Die Nacht der lebenden Toten: Hochglanz-Zombies

Im Jahr 1968 revolutionierte ein kleines unabhängiges Kollektiv von Filmbegeisterten das Horrorgenre. Zwar wird der Zombie-Film „Die Nacht der lebenden Toten“ (OT: „Night of the Living Dead“) gerne dem Regisseur George A. Romero zugeschrieben, aber hier war ein eingespieltes Team am Werk, das dafür sorgte, einen außerordentlichen Film zu erschaffen. Nun kommt die digital restaurierte und in 4K abgetastete Fassung bei Studiocanals Arthaus-Label in unterschiedlichen Formaten für das Home-Entertainment auf den Markt.

Am Todestag ihres Vaters fahren die Geschwister Barbra (Judith O’Dea) und Johnny (Russel Streiner) stundenlang von Pittsburgh aufs Land, um am Grab des Vaters einen Kranz niederzulegen. Während Johnny seine Schwester mit ihrer Angst vor dem verlassenen Friedhof aufzieht, greift ein herantorkelnder Fremder sie tatsächlich an.

Johnny wird bewusstlos als er Barbra zur Hilfe eilt und die junge Frau flieht in ein verlassenes Farmhaus in der Nähe. Etwas später trifft dort auch der Afroamerikaner Ben (Duane Jones) ein, ebenfalls auf der Flucht vor den seltsamen Kreaturen.

Während Ben das Haus verbarrikadiert und Barbra noch immer wie erstarrt ist, nähern sich einige der Kreaturen. Aus dem Keller des Hauses tauchen weitere Überlebende auf, die sich dort verschanzt haben. Neben dem jungen Paar Tom und Judy harrt auch die Familie Cooper im Keller aus. Die Tochter ist verletzt und bewusstlos, Ehefrau Helen (Marylin Eastman) besorgt und ängstlich und Ehemann Harry Cooper (Karl Hardman) legt sich mit Ben an. Die beiden sind sich nicht einig, ob es besser ist, sich im Keller zu verstecken, oder im Erdgeschoss der Bedrohung zu begegnen. Vor dem Haus haben sich inzwischen zahlreiche Untote versammelt.

1968 wurden Nachrichten in Schwarz-Weiß gedreht

„Die Nacht der lebenden Toten“ weiß auch heute noch zu verstören. Zumindest das Unbedarfte Publikum. Meine Frau kam unerwartet bei der Sichtung des Bonusmaterial hinzu und erwähnte an nächsten Tag, dass die irren Schwarz-Weißen Filmausschnitte schon irgendwie schwer aus dem Gedächtnis zu bekommen seien. Der geneigte Horror-Fan ist indes seit der Produktion von „Die Nacht der lebenden Toten“ Unmengen an Blut, Gedärm und Schockeffekten gewohnt. Daher mag es schwerlich nachzuvollziehen sein, dass diese Bilder schockieren.

Als der Film in den USA in die Kinos kam, lief er – wie damals üblich- in der Nachmittagsmatinee. In Deutschland war das Horror-Ereignis erst einige Jahre später in den Kinos zu sehen. Kritiker waren sich schnell einig, dass es sich um billig hergestellten Schund handelt. Erst viele Jahre später, vermutlich in den 1980ern, wurde die technische und künstlerische Finesse erkannt, die sich in „Die Nacht der Lebenden Toten“ versteckt.

Ebenso erschlossen sich die vielen gesellschaftskritischen Deutungsmöglichkeiten erst mit der steigenden Achtung für den Film, der das Horror-Genre revolutionierte und ein ganze Sub-Genre begründete. Viele der typischen Zombie-Eigenschaften werden in „Die Nacht der lebenden Toten“ begründet. Darüber wie sich Zombies bewegen und ernähren gibt es eine ganze Streitkultur. Tatsächlich werden die Untoten in George A.Romero Regiearbeit aber nicht Zombies genannt, sondern Ghuls.

Untote, die sich von Menschenfleisch ernähren

Der Film ist mit seinen Infos über die Kreaturen wage, was auch zur Spannung beiträgt. Das Publikum ist nie schlauer als die bedrängten und eingesperrten Hauptfiguren. Hin und wieder gibt es Informationshäppchen. Der lokale Radiosender berichtet von Massenmorden im ganzen Land. Was dieses Phänomen ausgelöst habe, sei unklar. Forscher vermuten sogar einen außerirdischen Auslöser.

Die Zombies

Dann später gibt das Fernsehen Aufschluss darüber, wie die Bedrohung beantwortet werden kann. Die Miliz eine Provinzsheriffs aus der Nähe des Ortes, an dem die Handlung spielt, geht systematisch vor und säubert das patrouillierte Gelände von den Untoten. Für Ben und die Eingeschlossenen gilt es vor allem die Nacht zu überstehen.

Kunst statt Kitsch

Über die Jahrzehnte ist viel über „Die Nacht der lebenden Toten“ geredet und geschrieben worden, vieles davon findet sich in dem Umfangreichen Bonusmaterial, das einigen der Editionen der digital restaurierten Fassung beigefügt ist. In diesem Text wird vor allem auf die 2-DVD-Edition eingegangen.

Seit Ende der 1990er Jahre ist „Night oft he Living Dead“ Bestandteil der Sammlung des Museums für Modern Art in New York (MoMa). Weil die Filmverleiher (nicht die Produktionsfirma) seinerzeit das Copyright nicht geregelt kriegten, ist der Film in die „public domain“ (Gemeinfreiheit) in den USA übergegangen. Das bedeutet, das unzählige Versionen und Varianten kursieren. In Deutschland standen einige dieser Varianten auf dem Index, weshalb der Streaming-Dienst Netflix den Film aus dem Programm 2020 aus dem Angebot nahm.

Digitale Restaurierung

2018 veröffentlichte die renommierte Criterion Collection eine digital restaurierte und in 4K abgetastete Neufassung des Films. Diese ist hierzulande am Halloween 2022 in die Kinos gekommen und nun Grundlage der Arthaus-Edition. Die Arbeiten daran wurden noch unter der Aufsicht von George A. Romero gemacht, der 2017 verstarb. Bei dieser Bearbeitung wurde 2016 auch eine alternative Schnittfassung aufgrund der originalen analogen Arbeitskopie hergestellt. Diese Fassung ist unter dem Titel „Night of Anubis“ bekannt und – eingeleitet von Ko-Produzent und Johnny-Darsteller Russel Streiner auf der Blu-ray enthalten (sowie auf den anderen ausgedehnten Editionen). Einen Überlick über die unterschiedlichen Editionen gibt es am Textende.

Das Bonusmaterial der doppel-Blu-ray umfasst neben der „Night of Anubis“ noch viele sehenswerte Featurettes und Dokumentationen. Die kürzeren Featurettes „Dead Relics“ Dailies Reel mit Einführung von Sound Designer Gary Streiner, „Walking Like The Dead“ und „Venus Probe“ sind eher was für passionierte Fans. Die inhaltlich auf jeweils einen Aspekt ausgerichteten Beiträge „Tones of Terror“ über die Filmmusik, das :, Video-Essay „Limitations Into Virtues“ von Tony Zhou und Taylor Ramos und das Interview „Learning from Scratch“ mit Co-Autor John A. Russo sind für alle Film-interessierten hochinteressant und sehr kurzweilig anzusehen.

Das Bonus-Material der HD-Edition

Die neu gedrehte 37 minütige Doku „Raising the Dead: Re-Examining „Night oft he Living Dead“ von Regisseur Ryan Mains macht noch einmal deutlich, welchen Stellenwert der Film bei Kritikern und Fans hat. Auch das ist hochinteressant, allerdings bevorzuge ich die ältere Doku „Light in the Darkness: The Impact of Night of the Living Dead“ (2018), die inhaltlich sehr ähnlich ausgerichtet ist. allerdings kommen hier drei Filmmacher zu Wort, die ebenfalls im Grusel-Genre unterwegs sind: Frank Darabond, Roberto Rodriguez und Guillermo del Toro. Es macht mir definitiv mehr Spaß die begeisterten Kollegen bei der Analyse zu begleiten.

Was soll man sagen, über einen Meilenstein der Filmgeschichte, unabhängig von Horror-Genre? „Night of the Living Dead“ ist ein Glücksfall, in dem die Beschränkung der Produktionsmittel die Kreativität der Macher beflügelt hat und sich aus der eingeschworenen Filmgemeinschaft ein fantastisches Erlebnis gebildet hat, das deutlich größer und vielschichtiger ist als die Summe aller Teile. Einflussreich und visionär. Ganz großes Kino. Auch Jahrzehnte später.

Film-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Editions-Wertung: 10 out of 10 stars (10 / 10)

Die Nacht der lebenden Toten
OT: Night oft he Living Dead
Genre: Horror, Thriller,
Länge: 97 Minuten, USA, 1968
Regie: George A . Romero
Darsteller:innen: Duane Jones, Judith O’Dea, Marylin Eastman, Karl Hardman
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Studiocanal, Arthaus
Kinostart: 18.03.1971
Kinostart 4K Version: 31.10.2022
DVD-, BD-, digital- & SE-VÖ 4K-Version: 24.11.2022

Filmseite bei Studiocanal
George A Romero bei Wikipedia (deutsch)
George A Romero bei Wikipedia (englisch)

Infos zum Bonusmaterial:

Die Nacht der lebenden Toten – Einzel-DVD:
Extras: Video-Essay „Limitations Into Virtues“ von Tony Zhou und Taylor Ramos; neuer deutscher Trailer

Die Nacht der lebenden Toten Special Edition Blu-ray:
Poster des Artworks von Francesco Francavilla, Dokumentation „Raising the Dead: Re-Examining ‚Night of the Living Dead‘“ (2020, Regie: Ryan Mains, ca. 37 Min.); Alternative Schnittfassung „Night of Anubis“ mit Einführung von Produzent Russell Streiner; „Dead Relics“: Dailies Reel mit Einführung von Sound Designer Gary Streiner; Feauturettes: „Light in the Darkness: The Impact of Night of the Living Dead“, „Walking Like The Dead“, „Tones of Terror“, „Venus Probe“; Video-Essay „Limitations Into Virtues“ von Tony Zhou und Taylor Ramos; Interview „Learning from Scratch“ mit Co-Autor John A. Russo; Neuer deutscher Trailer

Die Nacht der lebenden Toten Limited Steelbook Edition / 4K Ultra HD
Dokumentation „Raising the Dead: Re-Examining ‚Night of the Living Dead‘“ (2020, Regie: Ryan Mains, ca. 37 Min.); Alternative Schnittfassung „Night of Anubis“ mit Einführung von Produzent Russell Streiner; „Dead Relics“ Dailies Reel mit Einführung von Sound Designer Gary Streiner; Feauturettes: „Light in the Darkness: The Impact of Night of the Living Dead“, „Walking Like The Dead“, „Tones of Terror“, „Venus Probe“; Video-Essay „Limitations Into Virtues“ von Tony Zhou und Taylor Ramos; Interview „Learning from Scratch“ mit Co-Autor John A. Russo; Neuer deutscher Trailer

Die Nacht der lebenden Toten – Collector’s Edition / 4K Ultra HD (exklusiv im Arthaus Shop)

Sonderkonfektionierung (3Discs + Special Features, Steel Box), Special Features: Band 1 der Comic-Adaption des Kult-Horrorfilms „Die Nacht der lebenden Toten – Vatersünden“ (Text: Jean-Luc Istin, Zeichnerin: Elia Bonetti, mit freundlicher Genehmigung des Splitter Verlag) im Booklet Format; 32-seitiges Booklet zum Film; 3 Poster; 5 Artcards

Bonusmaterial: Dokumentation „Raising the Dead: Re-Examining ‚Night of the Living Dead‘“ (2020, Regie: Ryan Mains, ca. 37 Min.); Alternative Schnittfassung „Night of Anubis“ mit Einführung von Produzent Russell Streiner; „Dead Relics“ Dailies Reel mit Einführung von Sound Designer Gary Streiner; Feauturettes: „Light in the Darkness: The Impact of Night of the Living Dead“, „Walking Like The Dead“, „Tones of Terror“, „Venus Probe“; Video-Essay „Limitations Into Virtues“ von Tony Zhou und Taylor Ramos; Interview „Learning from Scratch“ mit Co-Autor John A. Russo; Neuer deutscher Trailer