Ohne Regionalkrimis wäre die belletristische Verbrechenslandschaft und auch das TV-Programm deutlich lückenhafter. Der Privatsender RTL hat seit einiger Zeit den Verbrechens-Sendeplatz am Dienstag als quotenstarken Dienst-Tag ausgerufen. Dort liefen auch die bislang fünf „Dünentod“-Krimis nach Romanen von Sven Voss. Nun bringt Leonine die „Dünentod“-Krimis mit Kommissar Tjark Wolf und seiner Kollegin Femke Folkmers als DVD-Box für das klassische Home-Entertainment heraus.
Die Küste von Ostfriesland ist nicht nur auf den Inseln und Halligen eine Reise wert, auch die karge und windgeprägte Landschaft hat so ihre Reize. Das Publikum kennt das aus der Bierwerbung: Wie das Land, so das Getränk. Hier zwischen Wilhelmshafen und Emden ist das kriminalistische Spielfeld von Autor Sven Voss. Bereits in sieben Kriminal-Romanen beziehungsweise Thrillern ist sein Ermittler Tjark Wolf, der als Figur zudem auch noch erfolgreicher Autor ist, als Kommissar unterwegs. Seine nicht minder kompetente Vorgesetzte Femke Folkmers ermittelt oft genug selbst mit.
Bislang hat es die Buch-Reihe auf sieben Fälle gebracht. die ersten fünf davon, die immer „Dünen“-irgendwas im Titel haben, wurden bereits für RTL als „Dünentod“-Spielfilm-Reihe adaptiert. Es gibt Unterscheide zwischen Roman und TV-Version, aber die grobe Handlung ist ähnlich, die Charaktere großteils auch und tatsächlich ist Famke Folkmers anfangs nur eine Polizeibeamtin im beschaulichen (fiktiven) Werlesiel. Und hier geht die Serie dann auch los.
„Das Grab am Strand“ (Roman: „Dünengrab“)
In einer gruseligen Nacht mit viel Nebel vom Meer verschwindet eine junge Frau. Polizei-Wachtmeister Nibbe vermutet überzogenes Feiern und macht weiter Dienst nach Vorschrift. Seine Polizistin Famke Folkmers (Pia Micaela Barucki) geht der Sache trotzdem nach und befragt den leicht kauzigen Wattführer Fokko Broer (David Bredin). Der hat nachts Geräusche und Schreie gehört, was er öfter mal tut. Doch der blutige Handabdruck an seinem Wohnwagen sieht schon aus, wie ein krimineller Sachverhalt, den man untersuchen kann.
Famke informiert die Kriminalpolizei in Wilhelmshaven und der dortige Kripo-Chef Hauke Berndsten (Florian Panzner) rückt mit einem Team an. Sein „Starermittler“ Tjark Wolf (Hendrik Duryn), der mal einen großen Fall geknackt hat, kommt nach. Aber eine junge Reporterin taucht auf, stellt sich als Berndstens Tochter heraus und ist dann plötzlich ebenfalls verschwunden.
„Das Grab am Strand“ ist ein solider TV-Krimi, der nicht lange braucht um seine Charaktere und seine landschaftlichen Schauwerte in Stellung zu bringen. Ich mutmaße mal ungelesen, dass die Romanvorlage die Charaktere etwas ausführlicher zeichnen mag und möglicherweise etwas gröber zur Sache geht als das zur Hauptsendezeit im Fernsehen angebracht ist. Der Film setzt auch auf launigen Humor und verschrobene Typen; windschief und wattverlaufen. Letztlich tut das wenig zur Sache, die Verfilmung steht vor allem für sich selbst und hatte bei der Erstausstrahlung im Januar 2023 Erfolg beim Publikum. (Film-Wertung: 6/10)
„Tödliche Falle“ (Roman „Dünentod“)
Famke Folkmers ist zur Kripo nach Wilhelmshaven versetzt. Die Kollegin und Analystin Ceylan Özer (Yasemin Cetinkaya) hat einen Tipp bekommen, um im Hafen eine Drogenband hochgehen zu lassen, hinter der sie schon lange her ist. Doch das Ganze stellt sich als Falle heraus, bei der Ceylan schwer verletzt wird.
Das stachelt Tjark und Femke selbstverständlich besonders an und die Spur führt zu einem Drogenlabor und einer Düngemittelfirma. Als dann die Tatwaffe untersucht wurde, mit der Ceylan verletzt wurde, finden die Laborleute unkenntliche Fingerabdrücke. Doch je weiter Tjark und Femke ermitteln, desto verstörender werden die Fortschritte. Und plötzlich wird klar, dass sich mit Chemikalien auch Bomben bauen lassen. Der zweite Fall ist zugleich das Ende der ersten Staffel, sofern das Publikum in Serienmaßstäben denkt.
In „Tödliche Falle“ ist das Spannungslevel schon erheblich höher als im Serienauftakt. Tjark hat zudem noch Sitzungen bei der Polizeipsychologin abzuleisten und kommt an die Akte zum Tod seiner Mutter. Wie es aussieht, wurde die Ermordet als Tjark klein war. Der „Starermittler“ leistet sich intuitive Alleingänge, die vor allem durchgehen, weil er Erfolge aufweisen kann. Der vermeintliche Täter ist schon in Stil amerikanischer Thriller als Außenseiter gezeichnet. „Tödliche Falle“ spielt also eher ins Thrillergenre. Aber die Verfilmung, die sich wieder Freiheiten nimmt, unterhält gut, auch wenn der Showdown sich dann etwas verhebt. Erstausstrahlung Februar 2023. (Film Wertung: 6/10)
„Tod auf dem Meer“ (Roman „Dünenkiller“)
Da treibt eine herrenlose Yacht auf der Nordsee vor Werlesiel. An Bord befindet sich eine junge Frau, die verstummt ist, eine männliche Leiche und jede Menge Blut. Polizeichefin Femke Folkmers fehlen die Ermittlungsansätze und Kommissar Tjark Wolf hat andere Angelegenheiten im Kopf. Doch allmählich lichtet sich das Ermittlungsdunkel und es scheint, als wäre ein Mordanschlag auf die junge Frau verübt worden, die im Escort tätig ist. Die Spuren führen ins Investment-Banking und zu einem windigen privaten Anlageberater.
Jener Gerrit Hansen (Roman Knitzka) ist mit Famke zur Schule gegangen und war schon immer ein windiger Hund. Außerdem trifft die kitende Kommissarin auf einen anderen Schulkollegen. Finn (Eugene Boateng) ist wieder nach Werlesiel zurückgekommen. Eine sympathische Überraschung. „Tod auf dem Meer“ markiert den dritten fall der Reihe und einen Wechsel in der Regie.
Während Ismail Sahin die ersten beiden Fälle eher spannend inszeniert hat, bringt Regisseur Dominic Müller eher etwas Launigeres an den Tag. Möglicherweise hat sich auch der Ton der Romane verlagert. Die Charaktere sind stereotyper angelegt und es kommt selten einmal wirklich bedrohliche Spannung auf. Schade eigentlich. Denn die Ermittlung kann das wirre Blutbad nur schwerlich erklären. Erstausstrahlung Januar 2024. Film-Wertung (5/10).
„Falsches Spiel“ (Roman „Dünenfeuer“)
Als ein Schaf auf die Straße läuft hat das katastrophale Folgen. Ein LKW verunfallt und es gibt einige Tote. Mehr als nur den LKW-Fahrer. Denn der Transport sollte während der Fahrt ausgeraubt werden. Das abrupte Bremsmanöver hat das vereitelt und die Räuber getötet. Angesichts der kaum wertvollen Fracht fragt sich Polizeichefin Famke schon, was die Aktion wohl sollte? Eine Zusammenarbeit mit der Autobahnpolizei schient angemessen, denn die verfolgt solche Verbrechen in einer eigenen Task Force.
Der Wolf scheint sich unterdessen viel eher für Schafe zu interessieren und guckt mal nach, ob die Landwirte entlang der Straße Tiere vermissen. Tjarks untrügliches Gespür vermutet, dass er und seine Kolleginnen etwas übersehen. Dann wird’s handgreiflicher und der Kommnissar wird selbst zum Gejagten.
Mit viel Tempo rockt „Falsches Spiel“ in allerbester „Mission Impossible“-Manier einen Stunt-Diebstahl raus. Allerdings fehlt der Serie das Budget und so bleibts bei der „Hinter’m Deich“-Version. Die ist immer noch unterhaltsam, aber die Gaunereien wirken nicht so recht überzeugend. Mensch hat schon mal notleidendere Bauern Diebesgut klauen sehen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Auch überzeugendere Zirkusdirektoren und Milieu-Größen waren anderswo bereits im Bild. Dass es noch Persönlich wird, nährt immer hin den roten Faden. „Falsches Spiel“ hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. möglicherweise wäre da mehr drin gewesen, hatte aber den Tonfall der Serie verändert. Erstausstrahlung ebenfalls im Januar 2024. (Film-Wertung 4)
„Die Frau am Strand“ (Roman „Dünenfluch“)
Am Strand von Werlesiel kommt Kneipenwirt Willem Leefmann zuTode als sein Gleitschirm abstürzt. Kann nicht sein, sind sich alle einig, die den Wirt kannten. Ist aber so. Die einzige, die den Gleiter an dem Tag gesehen hat ist die junge Sabine. Doch die hat psychische Probleme seit vor Jahrzehnten ihre große Liebe, der Sohn von der Fischbrötchenfrau spurlos verschwunden ist. Nun kommt der Wolf an den Ort des Gleiterunfalls und findet in Sabines Zimmer Spuren der Vergangenheit.
Was wuselt der Kommissar denn auch unerlaubt in anderer Leute Zimmer? Nun denn, der von Ziska Riemann inszenierte dritte Fall der zweiten Staffel, geht merklich in eine andere Richtung als das Vorangegangene und löst sich – sofern die Inhaltsangabe brauchbar ist- auch Vergleichsweise weit von der Vorlage. In „Die Frau am Strand“ wird eher ein Dorfpsychogramm aufgestellt, quasi Werlesiel Gruppenprofiling. Die Stimmung weiß über weite Strecken zu gefallen, spannend ist das allerdings nicht gerade und irgendwie ist das Format gelegentlich etwas zu klein für den Ansatz. Erstausstrahlung im Febraur 2024. (Film-Wertung 5/10)
Etwas irritierend an der Serie „Dünentod“ ist, dass alle privaten Entwicklungen der Ermittler irgendwie ausgespart werden. Statt zu zeigen, wie sich Tjark mit der Psychologin einlässt oder Femke mit dem Kiter-Typen, werden dem Publikum vollendete Tatsachen präsentiert. so ganz wollen die Macher nicht auf private Aspekte verzichten, aber das Wesentliche bleiben die Verbrechen, die es zu lösen gilt. Und das machen die Darsteller sehr souverän. es mag sein, dass die Charaktere etwas mehr Profil vertragen könnten und eine intensivere Zusammenarbeit dem Team gut tun könnte, aber es ist wie es ist und der Erfolg gibt dem Format recht.
Alles in allem hat die Serie „Dünentod“ nach Romanen von Sven Voss ihre launigen Schauwerte und ihren Unterhaltungsfaktor. So wie auch die Friesland-Krimis im ZDF, die auf Humor setzen und die „Ostfriesen“-Thriller um die hellsichtige Kommissarin Ann Katrin Claasen nach Romanen von Klaus-Peter Wolf. An der Nordseeküste, am plattdeutschen Strand scheint genug Platz für Verbrechen zu sein. „Dünentod“ hat da durchaus einen eigenen Ansatz zu bieten und das Publikum darf sich auf Fortsetzungen freuen. RTL hat angekündigt auch die beiden noch ausstehenden Romane der Reihe zu verfilmen, die sollen dann 2025 im TV kommen.
Serien-Wertung: (5 / 10)
Dünentod – Ein Nordseekrimi –Box
OT: Dünentod – Ein Nordseekrimi, Staffel 1 & 2 /Fälle 1-5)
Genre: Krimi, Thriller, TV-Serie
Länge: 450 Minuten (5 x 90), 2023, 2024
Idee: Nanni erben, Mirko Schulze, Gunnar Juncken, Jan Cronauer
Vorlage: Tjark Wolf –Romanreihe von Sven Voss
Regie: Ismail Sahin, Dominic Müller, Ziska Riemann
Darsteller:innen: Hendrik Duryn, Yasemin Cetinkaya, Florian Panzner, Pia Micaela Barucki
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Leonine
DVD-VÖ: 05.04.2024
Dünentod bei RTL+
Sven Koch Homepage
Autorenseite bei Droemer Knaur