Salvador: Foto-Reportage aus der Kriegshölle

Als Regisseur Oliver Stone sich Mitte der 1980er auf das Filmprojekt Salvador einließ, das ihm der Journalist Richard Boyle anbot, hatte sich Stone nur einen Namen als Drehbuchschreiber gemacht, es dauerte eine Weile, die Finanzierung für seinen zweiten Spielfilm zusammenzubekommen. Doch das Risiko wurde seinerzeit mit zwei Oscar-Nominierungen belohnt und zeigt bereits die typische Handschrift des Filmmachers Oliver Stone. Nun hat Studio Hamburg Entertainment die remasterte Fassung von „Salvador“ in der Pidax Filmklassiker-Edition für das klassische Home-Entertainment wiederveröffentlicht.

Der heruntergekommene amerikanische Reporter und Fotograph Richard Boyle (James Woods) ist händeringend auf der Suche nach einen Auftrag, doch niemand hat Arbeit für Boyle. Er erfährt von den Unruhen in El Salvador, wo das Militär gegen die gewählte Regierung putscht. Boyle muss vor seinen Schulden fliehen und überredet seinen Kumpel Doctor Rock (James Belushi) mit ihm nach Guatemala abzuhauen, wo es sich billig leben lässt.

Als die beiden schließlich im grausamen Bürgerkrieg in El Salvador landen, ist Doc alles andere als amüsiert. Doch Boyle, der das Land bereits kennt, wittert seine Chance und vor allem wichtige Stories. Das Unrecht, die Brutalität und die Greultaten scheinen jedoch niemanden zu interessieren. Wiederholt dringt Boyle zum US-amerikanischen Botschafter vor, doch der hat Besseres zu tun als sich Leichenberge anzusehen und den Aussagen eines durchgeknallten Reporters zu vertrauen. Boyle lässt nicht locker.

Das aufwändige und informative Bonusmaterial von „Salvador“ schließt auch eine Doku über die Zustände während des Bürgerkriegs in El Salvador ein, die Oliver Stone zu diesem Film veranlasst haben. Außerdem ein aufschlussreiches Makeing Of, in dem der tatsächliche Reporter Richard Bolye von dem Filmprojekt berichtet und davon, dass in Stone ursprünglich als Hauptdarsteller des autobiografischen Films gecastet hatte. Doch der Reporter merkt schnell, dass er kein Schauspieler ist.

Die beiden jungen Kerle, die später zu Stars werden waren sich nicht sicher, was sie von dem Regisseur Oliver Stone erwarten konnten. Auch die Finanzierung des Projektes ist abenteuerlich, da Stone nachdem er vergeblich um Geld geworben hat, direkt die Regierung in El Salvador anspricht und deren Armee und Logistik einsetzen will.

Abenteuerlich, wagemutig, hahnebüchen und ein bisschen durchgeknallt geht es bei den Dreharbeiten und auch in dem biografisch geprägten Kriegsthriller zu. Bisweilen fühlen sich Zuschauer:innen an den Fieberwahn in „Apocalypse Now“ erinnert. Auch der irre Alltag des „Bang Bang Club“, südafrikanischer Fotoreporter, scheint hier durch. Der Reporter und sein Kompagnion in „Salvador“ nehmen zudem vorweg, was Terry Gilliam später bei der „Hunter S. Thompson“-Verfilmung „Angst und Schrecken in Las Vegas“ umsetzt, einen aberwitzigen Road Trip voller Abgründe.

In „Salvador“ liegt das Grauen im Detail das Stones Kameramann in den Bildhintergrund verbannt. Ruinen, Armut, Elend, Leichenberge und verkohlte menschliche Überreste werden nicht explizit in den Fokus gehalten, aber sie sind präsent und aufgrund der fahrigen unsteten Kameraführung auch immer einer diffusen Halbschärfe, einer Gefahr im Augenwinkel verbunden. Das ist filmisch ebenso einzigartig wie stressig und wird von Oliver Stone später zum Stilmittel ausgebaut.

Letztlich ist die „Story“ in „Salvador“ auch ein bisschen zeittypisch und gelegentlich fühlt sich der politisch und weltgeschichtlich interessierte Zuschauer an die Reportagen von Ryszard Kapuściński („Another day of Life“) erinnert. Es ist dieselbe verzweifelte Aufbruchsstimmung in der so genannten Dritten Welt, die vor allem in Afrika und Südamerika für gewaltsamen Wandel und Befreiung sorgt. „Salvador“ deckt viele Aspekte dieser Thematik beinahe exemplarisch ab und ist so auch ein politischer Film der die Zeit und den Zeitgeist einfängt und in seiner scharfen USA-Kritik schon die Haltung von Oliver Stone („J. F. K.“) als ambitionierter und engagierter politischer Filmmacher zeigt. Übrigens erscheint dieser Tage ende 2021 noch eine Oliver Stone Doku über die Ermordung Kennedys, die auch in den Kinos zu sehen sein wird.

Das ambitionierte und politisch kritische Frühwerk Oliver Stones ist ein bisschen in die Jahre gekommen. Die filmischen Stilmittel, die später bei „Natural Born Killers“ zu voller Entfaltung kamen, sind hier bereits angelegt, ebenso die in „Platoon“ thematisierte Sinnlosigkeit und der Irrsinn des Kriegstreibens. „Salvador“ ist und bleibt ein intensives Filmerlebnis, das allerdings auch ein paar Schwächen hat.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Salvador
OT: Salvador
Genre: Drama, Thriller
Länge: 118 Minuten, USA,
Regie: Oliver Stone,
Darsteller: James Woods, Elpidia Carillo, James Belushi,
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Pidax, Studio Hamburg Entertainment
Kinostart: 11.06.1987
DVD- & BD-VÖ: 12.11.2021