Anmerkungen am Donnerstag # 62: Die Statistik, der Sommer und das große Flimmern

Zum Abschluss der Glossen aus dem Archiv ein Text über Medienverhalten der Deutschen von 2013: Draußen sind Rekordtemperaturen und der Mensch sucht ein kühles Plätzchen. Muss nicht immer der Kinosaal sein wie bei mir, das Leben verlagert sich in diesen Tagen des Jahres ja auch in unseren Breiten nach draußen. Umso erstaunlicher was die Statistik zum TV-Konsum da auswirft: Wir glotzen TV.

„Mit einer Sehdauer von 242 Minuten täglich ist nach einer Sonderauswertung von Media Control der TV-Konsum der Zuschauer ab 14 Jahren im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf gleichem Niveau geblieben.“(Filmecho, Nr. 27/2013)

Wenn mich meine Mathekenntnisse nicht verlassen haben, sind das vier Stunden täglich. Wow denke ich, kann man da ruhigen Gewissens noch Kinofilme empfehlen? Die würden ja noch dazukommen. Dann beginnt der Zweifel zu wachsen: ich schaue zwar auch unentwegt von Berufs wegen, aber kein Fernsehen. Ich komme vielleicht auf einen Durchschittswert von zwei Stunden und ich schaue schon viel.

Wer hat also so viel Zeit, jeden Tag vier Stunden vor der Glotze zu hängen? Gehen wir mal von angenommenen Durchschnittswerten aus und strukturieren den Arbeits-/Schultag: sieben Stunden Schlaf, acht Stunden Arbeit (mit Pausen neun), Hin- und Rückweg mögen wohl auch ‚ne Stunde dauern, persönliche Hygiene, Essen fassen und einkaufen – vielleicht 2 Stunden? Da komme ich auf 19 Stunden und von den restlichen fünf hängt der Deutsche vier vor der Glotze? Auf keinen Fall. Die Statistik lügt nicht direkt, aber sie ist unscharf und damit aussagelos.

Statistik lügt nie

Wenn Leute wie ich einen fernsehfreien Tag einlegen, muss jemand anders das Doppelte sehen – und so wird sich das wohl auch verhalten. Die Menschen machen, wie in den amerikanischen Filmen gelernt, morgens statt des Radios die Glotze an und lassen das Ding einfach als Hintergrund laufen. Ist das noch Konsum? Ist das noch Fernsehen? Außerdem sind wir ja multimedial und die Jüngeren unter uns haben ja kein Problem gleichzeitig TV, Internet und Handy zu bedienen. Kann man das statistisch auseinanderhalten?

Letztlich ist die Aussage wichtig, dass der Konsum stabil bleibt! Wir Deutsche sind verlässlich, konstant und beständig, gut für die Programmmacher, schon für die Senderbeschäftigten und fein für die Werbeindustrie. Nina Hagen hat’s schon 1978 auf den Punkt gebracht, als der TV-Konsum noch deutlich niedriger lag: „Alles so schön bunt hier!“ („TV-Glotzer“). Nur mit Realität hat das Nichts zu tun.

Viel Spaß im Kino.

(Ursprünglich veröffentlicht bei cinetrend.de, 25.07.2013)