Ansichten am Donnerstag # 11: “Eine Zensur findet nicht statt.”

Neulich saß ich vor der Glotze, um mir aus aktuellem Anlass und zur Steigerung der Vorfreude nochmal das erste Indy-Abenteuer “Jäger des verlorenen Schatzes” anzuschauen. Ein Schlüsselelement der Handlung besteht darin, dass die bösen Nazis irgendwann in den Besitz der Scheibe des Re gelangen, beziehungsweise an die darauf enthaltenen Informationen.

Das passiert folgendermaßen: Major Toht greift während eines Brandes nach der Metallscheibe, verbrennt sich aber gehörig die Flosse und lässt das Ding einfach liegen. Mit dem Abdruck auf der Handfläche können die Nazis zumindest eine Seite der Scheibe rekonstruieren und haben so die Information, wo sie nach der Bundeslade graben müssen. Konsequenter Weise graben sie an der falschen Stelle, da die andere Seite der Scheibe des Re eine weitere Maßangabe enthält. Soweit klar und logisch.

Im TV lief das ähnlich, hatte aber eine erhebliche logische Lücke. Zuerst verbrennt sich einer die Hand, hat aber kein Amulett, dann graben die Nazis in Ägypten munter und zielgerichtet drauf los. Woher wissen die überhaupt, wo? Und warum ist es dann trotzdem falsch, während Indy in aller Seelenruhe den richtigen Standort ausbuddeln kann? Da hat doch wer geschnippelt. Muss das denn sein, und warum weißt niemand darauf hin?

Familienfreundliche TV-Versionen von Kinoerfolgen

Der Autor zweifelt derweil an seiner Erinnerung und muss dringend die eigene Wahrnehmung prüfen lassen. Hab ich mir das alles nur eingebildet? Auch bei anderen Blockbustern, beispielsweise “Gladiator”, fehlten mir während der TV-Version deutlich erinnerte Szenen, die zwar nicht handlungsrelevant aber doch atmosphärisch wichtig waren. Weg oder falsch erinnert?

Jetzt reime ich mir so zusammen, dass der Jugendschutz diese Beschneidungen zur Prime-Time wohl notwendig macht. Das ist auch gut und richtig so. Bei Fluglinien ist bekannt, dass die “Bordfilme” teilweise grotesk verstümmelt werden, damit niemand der Passagiere Anstoß nehmen kann. Im TV müssen aber andere Maßstäbe gelten.

Es geht nach meinem Dafürhalten nicht mit Ernsthaftigkeit zusammen, wenn stillschweigend an der Vorlage rumgebastelt wird, und jeder dies unter den Tisch kehrt, als sei nichts geschehen. Liebe Fernsehsender: Steht dazu, selbst Hand angelegt zu haben, wenn ihr Filme mit eingeschränkter Jugendtauglichkeit ausstrahlt. Macht das kenntlich und verkauft uns nicht für dumm.

Ansonsten hätten immer mehr Menschen immer mehr Gründe das TV-Gerät abzuschaffen und häufiger in den Lichtspielhäusern vorbeizuschauen.

Viel Spaß im Kino.

(Ursprünglich veröffentlicht auf cinetrend.de am 15.05.2008)