Die deutsche Pressefotografin Anja Niedringhaus war die erste Frau die eine Pulitzer-Preis bekam. Dabei hatte die 2014 erschossene Fotografin mit ihren Fotos nicht weniger im Sinn als die Welt zu verändern. Am Anfang ihrer Laufbahn als Kriegsfotografin sagte sie einmal sie sei nicht vor Ort um Panzer-Schnappschüsse zu machen, sondern um den Krieg mit ihren Fotos zu beenden. Edition Salzgeber bringt das Porträt einer mutigen Journalistin ab 26.05.2022 in die Kinos.
Für die Fotoreporterin Anja Niedringhaus (Antje Traue) ist der Ausbruch des Jugoslawienkrieges 1992 ein einschneidendes Erlebnis. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist diese der erste Krieg auf europäischem Boden. Niedringhaus ist sich gewiss, sie muss als Pressefotografin ins Geschehen. Doch ihr Chef bei der European Press Association (EPA) weigert sich vehement die unerfahrene junge Frau in das Krisengebiet zu lassen.
Die Fotografin bleibt hartnäckig, eckt mit ihrer Naivität in Sarajewo gleich an und findet in dem erfahrenen (italienischen?) Kollegen Sergio einen Mentor. Sarajewo ist ein derbes Pflaster, in dem es weder Wasser noch Elektrizität gibt. Heckenschützen, so genannte Sniper, schießen auch auf harmlose Zivilisten.
Lehrjahre in Sarajewo
Es dauert, bis sich die unerfahrene Foto-Reporterin eingewöhnt hat und ihre Bildsprache als Kriegsfotografin findet. Dann aber merkt auch Serigo sofort, diese Fotos sind etwas Besonderes. Selbst wenn sich Anja Niedringhaus Zeit ihres Berufslebens wiederkehrend als Voyeurin vorkommt, so weiß sie doch auch, dass bestimmte Bilder gemacht werden müssen und die Berichterstattung einen Unterschied in der öffentlichen Wahrnehmung machen kann.
Dass Anja Niedringhaus auch eine sehr erfolgreiche Sportfotografin war, kommt in dem Film von Regisseur Roman Kuhn, der selbst auch Fotograf ist, nicht zur Erwähnung. Wohl aber, dass sie nach den unterschiedlichen Jugoslawienkriegen eine Phase der grundsätzlichen beruflichen Orientierung durchmachte.
Das Attentat auf das World Trade Center 2001 ist dann das auslösende Moment sich für die Krisenberichterstattung zu entscheiden. Niedringhaus wechselt zur amerikanischen Agentur Assosiated Press (AP) und berichtet dann vom Irak-Krieg und später aus Afghanistan. Nicht immer macht sich die Frau mit dem Blick für besondere Fotos überall Freunde.
Eine andere Welt nach 9/11
So wie sie am Anfang ihrer Karriere in Jugoslawien von einer geheimen Wasserstelle verscheucht wurde, damit die Serben diese nicht verunreinigen können, so wird sie fast umgehend aus der „eingebetteten“ Berichterstattung der US Army im Irak ausgeschlossen, weil sie Kriegsgefangene fotografiert hat.
Der Film „Die Bilderkriegerin“ ist kein eigentlicher Spielfilm, sondern eher ein Dokumentarfilm mit gespielten Sequenzen. Die so genannten Reenactments tragen alle Teile der Handlung und werden nur gelegentlich durch O-Töne von Kollegen und Weggefährten unterbrochen, so dass durchaus der Eindruck einer dramaturgischen Darstellung entsteht.
Zuschauer:innen kennen das Prinzip aus diversen historischen Doku-Formaten. Hier allerdings nimmt das Nachspielen derart viel Raum ein, dass es das Thema trägt. Gelegentlich kommt das dann etwas plakativ daher und nicht alle Szenenbilder und Settings wirken tatsächlich authentisch, doch dafür stimmt das emotionale Moment das den Film trägt.
Das menschliche Element in Krieg und Krise
Antje Traue haucht der Fotografin Leben ein und nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise durch die Konfliktregionen der Welt zu ihrer Zeit. Immer wieder kommen aus dem Off Tagebuch-Eintragungen hinzu, die durchaus Erhellendes zur Figur beitragen. Literarische Qualitäten wie bei Polens lange Zeit „einzigem Auslandskorrespondenten“ Ryszard Kapuściński darf das Publikum nun freilich nicht erwarten. Dessen Kriegsbericht aus Angola in den 1970ern ist in seiner filmischen Zeichentrick-Aufbereitung „Another Day of Life“ (2018) immer noch unerreicht großartig.
Vielleicht ist „Die Bilderkriegerin“ daher dem actionreichen filmischen Porträt „The Bang Bang Club“ näher, wenn auch glücklicherweise wesentlich unaufgeregter und vor allem sachlicher. Letztlich gelingt dem Film „Die Bilderkriegerin“ was er sich vorgenommen hat: das Bild einer großen, mitfühlenden Fotografin zu zeichnen.
„Die Bilderkriegerin“ ist ein sehenswerter Film über eine der bedeutendsten Presse-Fotografinnen ihrer Generation geworden. Statt sich für eine puristische Doku zu entscheiden, setzt der Film auf ein Nachspielen von Schlüsselszenen. Dabei geht vielleicht etwas grundsätzlich Journalistisches verloren, aber die Person Anja Niedringhaus und ihre Profession werden erlebbar gemacht. Das ist schon viel wert. Erschreckend ist allerdings wie aktuell der Jugoslawien-Krieg angesichts des Krieges in der Ukraine gerade wirkt.
Film-Wertung: (7 / 10)
Die Bilderkriegerin
OT: Die Bilderkriegerin
Genre: Biopic, Drama
Länge: 91 Minuten, D, 2022
Regie: Roman Kuhn
Darsteller:innen: Anja Traue, Michele Cuciuffo, Franziska Hartmann
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Edition Salzgeber
Kinostart: 26.05.2022
Anja Niedringhaus bei Wikipedia
Filmseite bei Edition Salzgeber (mit Kinofinder)
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