Ava – Die barfüßige Gräfin: Jetset an der Copacabana

Vom Leben und Wirken weltbekannter Stars geht auch weit über ihre Zeit hinaus noch eine Faszination aus, die inspirierend sein kann und zu neuerlicher Betrachtung einlädt. So auch in „Ava Gardner – Die barfüßige Gräfin“, der biografischen Graphic Novel von Ana Miralles und Emilio Ruiz, die Anfang November 2024 bei findigen Comic-Verlag Schreiber & Leser veröffentlicht wurde. Darin betrachten die Comic-Künstler einen kurzen Moment in Gardners Leben, als sie zu Filmwerbezwecken 1954 nach Brasilien reist.

Ava Gardner ist in den 1950er Jahren weit mehr als nur ein amerikanischer Filmstar. Sie ist eine „Leinwandgöttin“. 1954 dreht sie in Europa unter der Regie von Joseph L. Mankiewicz mit Co-Star Humphrey Bogart das Drama „Die barfüßige Gräfin“. Bevor der Film in die Kinos kommt, unternimmt Ava Gardner noch Werbereisen für den Film. Auch in Brasilien will der Star den Film vorstellen.

Doch der Abstecher nach Südamerika steht unter keinem guten Stern. Der brasilianische Organisator des Besuchs wird von der Polizei festgesetzt, als er Ava von Flughafen abholen will. So müssen sich die Diva, ihre Zofe und ihr Pressesprecher allein auf den Weg zum Hotel machen. Doch bereits der Weg durch die wartende Menschenmenge wird zum Spießrutenlaufen. Der bestellte Chauffeur fährt den Filmstar zu einem anderen Hotel als abgesprochen.

Eine herabsteigende Göttin

Als die aufgebrachte Ava Gardner umgehend wieder abreisen will, ist der Hotelmanager düpiert. Und die Presse, die der Star links liegen gelassen hat, kommt am nächsten Morgen mit Skandalnachrichten an die Kioske. So etwas wollen die Menschen schließlich lesen.

Ava Gardner beschließt eine Pressekonferenz einberufen, um die Dinge wieder ins rechte Licht zu rücken. In Hollywood ist man allerdings begeistert von dem brasilianischen Presserummel und gratuliert Pressesprecher Hanna zu seinem Coup. Dann taucht noch Avas obsessiver Verehrer, der Millionär Howard Hughes, heimlich in Rio auf und bedrängt die Diva.

Der kurze Abstecher nach Rio scheint für Comic-Szenarist Emilio Ruiz eine Situation zu sein, die der Autor wie ein Brennglas benutzt, um dem Trubel um die Leinwandgöttin exemplarisch einzufangen und zu sezieren. Dabei verdichtet das Szenario etliches an Klatsch und Tratsch, an Legendenbildung und überlieferter Ausstrahlung der Femme fatale zu einem erzählerischen Momentum, das schon etwas von einem in gewisser Weise auch voyeuristischen Zoobesuch hat. Von der Betrachtung einer eingesperrten Raubkatze.

Eine Jagdmeute

Tatsächlich ist es aus heutiger, emanzipierter Sicht schon extrem irritierend, wie selbstverständlich seinerzeit die Person Ava Gardner auf ihren ikonischen Objektstatus reduziert wurde. Es mag ja huldigend gemeint sein, Ava Gardner als „Gottesbeweis“ zu betiteln, oder aber als „das schönste Tier Hollywoods“, aber es ist auch extrem erniedrigend. So zeigt diese Episode in Rio de Janeiro auch und vor allem, wie sehr Ava Garner gefangen ist in dem Showbusiness-Zirkus, in ihrem Raubtier-Käfig.

Dabei soll die selbstbewusste Frau durchaus lebenslustig und eigenwillig gewesen sein. Im Comic-Album wird das vor allem im resoluten Auftreten dargestellt. Richtig überzeugend erscheint es nicht, dass die Diva und ihr Tross im Flieger zurück über diese Episode lachen können. Aber so mag der damalige Zeitgeist aus der Rückschau wirken.

Überzeugender ist da die Bebilderung der Geschichte. Illustratorin Ana Miralles ist für Zeichnungen und Kolorierung zuständig und beides ist wohlgeraten. Anmutig versetzen die detailreichen Panels die Leserschaft in das Rio de Janeiro der 1950er Jahre. Geprägt von mondänem Lifestyle wie er in den Hollywood-Filmen vorgelebt wird und von klarem Gesellschaftsziel des Fortschritts ist Rio eine lebendige Metropole zwischen Modernität und Promenade.

Eine tanzende Frau

In den 1950er Jahren ist Rio noch die Hauptstadt Brasiliens und das Land befindet sich in einer Phase der Demokratisierung. Damals war die heutige Hauptstadt Brasilia noch in Bau. Die Vision von Stadtplaner Lúcio Costa und Architekt Oscar Niemeyer wirft noch keine Schatten auf dem Glanz der Karnevalsmetropole am Strand der Guanabara-Bucht. Entsprechend selbstbewusst, erwartungsvoll und mit lateinamerikanischem Temperament begrüßt Rio die Diva. Der Machismo kann kaum anders, als die Göttin besitzen zu wollen wie einen Schatz. Bisweilen findet sich das in den Zeichnungen wieder.

Gezeichnet wird mit klarer Line in Franco-Belgischer Tradition ohne jedoch die Panels selbst zu umranden. Auch ist der Seitenaufbau grundsätzlich dreizeilig, lässt sich aber in der Panelaufteilung Freiraum, sofern dieser dramaturgisch notwendig erscheint. Es gibt viel zu reden in den 48 Stunden von Rio und etliche Szenen sind mehr oder minder Dialog getrieben, was der Illustration subtile Nuancen in Gestik und Mimik abverlangt. Das ist schon ziemlich bravourös und sensibel umgesetzt.

Aber auch von der Stadt Rio bekommt die Leserschaft einen Eindruck. Der Zeitgeist der Fünfziger Jahre tanzt aus den Seiten heraus und nimmt einen mit in jene Zeit. Straßenszenen sind ebenso lebendig und dynamisch wie die Hotelausblicke und der nächtliche Ausflug Ava Gardeners Fernweh erwecken und von kleinen und großen Fluchten träumen lassen. Das ist nicht nur für eine Leinwand-Göttin ein Sehnsuchtsort.

Die Hollywood-Diva Ava Gardner galt als lebenslustige Femme fatale. Während der 48 Stunden von Rio gerät sie in einen Wirbel aus negativer Presse und begehrlichen Anzüglichkeiten, die sie selbst wie einen Roman Kafkas empfindet. Das ist dialoglastig dargestellt und mit klaren Linie und eleganten Schattierungen zu Papier gebracht. Das damalige Gebaren gegenüber der Schauspielerin scheint aus heutiger Perspektive mehr als nur irritierend. Darüber hinaus lässt sich aus dieser Geschichte wenig mehr herauslesen.

Comic-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Ava – Die barfüßige Gräfin
OT: 48h dans la vie d’Ava Gardner, Dargaud, 2024
Genre: Graphic Novel, Biografie,
Autor: Emilio Ruiz
Illustration: Ana Miralles
Übersetzung: Resl Rebiersch
ISBN: 978-3-96582-166-8
Verlag: Schreiber & Leser, gebunden, 112 Seiten
VÖ: 05.11.2024

Ava Gardner bei Schreiber & Leser

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