Soloalben, gerne auch akustisch, waren unter Rockern eine zeitlang ziemlich beliebt. Kein Wunder also, dass sich Andrej Dietrich von Dÿse auf diese Musiktradition besinnt. Cut, knarz, stopp! Da scratcht die Wirklichkeit in diesen Text. So wie auch der Noise auf „Kids“ von AKaRinde die Sandkiste aufm Spielplatz durchpflügt. AKaRinde ist ein Rabauke (lieb gemeint). „Kids“ ist ein eigenwilliges, charmantes punkiges rootsiges und noisiges Akustikalbum. Zu hören bei Noisolution ab dem 25. April 2025 in allen gängigen Formaten.
Als Teil des Noise-Rock-Duos Dÿse hat sich Andrej Dietrich der „New Wave of German Noise Rock“ verschrieben. Und Krach ist durchaus mehr als ein Sound, es ist eine Einstellung. Insofern ist „Kids“ geistesverwandt und wiedererkennbar im Dÿse-Schaffen, das nach dem letzten Longplayer „Widergeburt“ (2021) anno 2024 die EP „Audiochimäre“ in die Welt setzte. Aktuell sind Dÿse auf Tour (Rockpalast Gig checken und hingehen) und in den Zwischenzeiten gibt AKaRinde eigenen Audienzen (Daten unterm Review).
Was also? Nu je! Und auch mal englisch oder dadaistisch getextet und harmonisch Akkorde gezupft oder geschrammelt. „Geschüttelt oder gerührt?“, bei diesem Doppelnullagenten des Noise Rock ist so ziemlich alles drin. Irgendwie ist es auf „Kids“ wie bei Samuel Beckett, wenn wieder eine:r auf Godot wartet. Mensch und Hörerin kann sich auf zweierlei Wegen an AKaRindes Musik annähern. Erstens über das Kauzige, Sperrige, das Extravagante hin zu dem was dem Ohr vertraut ist. Oder aber, zweitens, von der Basis zum Experiment. Will sagen, wer schon mal Urwüchsiges aus Amerikana, Antifolk und Delta-Blues gehört hat, kommt auch zu „Kids“.
Für heute, für immer.
Aber eben nicht nur. Hier wird vor allem mit einer bilderstürmerischen Einstellung der eigenen musikalischen Kreativität gehuldigt. In der Beschränkung der Produktionsmittel liegt die Freiheit des Ausdrucks. Und dann kannste ja hinterher immer noch ‚ne E-Gitarre drübermischen. Ich freue mich sehr, das demnächst auch auf der Bühne zu erleben. Möglicherwiese wird’s auch eher ein ruhiger Liedermacherabend, Stimmung ist ja gelegentlich situationsabhängig.
Aber zur Musik. Es gibt durchaus einen Bezugsraum unabhängigen Musizierens, das abseits des Dyse Sound-Kosmos solcherlei lärmiges und punkiges Dekonstruieren von Akustikmusik auslebt. Da ist – wie der Kollege von Ox nahelegte – eine Nähe mit dem Balkan Punk von Gogol Bordello spürbar; wie auch den Pogues oder den Whisky Priests. Eigentlich allen, die mit akustischen Instrumenten die Sau rauslassen.
Allein der Andrej ist allein. Insofern kommen da andere Halunken in den Sinn. Hamell on Trial hat sich schon um die 2000er als „One Man Punk Band“ betitelt und seinen Antifolk runtergeschrammelt. Der leider verstorbenen Mark Linkous hat mit Sparklehorse seine melodischen Songperlen in noisige Dekonstruktionen verwandelt. Die alleinwerkelnden Larman Clamor (Alexander von Wieding) und Blackwolfgoat (Darryl Shepard) rumpeln zwar verstärkt und verzerrt, aber in einem ähnlichen Sound-Kontinuum. Mensch kann sich da einhören und wohlfühlen. Es geht immer um Zugang. Ich mag das alles sehr.
Let it go. Let it go.
Nun also zu den einzelnen Förmchen in der Sandkiste dieser hyperaktiven Krabbelgruppe. „Blu Tuesday“ eröffnet den Liedereigen mit Fingerschnippen und flotter Gitarrenmelodie. Dann funkt der Rhythmus-Akkord dazwischen und die repetitiven Elemente werden um die Wachruf „Time to Wake up“ meditativ ergänzt. Nach Etablierung des Blufunk (Keziah Jones) gibt’s auch noch feine Lyrics. Bereits der Opener ist ein Kracher.
„K.u.r.z.b.e.f.e.h.l.“ ist der Schrecken aller Tastaturritter und bereits als Video/ Single ausgekoppelt. Der an Kehlgesänge angelehnte Liedauftakt geht schnell in ein knackig rollendes Riff und heisere Shouts über. Das ist eine eigenwillige Mischung aus Blues und Hardcore, macht aber Eindruck, inklusive schönem mittigen Solo. „Tough is the Way“ kommt liedermacher-mäßig rüber, groovt dann wie Greg Garing und intoniert poppigen Gesang, der schon auch an die Beatles erinnert. Der Song eskaliert und klingt dann ruhig aus.
Ein Handtuch nehm‘ und damit um die Welt reisen
„Rolaner“ gleitet rootsbluesig in ein Groove-Monster. Wenn der Gesang den Rhythmus kapert, weiß keine:r mehr, wer zu Geier er (odersie) ist. Darüber wird deutschgerappt und ein weiterer Möglichkeitenraum eröffnet. Kreischend dem Ende entgegen.

„High Five“ croont gekonnt in eine Ballade mit verzerrtem Gesang und hardrockiger Powerballadensteigerung. Das ist später schon sehr wuchtig und schwer. „Fisch“ beobachtet zu einem zirkulierenden Rhythmus das „Monster aus der Spree“ und zwischenzeitlich entfleuchen der Gitarre gipsy-jazzige Töne. Hello Django.
„Sichern Unter!!!“ spielt dann wieder mit englischen Texten und einer flamenco-artigen Gitarre. Dann geht das Ganze in Indie-Rock über, der auch ohne Verzerrung funktioniert. Eine Hommage an die alternativen Neunziger. Das eigentliche Album wird dann von der Ballade „Mrs Breathe“ beendet. Streicher zu melancholischer Gitarre und eine bittersüßer Americana-Ausklang. Das Grillenzirpen entlässt die Hörerschaft in die laue Sommernacht.
Und dann ist da noch der CD-Bonustrack, der entstand und eingespielt wurde als das Album eigentlich schon fertig war. Gast-Sänger Sebastian Krumbiegel von den Prinzen macht mit und steuert neben Weisheiten auch Stanza-Texte und vokale Rhythmik bei. „Es ist wie es ist, bleibt wie es ist, wenn wir nichts daran ändern.“ „Ton Steine Scherben bringen Glück!“ Wusste ich schon immer; nette Nummer.
Nennt mensch das jetzt Solo-Debüt oder Akustik-Projekt oder braucht das Kind keinen Namen? AKaRinde alias Andrej Dietrich liefert mit „Kids“ ein bärenstarkes Album ab, das sich gegen Vereinnahmung auf jeder Ebene wehrt und auch ein feines Beispiel zur Selbstermächtigung und zum Selber Machen ist. Ein musikalisches Feuerwerk auf der Basis akkustischen Schrammelns, das sich kompetent und hinreißend durch die Musikgeschichte krakeelt und dabei seinen eigenen Sound feiert. Ich feier mit.
Aka Rinde – Kids
Genre: Akustik Punk Hardcore Jazz Folk oder so
Länge: 37 Minuten, 9 Songs, D, 2025
Interpret: AKa Rinde alias Andrej Dietrich
Label: Noisolution Records
Vertrieb: Edel
Format: CD, digital, Vinyl (ohne Bonus-Track)
VÖ: 25.04.2025
Aka Rinde Homepage
Kids bei Noisolution
Aka Rinde bei Instagram
Dÿse-Tour 2025
23.04. DE – Leipzig, Conne Island
24.04. DE – Nürnberg, Z-Bau
25.04. DE – Düsseldorf, Weltkunstzimmer
26.04. DE – Bremen, Lagerhaus
08.05. AT – Innsbruck, PMK
09.05. AT – Graz, Forum Stadtpark
10.05. AT – Salzburg, Rockhouse
04.06. DE – Potsdam, Waschhaus
06.06. DE – Rostock, Mau Club
25.06. DE – Apolda, Gramont City Festival
04.07. DE – Freudenberg, Greenhell Festival
AKaRinde-Tour 2025
15.05. Chemnitz @Atomino
16.05. Karlsruhe @Alte Hackerei
17.05. Erfurt @Engelsburg
18.05. Hannover @Nordstadtbraut
19.05. Mainz @Kulturcafe
20.05. Düsseldorf @Ratinger Hof
21.05. Köln @Sonic Ballroom
22.05. Hamburg @Hafenklang
23.05. Halle @Objekt 5
24.05. Potsdam @Waschhaus
28.05. Berlin @Neue Zukunft