Das italienische Drama „Ich Capitano“ erzählt von zwei jungen Männern, die sich im Senegal aufmachen um nach Europa zu gehen. Das ist beschwerlich und ziemlich mitleidlos. Regisseur Matteo Garrone stellte seinen Film bei den Festspielen in Venedig vor und heimste dafür den Silbernen Löwen für die beste Regie ein. X-Verleih bringt das sehenswerte, Oscar-nominierte Migrations-Drama ab dem 4. April 2024 hierzulande in die Kinos.
In Dakkar, der Hauptstadt des Senegal, leben die Cousins Seydou und Moussa. Sie gehen noch zur Schule, arbeiten gelegentlich auf dem Bau und träumen von einer Karriere als Hip-Hop-Stars. Sie träumen von einem Leben in Europa. Seydou versucht seiner Mutter zu erklären, dass er dort mehr Geld verdient um die Familie zu unterstützen. Die resolute und realistische Frau verbietet ihrem Sohn zu gehen. Auch der Mann, der die beiden Jungs auf den Weg bringen soll, warnt eindringlich.
Doch Seydou und Moussa machen sich auf den Weg und begeben sich in die Hände von Schleusern und Kriminellen. Zunächst braucht es gefälschte Papiere um von Mali aus in den Niger zu kommen. Dann geht es durch die Wüste nach Lybien. In Tripolis wollen die beiden ein Boot nach Italien besteigen.
Durch die Wüste und über das Meer
Doch es kommt alles anders. Das ersparte ist schon fast aufgebraucht, als Seydou und Moussa die Schleuser nach Lybien bezahlt haben. Der Rest wandert in ein vermeintlich sicheres Körperversteck. Dann muss die Gruppe die tatsächliche Grenze zu Fuß überqueren.
Nach tagelangen Märschen, die nicht alle überstehen, geraten die Migranten in die Fänge der Lybischen Mafia. Die ist nur hinter Geld her. Hier werden Seydou und Moussa getrennt. Seydou wird gefoltert und die Kriminellen versuchen Lösegeld für ihn zu erpressen. Schließlich wird Seydou als Arbeitssklave weiterverkauft.
Nach wendungsreichen Wochen gelingt Seydou schließlich nach Tripolis, findet seinen Cousin wieder und die beiden haben nicht genug Geld für die Überfahrt. Der Bootsbesitzer macht Seydou ein Angebot, wenn er das Boot nach Italien steuert, muss er für sich und Moussa nur eine Überfahrt bezahlen.
Üblicherweise sollte an dieser Stelle nicht bereits der Großteil der Handlung verraten werden, aber der Trailer zu „Ich Capitano“ und auch der Titel geben bereits Preis, dass die beiden jungen Senegalesen es zumindest bis auf das Boot nach Europa schaffen. Dass es bis zur Überfahrt einiges Leid durchzustehen gilt, mag sich das Publikum vorstellen können.
In der mitleidlosen Parallelwelt der Schleuser
Dabei exerziert „Ich Capitano“ keineswegs ausschließlich die Leidensgeschichte der jungen Flüchtlinge in aller Deutlichkeit aus, sondern die von Kameramann Paolo Canera gefilmte Odyssee hat durchaus auch ästhetischen Reiz zu bieten. Das mag man dem Film möglicherweise zur Last legen können, aber letztlich ist Kino auch und vor allem Erzählen mit Bildern. Insofern hilft es möglicherweise ein breiteres Publikum zu erreichen und es wird der großen Leinwand gerecht.
Die Geschichte ist insofern allegorisch, als dass „Ich Capitano“ entstanden ist aus den Erfahrungen und Berichten von Ko-Autor Mamadou Kouassi, dessen eigene Migrationsgeschichte die Basis für diese fiktional verdichtete Erzählung bildete. Es sind aber vor allem die Momente magisch realistischer Erscheinungen, die das Leid der Migranten überhaupt anschaubar machen, selbst wenn die Kamera nicht explizit ins Detail der Gräuel und Brutalität geht.
Der Film „Ich Capitano“ erzählt eine Migrationsgeschichte von Afrika nach Europa. Keinesfalls von Vertreibung, Unterdrückung und Flucht. Bestenfalls mögen Seydou und Moussa als Wirtschaftsflüchtlinge gelten, so man denn europäische Begrifflichkeiten anlegt. Aber auch das ist eigentlich nicht der Fall. Vielmehr geht es den Jungs darum, einen Sehnsuchtsort zu erreichen, die Hoffnung auf ein besseres, ein selbst bestimmtes und schönes Leben. Daher ist es erzählerisch auch konsequent, dass der Protagonist, Seydou, im Laufe es Weges eine Entwicklung durchmacht.
Um diese Geschichte zu erzählen, spart „Ich Capitano“ konsequent die Perspektive jener Länder aus, in denen Menschen wie Seydou und Moussa dann als Migranten landen wollen. Und der Film erzählt davon welche Mühsal die Menschen bereits hinter sich haben, bevor sie Mittelmeer-Passage erreichen, wenn sie überhaupt so weit kommen. Bisweilen mag das etwas plakativ wirken, aber es vermittelt doch einen realistisch erscheinenden Einblick. „Ich Capitano“ ist sehenswertes und emotionales Kino.
Film-Wertung: (8 / 10)
Ich Capitano
OT: Io Capitano
Genre: Drama
Länge: 121 Minuten, I, 2023
Regie: Matteo Garrone
Darsteller:innen: Seydou Sarr, Mustapha Fall, Issaka Sawadogo
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: X-Verleih, Warner
Kinostart: 04.04.2024