Animationsfilme für Erwachsene sind immer eine spezielle Angelegenheit. Das portugiesische Drama „All unser Dämonen“ erzählt von einer jungen Frau und ihrem verstorbenen Großvater. Das ist in Stop Motion Technik hinreißend umgesetzt und hat einige eigenwillige Elemente aufzubieten. Little Dream Pictures veröffentlicht „All unsere Dämonen“ am 17. Oktober 2024, zu sehen in ausgewählten Kinos.
Rosa lebt alleinstehend in Lissabon und arbeitet in einer Agentur. Ihre Katze wartet im neu bezogenen Appartement und Kollege João macht gelegentlich Ausgeh-Offerten. Doch Rosa wird auch von einem unbekannten Anrufer genervt, den sie konstant wegdrückt.
Erst als die Post von vertrödelten Nachsendeantrag abgeliefert wird, erfährt Rosa, dass ihr Großvater Marcelino ihr in letzter Zeit etliche Briefe geschrieben hat. Inzwischen ist der Großvater, der Rosa aufgezogen hat, verstorben und hat seiner Enkelin das Haus und ein riesiges Grundstück hinterlassen.
Rosa packt ihre Sachen und fährt zurück in das abgelegene Bergdorf, in dem sie aufgewachsen ist. Hier ist alles noch so, wie der Verstorbene es hinterlassen hat und dessen getöpferte Dämonenfiguren begleiten Rosas Leben und ihre Träume. Im Dorf ist man der Heimkehrerin gegenüber nicht freundlich. War doch auch der Alte ein griesgrämiger Kauz. Und viele wetten, dass Rosa spätestens im Winter wieder in die Stadt abhaut.
Doch Rosa setzt sich in den Kopf, den Hof wieder zu bewirtschaften und herauszufinden, welche letzte Botschaft und welches Geheimnis Marcelino noch für sie hatte. Als Rosa den Jungen Chico und kurz darauf dessen Mutter Laura kennenlernt, fühlt sie sich zumindest weniger allein.
Bis der Winter kommt
„All unsere Dämonen“ ist ein Animationsfilm, weshalb es naheliegt zunächst über die Form und die Gestaltung zu reden. Anfangs in der Großen Stadt ist die Animation klassisch computergezeichnet und verzichtet auf umrandende Linien. Stattdessen kommen die in pastosen Farben gehaltenen Dinge flächig und mit effektvollem Schattenwurf zur Geltung. Das wirkt schon sehr eigenwillig und hat einen modernen Stil.
Als Rosa dann das Tal erreicht, in dem sie aufgewachsen ist, löst sich die Farbschicht und entblößt Knetfiguren und klassische gebaute Kulissen. Diese werden in Stop-Motion Technik aufwändig gefilmt, so dass ein völlig anderer Animationslook entsteht.Das geneigte Publikum kennt das aus Tim Burtons „Coraline“ oder dem australischen Lieblingsfilm „Mary und Max“. In „All unsere Dämonen“ ist die analoge, erdverbunden Art der Animation auch gleichzeitig eine Hinwendung zu einem einfacheren, dinglichen Leben. Auch die Lichtqualität wird natürlicher.
Das steht eindeutig inhaltlich im Kontrast zum pseudofortschrittlichen urbanem Leben mit seiner digitalen und virtuellen Arbeit. Hier in der bergigen Gegen im Nordosten Portugals geht es um einfache Dinge, Ackerbau, Gemeinschaftsleben, Wetter und Witterung. Da ist es nebensächlich, ob das Smartphone empfang hat, oder nicht. Wichtiger ist, warum der Bäcker Rosa kein Brot liefert.
Großvaters Tonfiguren
Und hier fangen die Probleme an. Die Gegend leidet seit Jahrzehnten unter großer Trockenheit. Die Legende will es, dass der Fluss versiegte als Großvater Marcelino seine große Liebe verloren hat. In die war auch der Bäcker verschossen, weswegen dessen Unfreundlichkeit sich auch auf die Enkelin des einstigen Rivalen erstreckt.
Rosa beschließt nun, herauszufinden, wohin das Wasser verschwunden ist. Außerdem versucht sie damit ihrem verstorbenen Großvater nahe zu sein. Seit ihrem Fortgehen in die Stadt wurde der Kontakt zur einigen Familie, die sie noch hatte, immer weniger, bis die Briefe schließlich ausblieben. Nun bleibt nur die Erinnerung. Und die Dämonen, die Marcelino geformt hat. Bisweilen werden die fantastischen Tierfiguren mit menschlichen Eigenschaften lebendig und übernehmen die Szenen. Nachempfunden sind Marcelinos Dämonen den Ton-Skulpturen der Künstlerin Rosa Ramalho und im portugiesischen Original heißt der Film auch „Die Dämonen meines Großvaters“. Das trifft die Angelegenheit etwas stimmiger, ist letztlich aber nicht von Belang.
Regisseur Nuno Beato und die Drebuchautor:innen Possidónio Cachapa und Cristina Pinheiro erzählen ihre Geschichte vielleicht ein wenig zu antagonistisch. Das moderne und das Traditionelle, die Stadt und das Land stehen in scheinbar unvereinbarem Gegensatz und für Rosa bahnt sich eine Grundsatzentscheidung an, welcher Lebensweise sie sich verschreiben will. Das mag als dramaturgische Überspitzung funktionieren, aber als Kernaussage scheint das auch etwas rückwärtsgewandt. Aber das mag jede:r anders sehen.
Visuell ist der portugiesische Animationsfilm „All unsere Dämonen“ eine hinreißende Angelegenheit und der Look trägt den Film über die gesamte Spielzeit. Einige Handlungselemente wirken etwas schwer nachvollziehbar, was der düsteren und rätselhaften Vermächtnis der Großvaters geschuldet ist. Doch es lohnt sich, sich in die Welt von „All unsere Dämonen“ hineinzubegeben und sich an diesem verwunschenen Ort umzuschauen.
Film-Wertung: (7 / 10)
All unsere Dämonen
OT: Os Demónios do Meu Avô
Genre: Animation, Drama
Länge: 85 Minuten, P /E / F, 2022
Regie: Nuno Beato
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Little Dream Pictures
Kinostart: 17.10.2024