Auch im Berliner Friedrichstadt-Palast macht sich der Mauerfall bemerkbar. Das fast wiedervereinigte Berlin hat kein Geld für Kultur und die Kickline im Palast braucht neue Beine. In der zweiten Staffel der TV-Serie „Der Palast“ bleibt einiges beim Alten und einiges muss erneuert werden. Das Gesamtkonzept der Serie allerdings bleibt. Viel Menschliches um die Revue-Girls. Die Geschichte in Staffel 2 funktioniert aber ohne Vorwissen. Constantin Film veröffentlicht die Serie, die jüngst im ZDF ausgestrahlt wurde, am 17. Januar 2025 als DVD.
Der Berliner Kultursenator schaut sich eine Vorstellung in beinahe Leeren Friedrichstadt-Palast an. Das einstige Juwel der DDR-Unterhaltung, das eigentlich immer ausverkauft war hat in den Monaten nach dem Mauerfall scheinbar an Strahlkraft verloren. Der Senator setzt einen neuen Intendanten ein. Gerd Kolberg (Benno Führmann) hat auch schon Ideen wie der Schaupalast wieder aufblühen könnte.
Regisseur Sönke Rappold (Marc Hoseman), Maskenbildner Theo Kupfer (Bernd Moss) und Ballettchefin Regina Feldmann (Jeanette Hain) gefällt das allerdings überhaupt nicht. das „Las Vegas des Ostens“ soll tatsächlich mit Casino und Edel-Restaurant aufgemotzt werden.
Derweil ist die Tanztruppe des Friedrichstadt-Palast für junge Tänzer:innen noch immer ein renommierte Anlaufstelle. so hat sich die junge Münchnerin Karla Tanner (Taynara Silva Wolf) auf den Weg gemacht, um hier vorzutanzen. Zufällig kommt sie an eine Leerstehende Wohnung in Ostteil der Stadt und zieht einfach ein.
„Endlich wieder 64 Beine in der Reihe.“
Auch die Geschwister Luise (Lary Müller) und Lukas (Lukas Brandl) Jansen aus einer Fischersfamilie bei Rostock kommen zum vortanzen. Doch die Tänzer:innen sollen auch solo zeigen, was sie drauf haben. Luise hat ein Paar-Choreografie vorbereitet, und wird nach dem Vortanzen aussortiert, während Lukas angenommen wird. Lukas erkämpft für seine Schwester ein Paar-Tanzen und letztlich bleiben beide bei der Company.
Zusammen mit Karla gründen die Geschwister eine Wohngemeinschaft in Ostberlin. Die übergebliebene Hausgemeinschaft besteht aus den Rentnern Martha (Jutta Wachowiak) und Erwin (Axel Werner) und dem pfiffigen Schüler Ringo, dessen Mutter jetzt in Heimarbeit Engelsfiguren bemalt, während Ringo Mauerstücke an Touris verkauft.
Es dauert nicht lange bis sich auch Hausbesetzer in der Straße blicken lassen. Unter ihnen auch Hagen, der eine rollende Kneipe betreibt und Uli Brändle (Ben Felipe), der Filme dreht. Außerdem hat Ben einen Hang zum Heimwerken und sorgt eines Tages für einen (unfreiwilligen) Wanddurchbruch zur WG.
Im Palast verschärft sich derweil der Ton, weil wirtschaftlich Kultur geschaffen werden soll.- Wobei nicht recht klar ist, ob Revue-Tanz überhaupt noch Kultur ist. Kolberg fordert seine neuen Mitarbeiter ordentlich heraus, die sich zudem auch noch mit Fragebögen zu ihrer Ost-Vergangenheit beschäftigen müssen.
„Wenn da Köpfe rollen, ist meiner nicht dabei.“
Ballett-Chefin Regina macht indes die Bekanntschaft des charmanten Barkeepers Martin (Benjamin Sadler), der immer einen Martini und ein offenes Ohr zu bieten hat. Völlig unverhofft verliebt sich Regina ausgerechnet als es um die Zukunft ihrer Wirkungsstätte geht und in der Tänzerinnen-WG stehen auch turbulente Zeiten an. Immerhin steht die Love Parade vor der Tür und Hagen und seine Gang sind mittendrin.
Die Mischung macht vermutlich einen Gutteil des Reizes von „Der Palast“ aus. Da hat sich mit dem klangvollen Namen Friedrichstadtpalast ein Kristallisationspunkt gefunden, an dem sich sowohl Unterhaltung als auch Zeitphänomene der jüngeren deutschen Vergangenheit darstellen lassen und generationsübergreifend und in Ost und West Unterhaltung mit Herz und Schmerz (Und Bein) zeigen lässt.
„Der Palast“ stellt in Staffel 2 erneut Geschwister in den Mittelpunkt der Handlung, stellt aber das Geschehen um die Geschwister herum breiter auf. So kommt die Dauerbesetzung des Palastes hinter den Kulissen stärker zum Einsatz und auch der Zeitgeist des Aufbruchs nach dem Mauerfallnimmt erzählerisch mehr Raum ein. Hier geht’s übrigens zur Vorstellung von Staffel 1.
Das ist durchaus unterhaltsam und sorgt – mit den Mitteln des TV-Formats, schon dafür, dass die damalige Zeit wieder gegenwärtig wird. Immerhin ist die Deutsche Einheit nun auch schon fast 35 Jahre her und für viele jüngere Menschen alles andere als eine Lebensrealität. Hier die Lebenslust und anarchische Kreativität der gerade zusammengewachsenen Stadt Berlin darstellen zu wollen ist ebenso berechtigt wie es bisweilen zu seicht und klischeebeladen ausformuliert wird.
Brach liegendes, freies Berlin?
Nicht nur die Hausbesetzter-Szene und die Immobilienspekulanten sind plakativ in Szene gesetzt, auch die Kommerzialisierung des Kulturbetriebs in Person von Neu-Intendant Kolberg wirkt mit dem Hammer gezeichnet. Der Protest dagegen kommt dann wieder durchaus bürgernah rüber.
Die Handlung ist vielschichtig, was auch einen Großteil des Unterhaltungswerts ausmacht. Allerdings sind nicht alle Charaktere und Nebenschauplätze erzählerisch auf einem Niveau. Einiges wirkt, möglicherweise absichtlich inszeniert wie eine Telenovela. Wer sich an die Lindenstraße erinnert, wird da möglicherweise Parallelen finden.
Anders das Revuegeschehen, das wie bereits in der ersten Staffel, nicht von tänzerischen Glanzleistungen lebt, sondern von der Gruppendynamik. Darin ist „Der Palast“ dem französischen Serienformat „L‘Opera – Dancing in Paris“ nicht unähnlich. Doch letztlich wissen die etablierten Charaktere eher zur Dramatik beizutragen als die jungen Neuzugänge. Das liegt weniger an den darstellerischen Leistungen als am Drehbuch.
Doch es gibt auch ziemlich überzeugende Motive in der zweiten Staffel von „Der Palast“. So gewinnt die Hausgemeinschaft, in die die neuen Tänzerinnen einziehen, im Serienverlauf eine eigene Dynamik und seine eigenen kleinen und großen Momente. Von Rentenfragen bis hin zu den Indianern des Ostens.
Wer sich in der ersten Staffel des Fernsehformats gut unterhalten fühlte, wird auch in der Fortsetzung ähnlich abgeholt und mit Geschichten rund um das Ensemble des Friedrichstadt-Palast versorgt. Die Zeiten ändern sich, die Soap Opera artige Verknüpfung von Show-Elementen und Zeitgeist zur deutschen Wiedervereinigung setzt auf das bewährte Erfolgsrezept. Das ist unterhaltsam und in den Stammrollen sehenswert besetzt, aber die neue Familiengeschichte trägt nicht so stark wie die Vorherige und bisweilen watet das Serienformat doch arg in seichten Gewässern.
Serien-Wertung: (5 / 10)
Der Palast – Staffel 2
Genre: TV-Miniserie
Länge: 267 Minuten, D, 2025
Regie: Uli Edel
Darsteller:innen: Lary Müller, Lukas Brandl, Taynara Silva Wolf
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Constantin Film, ZDF Enterprises
DVD-VÖ: 17.01.2025