Lauf Junge lauf: Überleben im besetzen Polen

Aus dem Archiv: „Lauf Junge lauf von 2014. Seit gut zehn Jahren hatte Regisseur Pepe Danquart keinen Spielfilm mehr gedreht. Nach „Basta – Rotwein oder Totsein“ widmete sich der deutsche Filmmacher verstärkt dokumentarischen Themen. Auch „Lauf Junge lauf“ hat einen biografischen Hintergrund. Die Geschichte des jüdischen Jungen, der während des Zweiten Weltkriegs aus dem Warschauer Ghetto entflieht und wie durch ein Wunder den Krieg und die Verfolgung durch die Nazis überlebt, ist die Lebensgeschichte von Yoram Friedman. Der Film stützt sich auf den ebenfalls „Lauf Junge lauf“ betitelten Bestseller von Uri Olev.

Im Winter 1942 flieht der neunjährige Srulik (Kamil & Andrzej Tkacz) aus dem Warschauer Ghetto. Sein Vater hatte ihm die Maxime mit auf den Weg gegeben, er müsse um jeden Preis überleben und solle nie vergessen, dass er Jude sein. Was den Jungen anfangs irritiert, aber in der polnischen Realität des Krieges schnell einen Sinn ergibt. Denn auf Juden ist von den Deutschen ein Kopfgeld ausgesetzt und einige der katholischen Polen haben keine Skrupel die Juden zu verraten. Also wird aus Srulik notgedrungen Jurek Staniak.

Jurek flieht in den Wald und trifft dort auf andere jüdische Kinder, die bringen dem naiven Stadtkind einiges bei, das überlebenswichtig ist: Wie man am besten stiehlt, wie man Wunden behandelt und dass Jurek nie die Hosen runterlassen darf, weil man ihn dann sofort als beschnitten, folglich jüdisch, erkennt. Doch die Gemeinschaft währt nicht lange und Jurek ist wieder auf sich gestellt. Im harten Winter wäre er fast erfroren, doch die Bäuerin Magda (Elisabeth Duda) versteckt ihn und hilft ihm dabei ein katholischer, polnischer Junge zu werden. Doch auch hier ist Jurek in Gefahr und seine Odyssee ist noch lange nicht beendet.

„Vergiss nie, das du Jude bist“

Die biografische Geschichte des Überlebenden hinter „Lauf Junge lauf“ steht für sich selbst, doch es gelingt dem Film daraus auch eine sehr gelungene Erzählung zu machen, die emotional packend ist und den Zuschauer jederzeit fesselt. Pepe Danquart („Joschka und Herr Fischer“, „Höllentour“) weiß mit wohldosierten Rückblenden und eindrücklichen Bildern die Spannung hoch, die Dramatik lebendig und den Erzählfaden stimmig zu halten.

Immer wieder gibt es nicht nur für Jurek /Srulik sondern auch für den Zuschauer Phasen der Entspannung in denen zunächst einmal das direkte Überleben gesichert ist und sich Jurek in wohlmeinender Gesellschaft befindet. Der arbeitsame Junge findet, seit er katholisch ist, häufig Unterschlupf auf Bauernhöfen, wo er fleißig mitarbeitet und sein Essen verdient. Beständig ist solche Sicherheit aber nie. Auch dafür findet der Film die passenden Bilder.

Einziges Manko des durchaus sehenswerten Films, der von der Filmbewertungsstelle absolut zurecht das Prädikat „besonders wertvoll“ erhalten hat, ist die enervierend pathetische Filmmusik von Stéphane Moucha („Das Leben der Anderen“, „Die Fremde“), die mit ihrem beinahe monotonen, fast nie variierten Motiv einfach zu aufgesetzt und zu aufdringlich daherkommt.

Ein katholischer Bauernjunge

Die große Qualität und in gewisser Weise auch der Beitrag zur Historie, den „Lauf Junge Lauf“ leistet, liegt in der versöhnlichen Figurenzeichnung. Hier geht es nicht darum, die Bösen besonders böse zu zeigen und die Guten mit hellem Glorienschein, sondern eine Menschlichkeit zu vermitteln, die mehr ist als plakatives Schwarz-Weiß-Denken. Sogar der zuständige Nazi-Offizier (Rainer Bock) zeigt eine gewisse Menschlichkeit, als er sportlich anerkennt, dass der Bengel ihn ausgetrickst hat. So richtig glaubensfest hinter der Endlösung steht der Offizier sowieso nicht. Seine Untergebenen gehen da gegen die polnischen Widerständler durchaus rabiater zu Werke.
Ein katholischer Bauernjunge

Auch die polnische Landbevölkerung wird differenziert gezeigt. Sicher gab und gibt es in der erzkatholischen Bauernschaft auch Antisemitismus, aber viele, die Jurek Unterschlupf gewähren, durchschauen sein Versteckspiel mit der Zeit. Sie folgen einfach ihrer menschlichen Verpflichtung einem hilfsbedürftigen Kind gegenüber. Das alles ist auch für ein jüngeres Publikum geeignet, ohne dabei an dramatischer Wirkung zu verlieren.

Die Gratwanderung zwischen jugendlichem Abenteuer und historischer Wahrhaftigkeit des Holocaust wird zu jedem Zeitpunkt von aufrichtiger Menschlichkeit getragen. So ist „Lauf Junge lauf“ ein beachtliches, sehenswertes Kriegsdrama nach einem wahren Vorbild das in finsteren Zeiten ein optimistisches Menschenbild zeichnet.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Lauf Junge lauf
OT: Lauf Junge lauf
Genre: Biographie, Geschichte
Länge: 102 Minuten, D/F/PL, 2013
Regie: Pepe Danquart
Schauspiel: Andrzej Tkacz, Kamil Tkacz, Rainer Bock, Elisabeth Duda,
Vorlage: Roman „Lauf Junge lauf“ von Uri Orlev
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: NFP,
Kinostart: 17.04.2014
DVD-5 BD-VÖ: 23.09.2014

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