Feminismus WTF: Von Privilegien und falsche Fragen

Beim Wort Feminismus „denken Männer, das hat nichts mit ihnen zu tun“. Meint zumindest Männerforscher Christoiph May in der sehenswerten Doku „Feminismus WTF“ von Filmmacherin Katherina Mueckstein, den Mindjazz Pictures am 7. September 2023 in die Kinos bringt. Schon doof, in einer Filmbesprechung die Frauenbewegung mit männlichem Aspekt einzuleiten, aber weil mein Sein meine Wahrnehmung steuert, komme ich auch der Sache ohnehin nur schwer heraus.

Die österreichische Filmmacherin Katharina Mueckstein („Blind ermittelt“, „Talea“) verzweifelte bisweilen an der Diskussion um und im Feminismus. Aus dem immer wieder auftauchenden Unverständnis über Debatten und Zustände ergab sich die Frager: „Was soll der Scheiß?“ oder auch „What the Fuck? Abgekürzt WTF. Die studierte Philosophin, die sich auch mit Gender-Studien beschäftigt hat, leitet daraus ein Filmkonzept ab, das viele neugierige Menschen abholt und für das Thema Feminismus begeistern könnte. „Ich wünsche mir, dass es ein Film ist, den viele Menschen sehen, denen manchmal die Argumente fehlen.“

Dazu kombiniert „Feminismus WTF“ Expert:innen-Interviews mit Tanz-Sequenzen und künstlerischen Performances, in denen es um Rollenverständnisse geht. Zudem führt der Film auch einige Experimente vor, die darauf hinweisen, dass vieles, was viele Menschen als geschlechts-bedingtes Verhalten annehmen, auch erlernt sein kann. Gleichzeitig sind gesellschaftliche Teilhabe und Privilegien keineswegs so eindeutig verteilt, wie es im Klischee behauptet wird.

„Jedes Wissen ist verkörpertes Wissen.“

Das alles, zusammen mit Kapitalismus-Kritik, der Frage nach dem biologischen Geschlecht, gesellschaftlichen Machtverhältnissen und Strukturen ergibt ein ebenso lebendiges wie packendes Bild über die Feminismus-Diskussion.

Sicherlich haben ältere Zuschauer:innen, die sich mit dem Thema bereits beschäftigt haben, des öfteren das Gefühl, den einen oder anderen Standpunkt bereits zu kennen. Aber das mag, auch angesichts des globalen Erstarkens von Fundamentalismus und Konservativismus nicht für alle und schon gar nicht für jüngere Generationen gelten. Da ist es gut, die scheinbar schlichten, aber immer noch konfliktbehafteten Fragen auch mal auf den Punkt zu bringen. Anschließend lässt sich von dort aus trefflich weiterdenken.

Nicht jeder mag die Anarchistin und Feministin Emma Goldman (1869 bis 1940) kennen, die sich immer wieder mit den Herren der Bewegung anlegte und mal so flott und flapsig formulierte: „If i can’t dance, it’s not my revolution!“ (Wenn ich nicht tanzen darf, ist es nicht meine Revolution!). Ebenso erfrischend ist es, die Politikwissenschaftlerin Nikita Dhawan sagen zu hören, dass „der Feminismus die gesellschaftliche Ordnung in eine Krise stürzt.“ Und dass dies beabsichtigt ist! Wie sonst sollte sich etwas ändern?

Interessant und auch überraschend mag für viele Zuschauer:innen sein, dass der Film sich auch in mehrfacher Hinsicht mit Geschlechtsidentitäten auseinandersetzt. Die Biologin Sigrid Schmitz etwa sagt über den biologische „kleinen Unterschied“ zwischen Mann und Frau: „Das ist die falsche Frage. Immer noch.“ und meint damit, dass genetisch längst nachgewiesen ist, dass sich geschlechtsdefinierende Merkmale nicht allein auf X- und Y-Chromomen verorten lassen. Daraus ergibt sich auch für den Sprachwissenschaftler Persson Perry Baumgartinger, dass „Vielfalt die Normalität“ und das Konzept der Geschlechtszuweisung unrealistisch ist.

Repräsentation ohne Körper ist nicht möglich.

Wichtig auch, sich bewusst zu werden, dass es eine „erwartende Wahrnehmung“ gibt, die kulturell geprägt ist, weil ein Mensch in einer bestimmten Umwelt aufgewachsen ist. Das muss nicht immer mit der Wahrnehmung des Gegenüber übereinstimmen. Hier liegen viele Möglichkeiten für Missverständnisse und Konflikte; auch innerhalb der Feministischen Sozialbewegung.

Da gibt es dann schon Futter für Gedanken, ebenso bei der Kapitalismuskritik im Feminismus und der globalen Frage nach dem Kolonialismus und dessen Folgen. All das reißt „Feminismus WTF“ flott inszeniert und mit Gestaltungswillen an und entwickelt damit einen Charme, der zum Mitdenken und Mitmachen auffordert.

„Feminismus WTF“ bildet auf unterhaltsame und niederschwellige Weise viele Aspekte ab, die Feminismus und Frauenbewegung heute ausmachen und die gesellschaftlich diskutiert werden, oder eben nicht. Dabei werden Konfliktlinien bewusst außen vor gelassen, um der Kraft der sozialen Bewegung nicht schon gleich wieder Wind aus den Segeln zu nehmen. Gut so! Mitreden kann erst, wer weiß, worum es geht. Und: Die Zukunft ist nicht weiblich, sie ist feministisch.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Feminismus WTF
OT: Feminsinmus WTF
Genre: Doku, Gesellschaft,
Länge: 96 Minuten, A, 2023
Regie: Katharina Mueckstein
Mitwirkende: Maisha Auma, Persson Perry Baumgartinger, Astrid Biele Mefebue, Nikita Dhawan, Christoph May, Franziska Schutzbach, Sigrid Schmitz, Rona Torenz, Paula Villa Braslavsky, Laura Wiesböck, Emilene Wopana Mudimu
FSK: ab 0 Jahree, ohne Altersbeschränkung (angefragt, noch nicht geprüft)
Vertrieb: Mindjazz Pictures
Kinostart: 07.09.2023

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