Spiral Drive – In Bloom: Album Review

Auf ihrem zweiten Album „In Bloom“ beweist das Trio Spiral Drive das psychedelischer Rock keineswegs ein rückwärtsgewandtes, verstaubtes Musikgenre ist. Stilsicher und mit großer Bandbreite begeben sich Spiral Drive auf Erkundung spaciger Sounds und dringen in Weiten vor wie sie seit dem Raumschiff Enterprise kein Mensch mehr gehört hat- oder fast.

Fakten zuerst: Aktuell sind Spiral Drive ein Trio aus Raphael Neikes (Gitarre & Vocals), David Knevels (Bass) und Nicholas Stampf (Drums), das seit 2017 besteht. Nach der live im Studio eingespielten EP „Space Pirate Sessions“ folgte 2019 mit „Unity“ der erste Longplayer auf dem Gitarrist Neikes noch allein für das Songwriting verantwortlich war. Nun auf „In Bloom“ ist die Band eingespielter, neigt im Studio zu längeren Sessions. Bei denen entstehen auch schon mal Strukturen und Songs und die Band entwickelt ihre Songs nun vermehrt zusammen.

Der ehemalige Mitstreiter Andreas Haslacher und andere Freunde und musizierende Gäste besuchten Spiral Drive im Studio und trugen ihren (Gast-)Beitrag dazu bei, dass „In Bloom“ ein abwechslungsreiches und mitreißendes psychedelisches Rockalbum geworden ist. Vor allem aber ist es die organische Herangehensweise, die dieser Art von Musik förderlich ist und zu ebenso gechillten wie abgespacten Instrumentalpassagen führen kann wie sie auf „In Bloom“ zu hören sind.

Psychedleische Blüten

Die gute Stunde Spielzeit, die „In Bloom“ nach dem Intro hören lässt, ist innerhalb des „Genres“ Spacerock ebenso abwechslungsreich wie eigenständig und soundmäßig homogen. Ich erkenne hier eine Bandidentität, die keine Angst vor moderneren Klängen hat. Sicherlich ist das Musikzieren als klassisch rockenden Dreifaltigkeit Gitarre, Bass, Schlagzeug etwas begrenzt, aber Gitarreneffekte machen Soundausflüge ebenso möglich wie die Zur-Hilfe-Nahme weiterer Instrumente im Studio.

Die musikalischen Referenzpunkte liegen im Fall von Spiral Drive nicht ausnahmslos in der 1960er und 1970ern verortet. Neben frühen Pink Floyd, dauerpräsenten Hawkwind und den üblichen Verdächtigen klingt die Band mitunter erstaunlich modern, der hohe klare Gesang erinnert gelegentlich an die Britpoper von Travis oder Radiohead, die sphärischen Klangteppiche haben durchaus eine Nähe zu jener düster-tanzbaren Elektronik, die mal unter dem Label Trip-Hop firmierte, also Massiv Attack, Tricky, Portishead und Konsorten.

Space Rock & Co

Und nicht zuletzt hat die Musik von Spiral Drive auch hard rockende Einflüsse wie sie eher bei Monster Magnet zu hören sind. Konzeptionell erinnert mich das stark an das Musizieren der schwedischen Indie-Rock Band Dungen. Lange Zeit galt Dungen als Ein-Mann-Projekt von Multiinstrumentalist Gustav Ejstes. Mit dem 2004 erschienenen Album „Ta det lungt“ (nimm’s leicht) haben die Jungs eines meiner All Time Favs einspielten. Also liegen Spiral Drive ganz auf meiner Linie und machen ihre Sache auf „in Bloom“ ausgesprochen hörenswert.

By the Way: Ab Anfang April ist die Band zunächst in Deutschland mit Mother‘s Cake auf Tour. Tour-Termine gibt’s unter anderem auf der Homepage. So wie die Band ihr Output mit großem Sessionanteil einspielt, sollte das auch für außergewöhnliche Bühnenauftritte richtungsweisend sein.

Das Album in der Einzelkritik

„Echos“ eröffnet „In Bloom“ schwer riffend und schweift später in gniedelige Gefilde ab, ein starker Opener. „Space Train“ wabert sich trippy und entspannt groovend durchs Weltall und sorgt dafür, dass die Hörerschaft auch im Großraumabteil sitzen bleibt um die Aussicht zu genießen. „Heatwave“ legt dann wieder ne Schippe drauf und kommt den 60ern mit garagigeren Klängen nahe. Catchy und nicht umsonst vorab ausgekoppelt.

„Yeti“ ist dann wieder zurückgenommen, der verfremdete Gesang klingt unirdisch und der fiepsige Zwischenpart ist dann eher speziell. „Lines for Life“, ebenfalls vorab veröffentlicht, hat dann dieses angesprochen Britpoppige im Sound und der melodiöseTeppich bleibt locker im Ohr. Bis dann „Screwed“ mit Gastsänger Yves Krismer eine ziemlich knackige Rockhymne raushaut. Auch das steht der Band zu Gesicht. „13th Eye“ wird von Vibrato und Gesangsharmonien getragen, gehört aber nicht zu meinen Favoriten. Ein sehr klassischer Song.

„Illusion“ brettert dann wieder riffig durch die Wand und inzwischen mag die Hörerschaft den Wechsel von Rockigem und Getragenem verstanden haben. Immerhin ist der 3-Minuten-Stampfer hitverdächtig; irgendwo zwischen Talking Heads „Road to nowhere“ und Queens of the Stone Age zu „Villains“–Zeiten. „Hypnotized“ zelebriert dann die Ruhe nach dem Sturm und hat auch was Radiohead-artiges, das einfach schön ist. „Omesia“ scheint dann das ruhig/rockig-Muster zu brechen, packt die Riffkeule aber noch aus. Starker, rhythmisch auffälliger Song.

Back to Reality

Mit dem fast neunminütigen „Ego Placebo“ geht es dann auf die Album-Zielgerade. Grundsätzlich um einen klassisch psychedelischen Refrain herumgerockt, nimmt sich der „Ego Placebo“ Zeit für lange gejamte und experimentelle Parts. Mir gefällt das ausgesprochen gut, aber wehe, die Hörer:in verliert unterwegs den Faden, aber das ist schon zu seligen Grateful Dead Zeiten die Kehrseite langer Jams.

Abschließend gibt es mit „Inner Truth“ und „All of Time“ noch zwei getragene Midtempostücke, die viel Atmosphäre haben, aber auch nicht zu meinen Favs zählen. Immerhin klingt „In Bloom“ damit stimmungsvoll und in der Rückschau erschöpft aus. Man mag nun meinen, die beiden Songs wären verzichtbar, aber im Kontext des Albums ist diese End-Phase wichtig. Ebenso wichtig wie das langsame „Zurück in die Realität Kommen“ nach ‚ner Yoga- oder Meditations-Session, oder was auch immer ihr da draußen so anstellt, um eins mit dem Universum zu werden.

Mit „In Bloom“ haben die Psychedelic Rocker „Spiral Drive“ eine beachtlich, ausgereifte Scheibe abgeliefert, die etliche Klangfarben auslotet und doch immer ganz bei sich selbst ist. Die Band findet auf dem zweiten Album in der Tat zur vollen Blüte. Sehr musikalisch, sehr experimentell und bei aller Weltraumodyssee auch sehr erdverbunden. Demnächst auf den Bühnen der Republik.

Album-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Spiral Drive: In Bloom
Genre: Psychedelic Rock,
Länge: 62 Minuten, D, 2022
Interpret: Spiral Drive
Label: Stone Free Records
Vertrieb: Broken Silence
Album-VÖ: 11.03.2022


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