Ansichten am Donnerstag # 26: An der Realität vorbei.

Es ist immer wieder ernüchternd, wenn die Realität einen einholt und man feststellt, dass man im luftleeren Raum hängt. So auch mit den aktuellen Kinostarts. Jede Woche starten etliche Filme, die wir gerne und pflichtbewusst vorstellen. Aber wo laufen die denn alle?

Am Beispiel Hamburg und über die vergangenen Wochen beobachtet lässt sich sagen, dass zwar sehr viele der angekündigten Neustarts auch in irgendeinem Kino der Stadt laufen, aber faktisch hätte ich für Guy Richies „Rock’n’Rolla“ oder „The Fall“ eine An- und Abfahrt in Kauf nehmen müssen, die länger wäre, als die Filme selbst. Auch in dieser Woche sieht es mit „Die Herzogin“ und „Spritztour“ ganz ähnlich aus. „Die Herzogin“ läuft folgerichtig auch nicht in dem Kinokomplex, der schon seit zwei Wochen eine großformatige Ankündigung über dem Eingang platziert.

Dabei ist die Kinolandschaft in Hamburg absolut in Ordnung: Es gibt viele Kino-Komplexe und einige Programmkinos, die ihrem Namen auch gerecht werden, ebenso sieht‘s mit dem Angebot an Originalfassungen aus, absolut vorbildlich.

Doch sobald wir einen Blick in kleinere Städte tun, stellt sich die Lage ganz anders dar. Üblicherweise, verfügt eine Stadt wie beispielsweise Flensburg immerhin über mehr als einen Kinokomplex. Doch die Neustartquote ist deutlich geringer: Vier von Neun entspricht dem Normalfall, dafür kann man weder „Inside Hollywood“ anschauen, noch „Notorious B.I.G.“, von weniger populären Titeln mal ganz zu schweigen.

Wer zeigt all die wöchentlichen Neustarts?

Selbst in Kiel, immerhin mehr als doppelt so einwohnerstark wie Flensburg, ist die Quote kaum besser: Fünf von Neun. Ähnliches gilt für andere Städte. Und die „Watchmen“ sind dort schon längst wieder aus dem Programm.

Woche für Woche vermelden wir pflichtschuldig und begeistert eine Kinosensation und den nächsten Geheimtipp, machen das Publikum auf sehenswerte Filme aufmerksam, die dann sowieso nicht laufen, weil in den Kinos der Republik kein Sendeplatz zur Verfügung steht. Wir bearbeiten eine Ebene der Information die rein fiktiv ist, weil im Durchschnitt nur die Hälfte der wöchentlichen Neustarts tatsächlich zu sehen ist. Die andere Hälfte bleibt ein Insiderthema.

Die Kleinstadt mit ihrem Kino, das vielleicht 5 Säle zur Verfügung hat, zeigt in der Woche vielleicht acht verschiedene Filme, davon wohl 5, die schon seit mehr als einer Woche im Programm sind, einer läuft in der Spätvorstellung als Special-Interest und so bleibt noch Raum für zwei neue Filme pro Woche.

Machen wir uns nichts vor, abgesehen von einer großstädtischen, cineastischen Zielgruppe, die wahrscheinlich deutlich kleiner ist, als wir hoffen, arbeiten wir an der Realität aus Blockbustern und Quotenkultur vorbei.

Aber Spaß macht Kino trotzdem.

(ursprünglich veröffentlicht auf cinetrend.de am 26.03.2009)