Actionfilme sind keine Raketenwissenschaft, wenngleich in den besseren per Definition die Post abgeht. In „Gunpowder Milkshake“ legt sich eine junge Profikillerin mit ihren Auftraggebern an und muss sich auf die Geschlechtersolidarität verlassen. Karen Gillan tritt den Kerlen in dem stilvoll flotten Gaunerstück gehörig in den Hintern. Wer den Eröffnungsfilm des Fantasy Filmfests 2021 verpasst hat, kann nun nach einigen Terminverschiebungen regulär ins Kino gehen.
Sam (Karen Gillan) gehört zu den Besten ihres Faches. Die junge Frau ist eine Auftragskillerin, die für die „Firma“ arbeitet. Irgendwer hat die Firma beklaut und Sam soll das Geld zurückholen, doch der Job geht irgendwie schief. Auf einmal hat Sam nicht nur die Verantwortung für die achtjährige Emily (Chloe Coleman), sondern verliert auch den Schutz der Firma. Ausgerechnet Nathan (Paul Giamatti), dieselbe Führungskraft der Firma, die auf Sam aufpassen sollten nachdem Mutter Scarlet verschwand, veranlasst nun, dass Sam selbst zur Gejagten wird und faktisch jeder Killer in der Stadt ist hinter ihr her.
Zeit also sich ausreichend auszurüsten. Zeit für einen Besuch in der Bibliothek. Hier werden nicht nur Bücher verliehen. Eine Gilde kampferprobter Damen, zu der einst auch Sams Mutter Scarlet (Lena Headey) gehörte, hat hier ihr Hauptquartier aufgeschlagen und ein beachtliches Waffenarsenal zur Verfügung. Außerdem verfügen die Damen über ein solides Netzwerk und Stützpunkte in so manchem Diner in der Stadt.
Die Damen vom Grill
Letztlich ist es im Action-Genre momentan nur konsequent auf den erfolgreichen Pfaden von „John Wick“ zu wandeln. Dessen robuste, stylish inszenierte Herangehensweise und der beinahe mythologische Überbau von Gaunerehre und Gildensystem wurden schnell zum Publikumsliebling. Freilich hat auch John schon Vorbilder und egal, ob nun Donald Westlakes „Parker“ für diese in sich geschlossene Gaunerwelt die Initialzündung war, oder der kalte französische Thriller „Vier im roten Kreis“ von Jean-Pierre Melville, es bleibt vor allem die Konsequenz, mit der der Actioner seinen Rachefeldzug durchzieht. In der Hinsicht kann „Gunpowder Milkshake“ den Kollegen allemal das Wasser reichen.
Selbstredend sind in dieser Art von Film die Charaktere auch Stereotypen und es kommt darauf an, wie die Darstellerinnen in „Gunpower Milkshake“ über ihre Rollen hinauswachsen. Während die Damen vom Grill und die Bibliothekarinnen großteils sehr souverän abliefern, was ihre kampfgeschulten Karrieren so hergeben, schwebt Karen Gillan langbeinig und wortgewandt durch die Kampfszenen, dass es eine Freude ist.
Lesen bildet
Seit seliger „Doctor Who“ –Assistenz ist die schottische Darstellerin als „Nebula“ bis in die Galaxien des Marvel Cinematic Universe vorgedrungen und hat sich neben Dwayne Johnson auch in den Dschungeln von „Jumanji“ bewährt. Das charakteristisch lose Mundwerk und der Sinn für Humor zeichnen auch die Rolle der Sam aus. Das reicht locker, um den Film auch durch seine erzählerischen Untiefen zu tragen.
Es gäbe sicherlich noch etliche weiter Aspekte und Mitwirkende zu erwähnen, aber seien wir ehrlich: Es geht um einen nicht jugendfreien Action-Thriller und nicht um ein mehrdeutiges Psychogram. Oder, um den jungen Fußballer Bruno Labadia zu zitieren: „Das wird alles von den Medien hochsterilisiert.“
Anders als in der Fantasy-Serie „Heroes“ muss in „Gunpowder Milkshake“ keine Kellnerin gerettet werden. Die großartig besetzte weibliche Killerriege wandelt zielsicher zwischen diversen Actionvorbildern, allen voran „John Wick“ und „Leon, der Profi“. Die Kampf- und Baller-Choreo stimmt und sorgt für einige hübsch blutige Sequenzen. Was sollte das Genre-Publikum mehr wollen. Ich wurde ziemlich gut unterhalten. Einen Extrapunkt gibt es für die weibliche Selbstermächtigung.
Film-Wertung: (8 / 10)
Gunpowder Milkshake
OT Gunpowder Milkshake
Genre: Action, Thriller
Länge: 115 Minuten, UK, 2021
Regie: Navot Papushado
Darsteller:innen: Karen Gillen, Paul Giamatti, Lena Headey
FSK: Ab 18 Jahren
Vertrieb: Studiocanal
Kinostart: 02.12.2021