coma system. – Wired Machines: Album Review

Wenn eine Band Coma System heißt und das vorliegende Album „Wired Machines“, erkenne ich ein Muster und schließe quasi instinktiv auf irgendwas mit Gesellschaftskritik und irgendwas mit Hardcore. Und siehe da das Trio aus Österreichs zweitgrößter Stadt Graz haut mächtig in die gitarrenlastige Post-Irgendwas Kerbe. Zeit ein paar Maschinen zu verkabeln.

Da ist es schon wieder, dieses hilflose Grabschen nach musikalischen Kategorien, die für moderne, aggressive Rockmusik so überhaupt nicht passen, es sein denn eine Band hat sich einem klassischen Stil verschreiben. Haben Coma System aber nicht. Der Bassist hat einen Fünfsaiter am Start Aber für Mathcore sind die Jungs nicht frickelig genug. Es ist letztlich egal, wie das Trio mit Post-Irgendwas so schön auf den Punk(t) bringt, weil heutzutage alles irgendwie post irgendwas ist. Wir brauchen neue Schubladen, oder gar keine mehr.

Wie auch immer coma system. (so die korrekte Schreibweise) bestehen aus Gitarrist und Sänger Ferdinand Fuhrmann, Bassist Daniel Furan und Schlagzeuger Michael Königshofer. Seit 2018 ist coma system. eine Band, 2021 kam nach EP uns Singles das Debütalbum „Blurred“ auf Grazil Records raus hätte eigentlich schon etwas mehr Rummel verdient gehabt. Der fiel Shutdown-technisch eher spärlich und eher lokal aus, nehme ich mal an.

Seit Anfang Juni 2024 ist das zweite Album „Wired Machines“ nun am Start. Die erste Video-Single-Auskopplung „Another Universe“ wurde allerdings schon 2023 veröffentlicht. (Das zeigt mir mal wieder, das Album Reviews echt nicht mehr am Puls der Zeit sind). und dennoch sind Hardcore, Punk und oder Heavy Rock Genres, in denen Alben noch halbwegs geschätzt werden.

Außerirdische aus einem anderen Universum

Während „Blurred“ – nachzuhören auf Bandcamp oder der Bandseite – noch etwas sicher eingespielt wurde, die Band sich hauptsächlich im Midtempo und in wavigeren Hardcore-Sounds bewegte, wird auf „Wired Machines“ deutlich eine Schippe draufgelegt. Mehr Druck, mehr Aggression, mehr Mut zum Experiment und keine Angst vor leisen Tönen. Das macht schon sehrt viel Freude und rockt überwiegend gewaltig.

Über Album-Lange mache ich aber auch ein paar weniger einnehmende Phasen aus. Aber dazu gleich mehr. Mit den beiden bereits als Video-Single ausgekoppelten Songs „Another Universe“ und „Oversampled World“ haben coma system. schon mal zwei wahrlich eingängige moderne Hardcore Hymnen an Start. Das musste auch erstmal hinkriegen.

Mag sein, dass der Sound auf „Wired Machines“ etwas dynamischer ist als auf dem Vorgänger. Eingespielt wurde erneut im Stressstudio Graz und wieder produziert von Tom Zwanzger. Der Mix stammt diese mal allerdings nicht aus Wien, sondern von der North London Bomb Factory, die auf Punk spezialisiert ist. Hört mensch auch; finde ich persönlich besser, weil druckvoller.

Inhaltlich reiben sich coma system. an der „Schnittmenge von Mensch und Technologie“ also sollte die Deutung des Bandnamens als Kritik an einer Gesellschaft, die ihre Bürger:innen quasi im Zustand der Apathie und des dauerhaft gestörten Bewusstseins hält, nicht allzu abwegig sein. Logsicherweise ist da die Wahrnehmung verschwommen („blurred“) und das Wesen muss an lebenserhaltende Maschinen angeschlossen werden. Nachdem jetzt alles so weit verkabelt ist, hinein ins Album.

„Oversampled World“ beginnt das Album mit einem knackigen Gitarrenlick, das sich ins Gehirn fräst, dazu gibt’s mächtig Druck aus der Rhythmustruppe und der Gesang wird mit mehrstimmigen Shouts auf die Spitze getrieben. Es gibt auch ruhigere Passagen, aber „Oversampled World“ eskaliert mächtig. die Klampfe am Beginn von „Another Universe“ setzt einen Uptempo-Rhythmus und auch ein bisschen melodischeres Fahrwasser. Das ist schon fast klassischer Punk und die Vocals haben einen wavigen Soundeffekt drauf. Sehr schönes Pogomaterial.

Subjekt und Illusion

„Inside Out“ nimmt Tempo raus und wabert im Intro mächtig abgespaced rum. Dann wird der Song schwer und wuchtig, ruht sich kurz aus und haut wieder rein. Nach etwa 4 Minuten kommt ein ätherischer Themenwechsel und ein Neustart, der sich über die 6 Minuten-Linie hievt. Mir hätte der Hauptteil gereicht. „Thirteen“ bohrt sich unangenehm schrill ins Ohr, so Horrorfilm dissonant, und entwickelt daraus eine dringliche instrumentale Dynamik. Gesang bleibt konsequenter Weise weg, neben dieser Gitarre würde auch nix standhalten.

„Noise“ startet ähnlich schroff, aber die aggressiven Vocals machen ihrem Ärger Luft. Dann wird es erneut atmosphärischer und setzt im letzten Drittel zur erneuten Vollbedienung an. „Aliens“ kommt mit klassischer Punkt-Bassline auf Touren. Über die nervöse Hektik legen sich Sprechgesang und gläserne Akkorde zu einer allmählichen Steigerung. „Illusions“ hat ein kraftvolles Riff zu bieten, eine kontemplative Gesangslinie und eine gelungenen Laut-Leise-Dynamik.

„Fall Apart“ zieht dann das Tempo an, rockt recht steil und groovy, vertüddelt sich dann nach zwei Minuten etwas, findet aber wieder in die Spur und fährt wuchtig zum Ende. „Subject“ fährt Rauschen und Geräusch auf, kommt gesanglich distanzierter rüber und bleibt lange abwartend. Dann setzt eine fulminante Steigerung ein und der musikalische Kreis des Songs schließt sich.

Der Geist in der Maschine

„The End“ markiert dann den Abschluss den 44 minütigen Albums. Mit mehr als 6 Minuten Spielzeit einer der beiden langen Songs auf „Wired Machines“. ich bin diesem geneigter. „I can’t see the End“ kommt mit melodiöserem Gesang und getragener Rhythmik daher. „Nothings Changed“ singts und nach 2/3 des Songs kommt ein stimmiges Zwischenspiel bevor der Song das Thema wieder aufnimmt und das Album stimmig beendet.

Tatsächlich habe ich über die Szene in Österreich wenig überblick, es mag in Graz mit seinen 230 000 Einwohnern eine muntere und lebendige Rock- und/ oder Punkszene geben, oder coma system. gehören zur Speerspitze einer neuen Hardcore Crowd. Was das noch junge Trio hier abliefert ist ambitioniert, nimmt Elemente und Inspiration aus verschiedenen Richtungen des Indie-Rock und Punk auf und kommt zu einem sehr eigenständigen Sound.

Zwar ist auf „Wired Machines“ nicht alles packend, aber der Druck ist da, die kritische Haltung, und die Richtung, in die sich coma system. entwickeln wollen deutlich hörbar. Einige musikalische Motive wirken für meine Ohren bisweilen überspannt und einige der ruhigeren Parts klingen eher zweidimensional. Ich hab’s nicht so mit den wavigen Einflüssen und empfinde die Songs mit mehr Druck schon einnehmender. Doch hier klingt auch die Washingtoner Schule durch. Wer auf modernen Hardcore mit Hang zum Geräusch kann, sollte coma system. definitiv ein Ohr leihen.

Album-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

coma system.: Wired Machines
Genre: Musik, Post Hardcore,
Länge: 10 Songs, A, 2024, 44 Minuten
Interpret: coma system.
Label:Grazil Records
Format: Vinyl, Digital,
VÖ: 07.06.2024
Coma System Bandseite
Grazil Records
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Coma System bei Bandcamp