Cäsar muss sterben: Tyrannentod im Hochsicherheitstrakt

Zum Auftakt des #Bildungsherbst, der bei Brutstatt.de die #PolitischeBildung begleitet, geht es in ein Gefängnis. Dort wird Theater gespielt. Eine Quasi-Dokumentarfilm über eine Theatergruppe aus Häftlingen hört sich zunächst einmal unspektakulär an, aber der italienische Film „Cäsar muss sterben“ gehörte zu den faszinierendsten Filmen des Jahres 2012. Das Werk der Altmeister des italienischen Films Paolo und Vittorio Taviani wurde nicht nur auf der Berlinale ausgezeichnet.

Im Hochsicherheitsgefängnis Rebbibia in Rom sitzen die ganz schweren Jungs. Und doch hat sich hier ein bemerkenswertes Projekt etabliert: Die Gefangenen können an einer Theater-AG teilnehmen, die jedes Jahr ein Stück öffentlich aufführt. In dieser Saison ist es Shakespeares Drama „Julius Cäsar“ und die italienischen Filmregisseure und Autoren Taviani begleiten die Erarbeitung des Stückes über ein halbes Jahr hinweg.

Filmisch ist „Cäsar muss sterben“ vergleichsweise schlicht gehalten. Die jeweiligen Proben, die im Gefängnis stattfinden sind in schwarz-weiß gefilmt, während die Aufführung und der Gefängnisalltag der Mitwirkenden in Farbe über die Leinwand flackert. Doch „Cäsar muss sterben“ beginnt schon mit dem Paukenschlag der Bühnenermordung des römischen Kaisers. Erst danach, wenn das Publikum gegangen ist und die Darsteller wieder in ihre Zellen verbracht werden, rollt der Film die Ereignisse, das Casting, die Proben und die Konflikte auf.

„Auch du, mein Sohn Brutus.“

Es ist gerade die vordergründige Schlichtheit, mit der die Gebrüder Taviani das Gefängnis-Theaterprojekt begleiten, die eine so nachhaltige Wirkung erzielt. Glücklicher Weise hat sich der Verleih entschieden, den Film nicht zu synchronisieren. So bleibt der unverfälschte Eindruck der Theaterarbeit, die sich nicht an das Schakespeare‘sche Versmaß hält, sondern von jeden der Mitwirkenden erwartet, dass er den Text in seinem angestammten Dialekt überträgt.

Durch die außergewöhnliche Situation und die kriminelle Vergangenheit der Darsteller erhält das klassische Drama um den Tyrannentod eine Eigendynamik. Außerdem entsteht eine zeitgemäße Doppeldeutigkeit, die eine faszinierende Wucht entfacht. Die klare Ästhetik der Bildsprache der Tavianis, die seit 1954 zusammen Filme machen und 1977 mit „Padre Padroni“ (deutsch: „Mein Vater, mein Herr“) internationale Bekanntheit erreichten, setzt die mitwirkenden Häftlinge mit grandiosen, würdevollen Portraits in Szene.

„Freunde, Römer, Landsleute…“

Der Film schafft es auch die Proben derart einzufangen, dass sie wie eine Aufführung wirken. Der Wechsel zwischen Probensituation und Aufführung erzeugt Dynamik und im Prinzip folgt auch der Film „Cäsar muss sterben“ der Dramaturgie des Stückes.

Es gibt etliche Shakespeare-Verfilmungen und die Mehrzahl bleibt dem vorgegebenen Szenario treu. Einige Versuche dem Ganzen eine neue Dimension zu verleihen sind durchaus gelungen. Beispielsweise Michale Almerydas Verlagerung der „Hamlet“-Handlung in einen New Yorker Konzern (2000) oder auch Al Pacinos Erarbeitung von „Richard III“ in „Looking for Richard“ (1996). Darin verknüpft der Star als Regisseur seine Recherche, die Proben und die Aufführung zu einem faszinierenden Amalgam, das letztlich über das Shakespeare‘sche Drama hinausgeht. Gleiches ist auch Paolo und Vittorio Taviani mit „Cäsar muss sterben“ auf höchst sehenswerte Weise gelungen.

Mit „Cäsar muss sterben“ gelingt es, ein ambitioniertes Theaterprojekt für Straftäter zu dokumentieren und gleichzeitig das klassische Drama „Julius Cäsar“ auf die Leinwand zu bringen. Aus dieser Ausgangskonstellation entwickeln sich schillernde Facetten, die das hochgelobte und preisgekrönte Werk der Gebrüder Taviani zu einem fulminanten Kinoerlebnis und einer grandiosen Shakespeare-Aufführung zugleich machen.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Cäsar muss sterben
OT: caesare deve moire
Genre: Drama, Doku
Länge: 76 Minuten, I, 2012
Regie: Paolo Taviani, Vitorio Taviani
Darsteller/ Mitwirkende: Cosimo Rega, Salvatore Striano, Giovanni Arcuri
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: ?
Kinostart: 27.12.2012
DVD-VÖ: ?