Der Lehrer, der uns das Meer versprach: Lernen fürs Leben

In den 1930er Jahren kommt ein Lehrer in ein spanisches Dorf und hat neue Ideen. Das ist nicht bequem und endet tragisch. Basierend auf wahren Ereignissen erzählt das Drama von der Freude am Lernen, der Macht der Gewalt und der Notwendigkeit der Erinnerung. Ein sehenswertes historisches Drama, das in unsere Zeit reicht. 24 Bilder bringt „Der Lehrer, der uns das Meer versprach“ am 6. Februar 2025 in die Kinos.

Im Jahr 2010 klingelt bei der jungen Mutter Ariadna (Laia Costa, „Victoria“) in Barcelona das Telefon. Der Anruf ist eigentlich für ihren Großvater der seit kurzem im Heim lebt. Vor Jahrzehnten hatte er bei der zuständigen Behörde einen Antrag gestellt, seinen im spanischen Bürgerkrieg vermissten Vater auf eine Suchliste zu setzen.

Nun ist in der Nähe von Burgos ein Massengrab aus der Zeit entdeckt und offengelegt worden. Ariadna ist irritiert, ihre Mutter will davon nichts wissen und die Sache ruhen lassen, doch Ariadna nimmt den Faden auf und fährt nach La Pedraja. Vor Ort kommt sie in Kontakt mit einem alten Einheimischen, der hofft, die Überreste seines ehemaligen Lehrers zu finden. Und er erinnert sich, dass in der Klasse auch ein katalanischer Junge war. Der alte Mann beginnt von früher zu erzählen.

„Bitte, fahre da nicht hin.“ (Ariadnas Mutter)

Im Jahr 1935 kommt ein neuer Lehrer in das Dorf. Antonio Benaiges (Enric Auquer) ist von der Regierung geschickt und hat ein neues Unterrichtskonzept im Gepäck. Die freie Reformpädagogik versucht alle Kinder nach ihren Bedürfnissen zu unterrichten. Und in Aufgabenstellungen und Projektanalysen ihre Neugier und ihren Wissensdrang zu entfachen.

Das hat wenig mit stillsitzendem Abschreiben aus der Heiligen Schrift zu tun und viel mit dem Erleben und Erforschen der eigenen Umwelt. Aus dem interdisziplinären Projekten werden dann von den Schülern Hefte gedruckt, die die Erkenntnisse zusammentragen. Der konservative Bürgermeister ist davon nicht sonderlich angetan, aber seine Tochter ist begeistert. Leider achtet der Unterricht wenig auf Standesunterschiede und behandelt alle Schüler:innen gleich. Auch den Waisenjungen Carlos, der bei Lehrer Antonio unterkommt, weil es sonst niemanden gibt, der sich um ihn kümmern kann.

Doch die zweite Spanische Republik (1931 – 35) ist nicht stabil und die Falangisten greifen nach der Macht. Der Faschismus kommt auch im Dorf an und der rote Lehrer wird zur Zielscheibe des falangistischen Schlägertrupps, der ihn schließlich verschleppt.

Regisseurin Patricia Font, die als Regisseurin bislang vor allem für das TV gearbeitet hat und als Drehbuch-Autorin, erzählt in „Der Lehrer, der uns das Meer versprach“ auch und vor allem eine einfühlsame Geschichte über das spielerische Vermitteln von Wissen. Aber mindestens ebenso präsent und wichtig ist auch die historische und politische Dimension des Films. Wobei es weniger um die Reformpädagogik geht, als um die brutalen Kämpfe und die Vermissungen aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs (und der Franco-Diktatur).

„Da war auch ein katalanischer Junge.“ (Mitschüler)

Wer sich intensiver mit dieser Zeit auseinandersetzen mag, kann mit den umfangreichen Wikipedia-Einträgen beginnen, oder aber literarischer George Orwells „Mein Katalonien“ oder Ernest Hemingways „Wem die Stunde schlägt“ lesen. Auch Hans-Magnus Enzensbergers „Der kurze Sommer der Anarchie“ ist sehr aufschlussreich und weiterführend.

Tatsächlich sind noch immer nicht alle Opfer des Bürgerkriegs aufgefunden und identifiziert worden. Die Opfer in Massengräber zu verscharren, war seinerzeit verbreitet, und die anschließende Franco-Herrschaft hat eine Aufarbeitung unterbunden. Erst ab Ende der 1970er Jahre wurden die Bemühungen der Aufarbeitung auch von Regierungsseite begonnen. Der Spielfilm basiert auf einem Buch des politischen Journalisten Francesc Escribano, der auch die Sachbuch-Vorlage für den Film „Salvador“ (2006) verfasste.

„Jetzt ist nicht die Zeit dafür.“ (Bürgermeister)

Obwohl der Film durch seine aktuelle Rahmenhandlung um Arianda und das finstere Kapitel in ihrer Familiengeschichte eine düstere Stimmung bekommt, ist die historische Haupthandlung lebendig und begeisternd, bis es dann tragisch endet. Darin ist „Der Lehrer, der uns das Meer versprach“ nicht einzigartig, aber doch überzeugend. Das Drama ist recht konventionell erzählt und nimmt das Publikum mit.

Es ist inspirierend und mit viel Sensibilität erzählt wie der neue Lehrer mit den Schulkindern und dem Dorf in Kontakt kommt, welche gesellschaftlichen Strukturen sich in der Dorfgemeinschaft exemplarisch offenbaren und welche Kraft der frische Wind entwickelt. Doch er trägt nicht bis zum Meer, das die Schüler noch nie gesehen haben. Nicht alle Eltern willigen ein, Antonio mit den Schüler:innen eine Reise machen zulassen.

„Der Lehrer, der uns das Meer versprach“ verknüpft auf emotionale Weise die Aufarbeitung von Verlust mit der Lebensfreude des kindlichen Lernens. Das ist zwar auch eine gefühlsmäßige Achterbahn-Fahrt, aber das inspirierende Momentum leuchtet auch über den Film hinaus. Ebenso wie der Impuls sich aktiv mit der Geschichte auseinanderzusetzen und nicht zu vergessen.

Bewertung: 3.5 von 5.

Der Lehrer, der uns das Meer versprach
OT: El maestro que prometió el mar
Genre: Drama, Zeitgeschcihte, Biografie
Länge: 107 Minuten, E, 2023
Regie: Patricia Font
Vorlage: Buch „Desenterrant el silenci: Antoni Benaiges, el mestre que va prometre el mar“ von Francesc Escribano
Schauspiel: Enric Auquer, Gael Aparicio, Laia Costa
FSK: ab 12 Jahren
Verleih: 24 Bilder /
Kinostart: 06.02.2025

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