Ansichten am Donnerstag # 45: Bin ich reif für was Neues?

Derzeit (2009) leuchten einem in den Städten nicht nur Weihnachtsdekos entgegen, sondern auch kryptische Werbeplakate. Einer meiner Freunde reagierte mit irritiertem Unverständnis auf die Werbefrage, ob er reif für eine neue Zeitung sein. Was mich dazu brachte mir dieselbe Frage zu stellen: Bin ich schon oder endlich reif für wasauchimmer? Nein, ich glaube nicht.

Die überstrapazierte Generation Facebook soll mit der Kampagne aus der virtuellen Realität an das vermeintlich „neue“ Medium Print herangeführt werden. Dabei werden grundsätzliche Situationen des alltäglichen Lebens hinterfragt. Ob man sich davon angesprochen fühlt, ist eine Sache. Dem aufmerksamen Passanten oder Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel nötigen die Plakate jedenfalls Aufmerksamkeit ab.

Auch als Kinobesucher werde ich derzeit vor die Frage gestellt, ob ich bereit bin für eine vermeintlich neue Leinwand-Dimension. Wenn in der kommenden Woche James Camerons neuer Film „Avatar“ in die Kinos kommt, wird er sicherlich zu Zuschauerstürmen führen und in der Medienwelt ein epochales Echo hervorrufen. Das zeichnet sich schon im Vorfeld ab. Den Film überhaupt zu drehen, hat solange gedauert, weil die Technik, die Cameron benötigte, bislang nicht zur Verfügung stand. So liegt der letzte Kinofilm des Regisseurs, „Titanic“, denn auch zwölf Jahre zurück.

Werbekampagnen und persönliche Optimierung

Sicher, es wird tolle und bombastische Bilder geben, aber damit ist noch keine Erkenntnis gewonnen. Film besteht, wie jedes Medium, nicht nur aus der zur Verfügung stehenden Technik. Ein gelungener Umgang mit dem Medium braucht auch eine Geschichte, die funktioniert. Gut, die Menge der Stories ist begrenzt, im Gegensatz zu den Arten, eine Geschichte zu erzählen und zu bebildern. Aber im Falle von „Avatar“ ist gleichfalls absehbar, dass genau die Story nur als Lückenfüller herhält.

So stellt sich denn die Frage nach der Reife nicht dem Zuschauer, sondern dem Filmschaffenden, ist James Cameron reif für die Technik, auf die er so lange gewartet hat? Sind die Macher der Zeitung „Welt Kompakt“ reif für eine neue Leserklientel, um die sie so Hände ringend werben? Schließlich erfinden beide ihr Medium nicht neu, sondern Erweitern oder Verändern nur ihre technischen Mittel. Was die gesamte Werbekampagne zu komplettem Blödsinn macht.

Ich für meinen Teil bin da eher old school: wenn ich News will, schaue ich eine Nachrichtensendung, wenn ich lesen will, nehme ich ein Buch und wenn ich Musik hören will, schalte ich die Hi-Fi-Anlage ein. Und wenn ich ins Kino gehe, möchte ich auch und vor allem eine interessant erzählte Geschichte. Da braucht‘s im Grunde auch kein CGI, weshalb ich auch lieber „Wo die wilden Kerle wohnen“ schaue als „Avatar“.

Die Frage nach meiner persönlichen Reife stelle ich mir eigentlich nicht mehr. Vielleicht ist auch das ein Zeichen auf dem Weg zu sein.

Viel Spaß im Kino.

(ursprünglich veröffentlicht bei cinetrend.de, am 10.12.2009)