Lange hat es bei brutstatt.de keine Jahresrückblicke und keine Bestenlisten mehr gegeben. Das hat Gründe. Zwischendurch war mal Pandemie und irgendwie sind diese Listen auch immer arg subjektiv. Außerdem kommt der Haarespalter gerne noch mit Unterkategorien um alles unterzubringen, was erwähnenswert wäre und am Ende hat der mensch doch wieder was Wichtiges vergessen. Also Lieblinge statt der Besten; und auch diese auf eine Top 5 runterzubrechen ist Schwerstarbeit. Los geht’s mit den Filmen von 2024.
Das Filmjahr 2024 war ein gutes. Ich hatte wieder Freude im Kino und habe tatsächlich etliches gesehen und gesichtet. Wie üblich ist etwa 75% der Produktionen, die einen Kinostart bekommen, mehr oder minder vorhersagbares Mittelmaß, aber unterhaltsam kann‘s dennoch sein. Und ich habe festgestellt, dass mir fehlt, die jährlichen Top 10 der Kollegen zu sehen und zu bestaunen. Wie das bis zur Pandemie eine eigentlich schöne Routine war.
Tatsächlich habe ich auch noch Auslassungen auf meiner Liste, aber doch weit mehr als 150 neue Filme gesehen. Den italienischen Überraschungserfolg „Morgen ist auch noch ein Tag“ habe ich einfach nicht geschafft. Da kam immer was dazwischen. Außerdem kommen die Filme bei uns ja zu anderen Daten ins Kino oder ins Streaming als beispielsweise den USA. Weshalb immer wieder Filme in der Liste auftauchen, die schon 2024 Oscar-nominiert waren.
Nu je, ich bin auch keine Redaktion. Hier wird nicht abgestimmt und ich haue einfach mal eine Top 5 raus. Einzige Bedingung, dass die Filme 2024 ihre Erstveröffentlichung in Deutschland hatten. Kinostart oder DVD-Premiere oder Streaming-Start. Und ja, es gibt drei besondere Erwähnungen, aber dazu später.
Top 5: Lieblingsfilme 2024
5. Emilia Perez
Die Story um den Kartellboss, der lieber eine Frau sein will und das Gangstersein hinter sich lassen hat mich einfach nur geflasht. Ich mag das physische Kino von Regisseur Jaques Audiard und die irrwitzige Umsetzung mit Gesang, Tanz und wahnwitzig intensiven Bildern ist atemberaubend, mutig – und schön. Aktuelle Debatten lasse ich an dieser Stelle unkommentiert. Hier geht’s zur Filmkritik.
4. Linoleum
Eine Indie-Komödie über das Weltall, Wissenschaft und das Leben an sich. Kunstvoll verschränkt in einer zeitlichen Absurdität und mit großartigen Darstellern, die sich immer wieder am Kleinstadtleben und einer Wissenschaftsshow abarbeiten, ist genau meine Art von Wohlfühlfilm. In den kann ich so viel Nostalgie und Sehnsucht und Verträumtheit hineingucken, dass ich mich ein intuitives Verständnis für jenes Leben entwickle. Hier geht’s zur Filmkritik.
3. Deadpool & Wolverine
Eigentlich müsste an diese Stelle noch was Intellektuelles stehen; und ein anderer Film gelobhudelt werden. Aber ich bin Comic-Fan und mit Superhelden aufgewachsen. Deren Filmwelten sind weitgehend durchgespielt möchte mensch angesichts der Kinokassen-Flops von „New Mutants“ bis „Madame Web“ annehmen. Und dann kommt das Dream Team der unkaputtbaren Helden und dekonstruiert die ganze Chose. Was für ein Mega-Abriss. Was für ein Fan-Service! Ich hatte sooo viel Spaß, als wäre ich wieder 12. Hier geht’s zur Filmkritik.
3. Dune 2
Seltsamer Weise habe ich zu den beiden besten Filmen des Jahres keine Reviews verzapft. Das lag vor allem an unglücklichem Zeitmangement. Dabei war „Dune 2“ wahrlich eine Science-Fiction-Offenbarung. Denis Villeneuve („Arrival“, „Incendies“) gehört ohnehin zu meinen Lieblingsfilmmachern und seine Inszenierung von Frank Herberts „Wüstenplaneten“-Romanzyklus ist bildgewaltig, großartig besetzt und auch noch zeitgemäß aktuell (für die, die das interpretieren mögen). Ich war mir nicht sicher, ob die schwarz-weiß Inszenierung des Harkonnen-Heimatplaneten zwingend ist, aber sie sieht großartig aus. Noch geliebter als der ohnehin grandiose Vorgänger.
1. Zone of Interest
Und schon wieder ein Holocaust-Film. Nu je, nicht nur. Ein unverfilmbarer Roman über die Familie des Lagerkommandanten von Auschwitz, besetzt mit deutschen Darsteller:innen und auf Deutsch gefilmt, an „Originalschauplätzen“ und das Grauen ist omnipräsent im Hintergrund. Dafür gibt es kaum treffende Worte und es bleibt eine Perversion und Zumutung sondergleichen. Und dann kommt die Schwiegermutter zu Besuch und kann es kaum aushalten (im Film). Dabei ist ein wesentlicher und technisch und emotional genialer Teil des Films sein eindrückliches, durchdringliches Sound-Design. Wer den schwer zu ertragenen, wichtigen und großartigen Film gesehen hat, wird ahnen oder wissen, was ich meine.
Und dann wären da noch drei besondere Erwähnungen.
„Poor Things“
Ist ebenfalls schwer zu verfilmende Perversion und eine bizarre Zumutung und eine verstörende Verführung in Bildwelten und Geisteshaltungen, die so absonderlich wie bizarr und schön sind. Furios gelingt es Georgos Lanthimos sein namhaftes Cast um eine entfesselte Emma Stone zu einer Geschichte der Befreiung zumachen. Ich ab so meine Schwierigkeiten mit Lanthimos Distanziertheit zu seinen Charakteren. Ich fühle mich da oft, als wäre mein Gehirn vom Körper getrennt und läge in einer Nährlösung. Dennoch ein epischer Film. Hier geht’s zur Filmkritik.
Der Filmverleih Rapid Eye Movies hat eine beachtliche Filmreihe ins Leben gerufen. „Zeitlos“ präsentiert Filmperlen aus aller Welt und aus unterschiedlichsten Epochen. Die Filme kann der kinoaffine Mensch sich alle reinpfeifen, denn die Reihe ist so kuratiert, dass es auf alle Fälle etwas Außergewöhnliches zu sehen gibt, das zumeist noch nicht in deutschen Kinos zu sehen war. Das ist spannend und löblich. Und zwei der schönsten Filmeerlebnisse des Jahres waren in dieser Reihe zu sehen.
Typhoon Club
Ein japanischer Filmklassiker aus den 1980er Jahren. Thematisch ein bisschen ähnlich den „Breakfast Club“, aber mit ganz eigener Bildsprache und einer Teenage Angst, die heutzutage vielleicht wieder nachklingen mag. Anfangs war ich nur neugierig, dann war ich gepackt und begeistert. Großartiger Film, den ich hier vorgestellt habe.
Schließe mich in deine Arme
Ein mexikanischen Melodram aus den 1950er Jahren braucht die Welt ja wohl nicht noch? Von wegen. Allein der gefischte Hammerhai ist einzigartig. Die Handlung mag etwas holzschnittartig sein, aber die Bilder sind kunstvoll und die Darsteller so ernst bei der Sache. Bisweilen kam ich einfach aus dem Staunen nicht mehr heraus und dann war ich begeistert. Auch, weil heutiges Kino selten so wagemutig und fordernd und so beseelt erzählt. Ach, ich ließ mich hinreißen. Zur Filmkritik.
Soviel dazu. Kommentare erwünscht, eigene Antwortlisten auch.
Viel Spaß im Kino .