihre Richtung gefunden haben, ist es komplett egal, ob das vermeintliche Genre seinen vermeintlichen Zenit vor Dekaden hatte. Red Mess sind hier und jetzt! Und ich will das hören und sehen. Was angesichts des Umzugs nach Europa, nach Berlin und zum freundlichen Kreuzberger Label Noisolution deutlich wahrscheinlicher wird. Ach ja, die Kollegen feiern auch keine rote Messe (red mAss), sondern veranstalten ein rotes Durcheinander und Chaos. Genug Rant für heute. Ich laber auch zuviel.
Das vorab als Single ausgekoppelte „Huntress“ fräst sich mit Riff ins Hirn und geht gleich in die Vollen. Das ist schon hoch-energetisch. Mit lockendem Groove und knarzigem Bass bezirzt die unsichtbare Farbe. „Ransomware“ fegt dann wie ein Derwisch durch die Tech-Wüste und frisst sich durch die Festplatte. Immer wieder haben Red Mess dabei Finessen zu bieten, die ihren eigenen Sound ausmachen.
„I’m feeling hazy, lazy“
„Intravenous“ – Gerade ausgekoppelt – kommt da beinahe „poppig“ melodiös daher. Mit klassischen Hardrock und Grunge-Impulsen langsam groovend. „Xenon“ ist ein knackiges Instrumental, das vom Hin und Her von Bass und Gitarre lebt und einmal mehr beweist, wie geil der Sound auf „Hi-Tech Starvation“ ist. „Kind Villain‘“ und „Uncanny Valley“ sind dann klassisches eigenständiges Red Mess Territortium und rocken heavy wie nix Gutes.
Red Mess liefern mit ihrem dritten Album einen feinen und sehr empfehlenswerten Labeleinstand bei Noisolution ab. Da ist die Band gut aufgehoben und ich bin mir sicher, es geht noch was. Es braucht ja auch seine Zeit sich einzuleben. Ich persönlich fand „Breathtaker“ musikalisch etwas geiler, aber das mag am ersten Kennenlernen liegen. Auch fehlt mir auf dem aktuellen Album ne längere hypnotische Nummer, die mal die 5-Minuten-Marke reißt. Hier bevorzuge ich aber die druckvollere Produktion.
So geht Stoner Rock anno 2025: Red Mess entwickeln enorme Power, Spielfreude und Charisma, wenn sich das geneigte Ohr erst einmal geöffnet hat. Es klingt zwar kurz, aber auch sehr geil und phatt. Red Mess veranstalten mit „Hi-Tech Starvation“ ein genussvolles Durcheinander, das die Szene absolut bereichert. Saúde!

Red Mess – Hi-Tech Starvation
Genre: Stoner Rock, Grunge, Punk
Länge: ca 32 Minuten, D, 2025
Interpret: Red Mess
Label: Noisolution
Vertrieb: Edel
Format: CD, digital, Vinyl
Album-VÖ: 01.08.2025