Ansichten am Donnerstag #35: Heldentod und Auferstehung

Da habe ich neulich einen aktuellen Blockbuster gesehen und hatte hinterher das unbestimmte Gefühl visuell und auch sonst so zugemüllt zu sein. Fast nebenbei ist mir dabei ein Phänomen aufgefallen, das mich zunehmend irritiert: Die absurde Steigerung dramatischer Action mit unlauteren Mitteln. Wer noch „Transformers“ schauen will, sollte vielleicht aufhören zu lesen (MEGASPOILER).

Machen wir uns nichts vor, der moderne Actionfilm funktioniert, wie auch frühere Abenteuerfilme, nach dem Märchenmuster. Das hat der amerikanische Mythologie-Experte Joseph Campbell lesenswert in seinem Buch „Der Heros in 1000 Gestalten“ dargelegt. Die Heldengeschichte verläuft immer mach demselben Prinzip und in den selben Phasen.

Darin gleichen sich „Star Wars“, „The Fountain“, „Hänsel und Gretel“ und „Aschenputtel“. Irgendwann hat der Zuschauer oder Leser das Prinzip verstanden und weiß auch, dass es ein Happy End geben wird. Das gehört unabdingbar zur Story dazu.

Der neumodische Blockbuster hat nun das generelle Problem, ständig alles Vorangegangene übertrumpfen zu müssen. Das gelingt der Filmfabrik erstaunlicherweise immer wieder. Gigantomanie, Absurditäten und Wahnwitz inklusive. Doch irgendwie reicht das nicht. Die Dramaturgie muss verändert werden.

Aber wie soll das gehen? Happy End muss schließlich sein. Seit Jahrzehnten, ach was, seit Geschichten erzählt werden, gibt es daher den Heldentod eines tapferen Mitstreiters, den wir aber verschmerzen, weil er das notwendige Bauernopfer darstellt, damit der Held (und die holde Jungfrau) durchkommt. Gefährten werden bei der Ringsuche dezimiert, auf Asteroiden opfern sich tapfere Väter vor laufender Satellitenkamera und so fort.

Seit einiger Zeit wird nun der Heldentod angetäuscht, um dann die Hauptfigur wieder auferstehen zu lassen. Auch gerne genommen sind Nahtod-Erfahrungen, bei denen der Held von seinen Vorfahren oder guten Geistern wieder zurückgeschickt wird. Das kann man mal machen, und in fantastischen Filmen ist das ein probates Stilmittel.

Ach, doch noch nicht…

Als stumpfes Stilmittel zum Zweck der Spannungssteigerung in einen Actionfilm empfinde ich solcherlei Kniff als extrem deplatziert. Und wer, wenn nicht Michael Bay himself, treibt es wieder auf die Spitze. Zunächst wird der Chef-Autobot getötet, der eigentlich die Welt retten muss, dann stirbt der menschliche Held, nur um von dem guten Roboter-Geistern zur heldenhaften Beendigung seiner Mission wieder zurück ins Leben geschickt zu werden. Und die Mission besteht, ganz genau, in der Wiedererweckung des Autobots. Der rettet dann die Welt.

Die ganze „Der Held ist tot, na dann weck ihn doch wieder auf“-Kiste hat, neben den christlichen Implikationen, noch einen anderen Aspekt. Dadurch, dass in Blockbusterproduktionen inflationär der Tod überwunden wird, sinkt beim potentiellen, gerade heranwachsenden, Zuschauer auch der Respekt vor dem Leben. Nichts anders wird da ja vermittelt. Biste tot, ey? Macht nix, Digger. Kommt die Kraft, Alder, macht dich wieder heile!

Zwar tut jeder so, als hätte er geschnallt, dass „Matrix“-Schnelligkeit, „Tiger and Dragon“-Kampfkunst und „Transporter“-Autofahrt total unrealistisch ist, aber auf den jungen beeinflussbaren Geist wirkt sich solcherlei Leinwand-Gebaren irgendwann aus. Das haut in die gleiche Kerbe von Realitätsverlust und Grenzen austesten wie die sogenannten Ballerspiele. Man muss jetzt nicht gleich an Verbote und Studien denken, aber man muss nicht alles glotzen, was einem so präsentiert wird.

Viel Spaß im Kino.

(ursprünglich veröffentlicht bei cinetrend.de, 25.06.2009)