Als ich für „Furiuosa – A Mad Max Saga“ ins Kino ging, erzählte ich davon meinem Neffen, der Anfang Zwanzig ist. Er kenne den ersten, bemerkte er lapidar. Es stellte sich raus, dass er „Mad Max: Fury Road“ meinte und Mel Gibson nicht einmal kannte. Also, anfangen ohne jeden Kontext: „Furiosa“ ist ein wahnwitziges futuristisches Action-Spektakel, das in einer verödeten Welt spielt. Den Kampf ums Überleben erzählt Regisseur George Miller bereits seit 1979 und bislang mit dem Charakter des Max Rockatansky. Der wird nun abgelöst von einer kämpferischen Frau: Furiosa. Das Publikum kann „Furiosa“ auch ohne jegliches Vorwissen gucken. Warner bringt den zweieinhalbstündigen Actioner mit Anya Taylor-Joy ab dem 23. Mai 2024 in die Kinos.
Als junges Mädchen lebt die freche Furiosa (Alyla Browne) in einer fruchtbaren Oase. Hier hat ein von Frauen geführte Stamm inmitten der großen Wüste eine heimelige Siedlung geschaffen. Doch Plünderer haben die Pfirsichplantagen entdeckt und entführen Furiosa. Ihre Mutter nimmt die Verfolgung auf und es gelingt ihr beinahe das Kind zu retten.
Doch die Biker sind schneller und erhoffen sich in die Gang von Dr. Dementus (Chris Hemsworth) aufgenommen zu werden, wenn sie den Weg zu diesem Ort der Fülle zeigen können. Klappt nicht ganz. Dementus behält das Mädchen als Ziehtochter an seiner Seite. Eines Tages werden die Biker Furiosas Heimat schon finden. Das Mädchen sinnt hasserfüllt auf Rache.
Ein Ort der Fülle
Doch zuvor stoßen die Nomaden auf eine Festung in der Wüste. Hier hat ein anderer Stammesfürst seinen Nachschub an Treibstoff und Nahrung gut bewacht. Dementus will mit Immortan Joe, dem Herrscher der auf einem Berg liegenden Zitadelle verhandeln. Doch der ist nicht interessiert, an dem was die Nomaden anzubieten haben. Wohl aber will er das Mädchen für seinen Harem… und Furiosa wird eingetauscht.
Es gelingt ihr aus dem Gebärpalast zu fliehen und sich unerkannt als Arbeitskraft in der Zitadelle nützlich zu machen. Jahre später gehört Furiosa (Anya Taylor-Joy) als Mechanikerin zur Crew von Praetorian Jack (Tom Burke), der den wehrhaften Tanklaster fährt. Das Lastenfahrzeug versorgt die Zitadelle und fährt zwischen den drei Festungen der Ödlande hin und her. Und Dementus und Immortan Joe bekriegen sich noch immer.
Womöglich liest sich die Handlung von „Furiosa – A Mad Max Saga“ etwas krude, was auch daran liegt, dass Regisseur George Miller uns sein Drehbuch-Koautor Nick Lathouris sich bemühen einen Zeitraum zu erzählen, der Jahre umspannt. Darin sind wesentliche Stadien des zivilisatorischen Verfalls und der Anpassung an den Überlebenskampf in der Wüste enthalten. Das lässt sich ganz trefflich als Kritik am Klimawandel lesen, ist aber im Kern bereits im allerersten „Mad Max“ zu sehen.
Jenseits der Rache
Inhaltlich gelingt es der Geschichte von Furiosa in gewisser Weise als eine Vorgeschichte, ein Prequel, zu „Fury Road“ zu funktionieren, der immerhin bereits neun Jahre auf dem Buckel hat. Allerdings habe ich persönlich den Film so nicht gesehen, weil es im Grunde unerheblich ist und die großartige Kriegerin Furiosa kleiner macht als sie ist. Zudem waren mir einiger Story-Elemente in „Furiosa“ schon bekannt, weil seinerzeit als Ergänzung zu „Fury Road“ ein Comic-Band mit Stories aus der dystopischen Welt der „Wastelands“ (Ödlande) veröffentlicht wurde.
Darin kam bereits Furiosas Heimat vor, die im Film kurz zu sehen ist und leider aussieht wie eine animierte Mischung aus „Herr der Ringe“ und „Planet der Affen“. Auch der Charakter des Historikers, der sich die Infos tattoowiert tauchte seinerzeit als Bindeglied der einzelnen Stories auf. Wie auch immer, mit „Furiosa“ hat das nur am Rande zu tun und die Anknüpfungen an „Fury Road“ dienen eher der besseren Fan-Identifikation mit der neuen Geschichte.
Vor allem aber ist und bliebt die Welt von „Mad Max“ ein Vehikel für atemberaubende Action-Sequenzen und weitgehend handgemachte Stunts. (Das wurde jüngst auch in „Fall Guy“ liebevoll auf die Schippe genommen.) Das leicht entzündliche Benzinballett der Bikes und Buggies, die schlotternden Schlittenfahrten der Dragster und des walzende Tanklastzug sorgen nicht nur bei Fans immer wieder für offen stehende Münder. So wie der Streitwagen des Dr. Dementus.
Lektionen des Ödlands
Gleichwohl kann mensch anerkennen, dass es sich im Grunde um Karren-Porno handelt. Selbst wenn der Bike Anteil recht beachtlich ist und auch die als Handlungsorte neu hinzugekommenen Festungen für eine fatale Feuersbrunst herhalten dürfen. Niemand verneint, dass es ich um kompletten Action Overkill handelt, aber es ist hinreißend geil choreografiert und sorgt für turbulente Sequenzen, die unerreicht sind. Das kommt beinahe beziehungsweise oft genug an „Fury Road“ heran.
Da wird die Besetzung nebensächlich, möchte mensch meinen, ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil braucht es starke Darsteller um in diesem Actionchaos die Orientierung und die emotionale Identifikation herzustellen. Albino-Meister Immortan Joe und seine inzestuöse Brut waren schon in Fury Road“ garstige, unzurechnungsfähige Schurken. Chris Hemsworth als durchgeknallter Stammesführer ist eine mächtige Ergänzung. Auf der weniger durchgeknallten, sympathischeren Seite mackert sich Tom Burke als unerschrockener Trucker erstaunlich sensibel durch die Wüste. Und Anya Taylor-Joy als Furiosa gelingt es ganz hervorragend und Mad Max typisch wortkarg das Publikum mitzunehmen.
Als „Mad Max: Fury Road“ 2015 in die Kinos kam, revolutionierte der Film das Action-Genre mit atemberaubenden Stunts und einer wahnwitzigen Dystopie, die in dieser archaischen Wucht ungesehen war. „Furiosa“ keilt in dieselbe Kerbe mit ebenfalls ansehnlicher und aberwitziger Urgewalt. Freilich ist die Erwartungshaltung eine andere und die „Mad Max Saga“ epischer angelegt. Das hat seinen Charme, aber auch einige Untiefen. Anya Taylor-Joy rockt den Film allerdings ziemlich und kann dem Mad Max den Benzinkanister reichen.
Film-Wertung: (8 / 10)
Furiosa – A Mad Max Saga
OT: Furiosa – A Mad Max Saga
Genre: Action, Sci-Fi,
Länge: 148 Minuten, AUS, 2024
Regie: George Miller
Darsteller:innen: Anya Taylor-Joy, Chris Hemsworth, Tom burke, Alyla Browne
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Warner Bros
Kinostart: 23.05.2024