Der Mann aus Rom: Die Stille nach dem Gebet

Ein Priester wird vom Vatikan in die Niederlande geschickt um ein vermeintliches Wunder zu untersuchen. Was sich wie ein behäbiger Sonntagsausflug anhört, entpuppt sich als vielschichtiges und packendes Duell um die Hoffnungen der Menschen. Zu sehen ist dieses filmische Kleinod im Verleih von MissingFilms ab dem 12. Dezember in den Kinos.

Der Kirchenmann muss laufen. Niemand holt Pater Filippo (Michele Riondino) ab, als sein Zug im der niederländischen Provinz anhält und der vorbeirauschende Trecker nimmt den Pater auch nicht mit. Als er schließlich an seinem Zielort ankommt, ist der örtliche Pater damit beschäftigt, Kürbisse zu ernten.

Von dem Sauerfleisch, dass der Haushälter von Pater Henri (Raymond Thiry) gekocht hat, will der magenverstimmte Italiener nix wissen. Tags darauf wird er offiziell zu der weinenden Marienstatue gelassen, die im Haus der jungen Térèse (Emma Banding) und ihrer Mutter steht. Die Mutter besteht darauf, dass der Pater die Statue segnet, der Pater verweist auf ein Missverständnis und will die Tochter sprechen.

Doch Térèse spricht nicht, seit ein Amoklauf an der örtlichen Schule etliche Schüler das Leben gekostet hat. Der Arzt hat dem Mädchen attestiert, sie würde nie wieder reden können. Und im Wartezimmer des Bischofs narrt der Kirchenobere den italienischen Priester als scheinbar Mitwartender. Der Magenverstimmung von Filippo ist das alles nicht sehr zuträglich.

Térèses Nächstenliebe

In den Niederlanden ist die römisch-katholische Kirche noch immer die größte konfessionelle Gemeinschaft und umfasst beinahe ein Viertel der Gesamtbevölkerung. In Zeiten abnehmender Religiösität, nach spaltenden Reformationen und einem großen Bevölkerungsanteil aus den ehemaligen Kolonien finde ich das durchaus beachtlich und war verwundert. Doch im Grunde geht es in „Der Man aus Rom“ nicht so sehr um Konfessionen, sondern um etwas anderes, etwas Unaussprechliches, das still verschwiegen wird.

Es ist offensichtlich, dass Kirchenmann Filippo mit seinem Glauben hadert. Er zweifelt. Und nicht umsonst sinniert der Pater im Zug darüber, dass ein amerikanische Präsident während der ersten 100 Tage im Amt mehr als 13 000 Lügen erzählt habe. Auch das zugleich Symptom einer höllischen Welt wie Ablenkung von Wesentlichen der Erzählung.

Térèse steht Filippo genau gegenüber, bildet den anderen Pol des Spektums und ist dabei doch genauso wenig im Dasein verankert wie der Priester, der ein Wissenschaftler ist. Ausgestattet wie ein Exorzist und in ebenjenem Gehabe soll einer allein aufdecken, was die Kirche in Verruf bringen könnte; noch mehr in Verruf bringen könnte. Und so steht ausgerechnet der Kirchenmann gegen den Glauben.

Die Probe des Filippo

Den Wunderglauben, der vor allein eines will, Heilung für eine Wunde, die aus der Gemeinschaft in die Gemeinschaft gerissen wurde. Da ist dieser Amoklauf an der Schule, der ansatzlos und eindrücklich auf das Publikum losgelassen wird wie eine Gnosis oder gar eine Theophanie, eine Gotterscheinung. Der Blick aus dem Fenster, jenen Blick der die Madonna zum weinen brachte: über einen hell erleuchteten Hof auf ein gleißendes Gebäude aus dem lautlos und in Zeitlupe junge Menschen laufen bis sie stolpern, fallen, stürzen.

Und so bekommt die Marienerscheinung einen Zusammenhang, einen Anfang und eine Ursache und einen Zweck. Und siehe der Zweck ist gut, aber der reinen Lehre entspricht er nicht. Aber sie, die Erscheinung, und sie, die „Auserwählte“, füllen Filippos Leere. Nur, dass die Mutter der Leere in ihrem Säckel wegen, oder aus anderem Grund, um Führung bittet, die nur der Mann aus Rom verfügen kann. Die Sprachverwirrung tut ein Übriges. Ein Dilemma? Eine Prüfung? Eine Aufgabe? Eine Lebensaufgabe.

Das niederländische Drama „Der Mann aus Rom“ entwickelt auf unterschiedlichen Ebenen eine faszinierende Auseinandersetzung mit den großen Stolpersteinen des Lebens. Nicht zuletzt das Zusammenwirken von Priester und erkorener Heiliger ist schillernd, faszinierend und intensiv. Filmmacher Jaap van Heusden ist ein erstaunlicher und überraschender Film gelungen, der sich vordergründig mit Glaubensfragen beschäftigt, aber so viel mehr Abgründe aufzeigt.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Der Mann aus Rom
OT: De man uit Rome
Genre: Drama
Länge: 107 Minuten, NL/DE, 2023, OmU
Regie: Jaap van Heusden
Schauspiel: Michele Riondino, Raymond Thiry, Emma Bading,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: missingFILMs
Kinostart: 12. Dezember 2024

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