Anlässlich des Kinostarts von „Blitz“ kommt hier aus dem Archiv die Filmvorstellung von Steve McQueens mehrfach Oscar-prämiertes Werk „12 Years a Slave“ von 2013. Der Text entstand zum Kinostart. Die Sklaverei in Nordamerika war ein Überbleibsel der vorangegangenen kolonialen Praxis. Auch nach der Unabhängigkeit Amerikas 1776 hatte die Sklaverei Bestand. Der Rassismus der Apartheid, eine direkte Folge der Sklaverei, hielt sich bis in die 1960er Jahre. Steve McQueens dritter Spielfilm „12 Years a Slave“ erzählt die außergewöhnliche Geschichte eines freien Afro-Amerikaners, der in die Sklaverei verkauft wird und zu überleben versucht mit großem Gefühl und grandioser Besetzung.
Solomon Northup (Chiwetel Ejiofur) lebt 1841 mit seiner Familie als freier Mann in Saratoga im Staate New York. Der Geiger ist ein gefeierter Künstler und ein angesehenes Mitglied der Gemeinde. Denn hier gibt es, anders als im Süden Amerikas, keine Sklaverei mehr. Solomon lässt sich von zwei Varieté-Künstlern überreden, sie als Musiker nach Washington zu begleiten – und findet sich in Gefangenschaft wieder. Mit ihm noch weitere Afroamerikaner, die ihrer Freiheit beraubt wurden und in den Südstaaten als Sklaven verkauft werden sollen.
Für den gebildeten Familienvater beginnt eine unendliche Leidensgeschichte. Er hat keine Möglichkeit seine Freiheit einzufordern. Um zu überleben wird er zu einem unauffälligen Mann. Was nicht immer gut gelingt. Auf der Plantage der Fords wird er schnell zum „Lieblingsnigger“ des Masters (Benedict Cumberbatch). Das hat aber zur Folge, dass der eifersüchtige Aufseher Tibeats (Paul Dano) ihm das Leben zur Hölle macht. Ford bleibt keine andere Wahl als Solomon, dessen Sklavenname seit er verschifft wurde Platt lautet, an den Plantagenbesitzer Epps (Michael Fassbender) zu verkaufen.
Weggefangen aus dem Leben
Epps ist bekannt für seine Unbarmherzigkeit. Bei den Epps wird Solomon nicht nur zur harten Feldarbeit herangezogen, sondern muss auch zu den sprunghaften Amüsements seiner Herrschaften die Geige spielen, während Epps an der Sklavin Patsey (Lupita Nyong’o) einen Narren gefressen hat, sehr zum Missfallen seiner Gemahlin. Für Solomon wird das bloße Überleben immer schwieriger.
Wenn es im Spielfilmschaffen von Regisseur Steve McQueen so etwas wie ein übergeordnetes Thema, ein Leitmotiv, gibt, dann ist es die Gefangenschaft. Während „Hunger“ den Hungerstreik eines inhaftierten IRA-Mannes auslotet und „Shame“ die Sexbesessenheit eines erfolgreichen Geschäftsmannes als Sucht und inneren Zwang seziert, findet sich auf Solomon Northup unverschuldet in der Sklaverei. Die existentielle Dauerkrise ist das Überleben in dieser feindlichen Umgebung.
Es geht auch darum, zu zeigen, wie viel ein Mensch erträgt und welchen Preis er zahlen muss oder kann, um vor sich selbst aufrecht zu bleiben. Solomon weiß um die akute Lebensgefahr in jedem einzelnen Moment seiner Sklavenexistenz und dennoch versucht er mit allen Mitteln, nicht abzustumpfen, sich nicht in die aufgezwängte Gewalt zu fügen; freilich sind seine Mittel extrem begrenzt. Mehr als einmal ist er hilflos gegenüber dem Leid, muss das eigene körperliche Wohl gegen den Drang zu helfen abwägen.
„12 Years a Slave“ ist von großer emotionaler Wucht und nicht nur dank der großartigen Darsteller wird die unterschwellige Bedrohung und die Grundspannung dieser aufgezwungenen Existenz jederzeit spürbar. Das ist auch der Musik von Hans Zimmer zu verdanken, die sich vor allem zu Beginn bedrohlichen bis zur monotonen Unerträglichkeit der wuchtigen Raddampferschaufeln aufschaukelt. Doch auch die Story ist packend und mit viel zeitkoloristischem Realismus umgesetzt.
Unter der Willkür der Peitsche
Steve McQueens Film beruht auf dem autobiografischen, gleichnamigen Buch von Solomon Northup und es gelingt Drehbuchautor John Ridley („U-Turn“, Three Kings“) die Erzählung in packende Szenen und stimmige, ergreifende Dialoge umzusetzen. Die Sklaverei in Nordamerika war ein Überbleibsel der vorangegangenen kolonialen Praxis der Plantagenwirtschaft, in der für die weiten Landwirtschaftsflächen Arbeitskräfte benötigt wurden. Dennoch ist es aus heutiger Sicht erstaunlich mit welcher scheinbaren Selbstverständlichkeit sich die Auswanderer, in ihren Heimatländern häufig selbst unterprivilegiert, mit dieser inhumanen Zwangsarbeit arrangieren konnten.
Das alles wäre allerdings nur halb so wirksam, wenn nicht die Kameraarbeit von Sean Bobbit, der auch schon bei McQueens bisherigen beiden Filmen für eine intensive Nähe zu den Figuren und eine der Geschichte entsprechende Grundstimmung gesorgt hat, erneut grandios und extrem lebendig ausgefallen wäre. Vor allem zu Beginn des Films wissen die Bilder des gekidnappten Afroamerikaners den Zuschauer zu packen. In Filmverlauf verliert sich die fulminante Anfangsintensität ein wenig, denn der Alltag und die irrsinnige Willkür der Sklaverei sind durchaus schon häufiger filmisch thematisiert worden, auch in drastischerer Weise. Etwas kurzer hätte „12 Years a Slave“ ausfallen dürfen. Seiner Kunstfertigkeit und der zeitlosen Wichtigkeit dieser Erzählung tut das allerdings wenig Abbruch.
Dennoch ist auch Steve McQueens dritter Spielfilm „12 Years a Slave“ ein herausragender, ergreifender und anklagender Film geworden. Vielleicht sein bislang zugänglichster, da das Thema für viele Menschen fassbarer und emotional aufgeladen ist.
Film-Wertung: (8 / 10)
12 Years a Slave
OT: 12 Years a Slave
Genre: Drama, Historisches, Biografie
Länge: 134 Minuten, USA, 2013
Regie: Steve McQueen
Vorlage: Biographie von Solomon Northup
Schauspiel: Chiwetl Ejiofor, Michael Fassbender, Lupiota Nyong’o, Benedict Cumberbatch
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Tobis (UPI)
Kinostart: 16.01.2014
DVD-& BD-VÖ: 16.05.2014