Verräter wie wir: Kosenamen von Gaunern

Seit mehr als 45 Jahren schreibt der englische Autor John Le Carré nun Spionage-Thriller. Dabei zehrt er auch von seiner eigenen kurzen Beschäftigung beim britischen Geheimdienst. Etliche seiner erfolgreichen Romane, nicht selten Bestseller, sind gleichfalls erfolgreich verfilmt worden. „Verräter wie wir“ ist mit Ewan McGregor, Naomi Harris, Damien Lewis und Stellan Skarsgard hochkarätig besetzt und nett anzusehen. Ausgerechnet die literarische Vorlage aber ist der Schwachpunkt des Thrillers.

Dem Literaturdozenten Perry Makepeace (Ewan McGregor) wird es im Kurzurlaub in Marrakesch schon mal langweilig, weil Gattin Gail (Naomi Harris) als Anwältin nicht gänzlich abschalten kann. Selbst wenn der Trip eigentlich als romantische Belebung der kriselnden Ehe gedacht ist. Zufällig macht Perry die Bekanntschaft einer feierwütigen Gruppe neureicher Russen. Vor allem der Leitwolf Dima (Stellan Skarsgard) hat einen Narren an dem englischen Poeten gefressen.

Doch wie sich herausstellt, ist Dima einer der Chefbuchhalter der russischen Mafia und braucht Perrys Hilfe. Bei der Mafia hat ein Machtwechsel stattgefunden. Die Geschäfte sollen anders organisiert werden und Dima fürchtet um sein Leben und das Wohl seiner Familie. Perry soll nun bei der Rückreise nach London Kontakt mit dem britischen Geheimdienst aufnehmen, damit Dima aussteigen kann. Im Tausch bietet er wertvolle Informationen an.

Therapieurlaub in Marrakesch

Doch ganz so einfach wie Perry sich das vorgestellt hat, ist er nicht aus der Sache raus. Am Flughafen treffen Perry und Gail auf den Geheimdienstmann Hector (Damien Lewis). Der ist nicht nur skeptisch, was Perrys Verstrickungen angeht, sondern bezweifelt auch den Wert von Dimas Infos. Es gibt Hinweise auf Korruption, die bis in die Führungsetagen britischer Banken und auch in Regierungskreise deuten. Doch Hector stößt bei seinen Vorgesetzten auf taube Ohren, was den russischen Mafioso und seine Familie betrifft. Letztlich beschließt Hector auf eigene Faust zu agieren. Dazu müssen Gail und Perry allerdings noch eine Weile mitmachen, den Dima vertraut nur seiner Urlaubsbekanntschaft.

Gerade John Le Carré hat eigentlich gezeigt, dass das Spionage-Genre nicht mit dem Kalten Krieg zu Ende ging. Immer wieder lotet der Bestsellerautor aus, dass Geheimdienste auch in der Gegenwart eine wichtige Rolle spielen. Viele von Le Carrés Werken greifen recht aktuelle Themen auf. So auch „Verräter wie wir“, das mit dem Milieu des organisierten Verbrechens in Russland spielt. Jenes wird immer internationaler und hat seine Kreise längst in die westliche Hemisphäre ausgestreckt.

Allein, das alles ist nicht neu. Die Geschichte vom hochkarätigen Überläufer entbehrt über weite Strecken jedwede Spannung, sofern man schon einmal einen Spionage-Thriller gesehen hat. Regisseurin Susanna White, die vor allem mit anspruchsvollen literarischen TV-Miniserien für die BBC bekannt wurde („Jane Eire“, „Bleak House“, „Parade’s End) macht eigentlich alles richtig. Sie und ihr Team sorgen für gut komponierte Bilder, feine Charakterzeichnungen und wirklich stilvolle Settings. Doch auch, dass „Verräter wie wir“ handwerklich wirklich gelungen ist, hilft nicht über die unspektakuläre Geschichte hinweg.

Die Tentakel der russischen Mafia

Es gibt keine Wendung im Plot, die nicht irgendwie absehbar wäre. Das zieht sich als roter Faden leider durch den gesamten Film bis hin zum Finale. Vielleicht hätte Drehbuchautor Hossein Amini („Drive“, „47 Ronin“) gut daran getan, die Vorlage gehörig durch den Wolf zu drehen. Doch mag es der Ehrfurcht vor der Autorenlegende oder der Publikumserwartung geschuldet sein, die oft nicht gerne sieht, dass man die Vorlage verändert, „Verräter wie Wir“ zählt nicht zu John Le Carrés besten Werken.

Anders als Anton Corbijns Film „A Most Wanted Man“, der auf dem Roman “Marionetten” beruht und sich mit dem Thema Terrorismus befasst, scheint das Thema russische Mafia in dieser Form zu ausgelutscht für eine so behäbige Dramaturgie. Da nützt es auch nichts, wenn die Darsteller wirklich gut drauf sind und der Schwede Stellan Skarsgard sichtlich seinen Spaß als dubioser Russe hat. Die Figur Dima lohnt schon fast allein den Kinobesuch und rettet durch die eine oder andere Seichtheit.

Handwerklich und in Punkto Besetzung ist „Verräter wie wir“ sehr gelungen und hat trotz der sehr absehbaren Handlung einige sehenswerte Szenen zu bieten. Die Darsteller spielen gut auf, aber Le Carrés Romanvorlage gibt einfach wenig her.

Bewertung: 3 von 5.

Verräter wie wir
OT: Our Kind of Traitor
Genre: Thriller,
Länge: 108 Minuten, BG, USA, 2016
Reggie: susanna White
Schauspiel: Ewan McGregor, Naomi Harris, Stellan Skarsgard
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Studiocanal
Kinostart: 07.07.2016
DVD- & BD-VÖ: 17.11.2026


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