24/7 Diva Heaven: „Stress“

Mit dem Debut-Album „Stress“ der Berliner Band 24/7 Diva Heaven präsentiert uns das freundliche Kreuzberger Label Noisolution einen weitere Perle verzerrter und krachiger Sounds. „Stress“ setzt dabei auf Soundwände, Wucht und Lo-Fi-Geschrammel wie Hörer:innen das schon lange nicht mehr gehört haben. Irgendwie war dieser Sound, der auch immer rotzig trotzig ist, ’ne Zeit lang ziemlich aus der Mode als phatte Gitarrenwände im poppigen Mainstream ankamen. 24/7 Diva Heaven markieren nichts weniger als die Rückkehr des bissigen Underground Punk Rock.

Ja, Grunge jetzt, ne, und Riot Grrrl, ne, und irgendwo so Sonic Youth auch, irgendwie so Neunziger und so echt retro… Ist das so? Wer sein Debut-Album mit einem Song beginnt, der in Sachen Krach, Verweigerung und Catchiness ganz offensichtliche Parallelen zu Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ aufweist, darf sich nicht wundern, wenn alle Welt plötzlich „The Resurrection of Grunge“ abfeiert. Dabei ist das doch nicht einmal die halbe Miete. Und auch wenn ich mich an dieser Stelle wiederhole: Lemmys ikonische Konzert-Ansage war und ist auch eine Schubladen-Verweigerung: „We are Motörhead and we play Rock‘n’Roll.“

Sicher, der oder die geneigt Fan hatte es gerne etwas spezifischer, schließlich liegen zwischen L7 und Joan Jett, zwischen Pearl Jam und Nirvana Welten und es liegen Dekaden zwischen den Stooges und Refused. Während in anderen musikalischen Szenen die Retrowellen munter zwischen Classic und Prog Rock, True und Black Metal Gedöns hin und herschwappen, scheint das im erweiterten Punk Underground nicht wirklich ein Thema zu sein. Ist der Noise Rock zum Mitgröhlen einfach zeitlos, oder wird das Retro-Getue schlicht nicht so plakativ aus dem Fenster gehängt?

„All my friends are wasted, all my friends are high. As long as we keep drifting, everything’s all right.“

Der Bandname des Berliner Frauen-Trios mag schrullig wirken, ist aber durchaus Programm: Wer wäre nicht gerne rund um die Uhr im Divenhimmel, um ganz sie oder er selbst zu sein? Tatsächlich bezieht sich der Bandname aber auch auf eine Berliner Veranstaltungsreihe, die queere und weibliche Künstler:innen unterstützt(e). (Die Info und mehr Wissenswerteres stammt aus einem Interview, das die Kollegen von Pop Kultur Berlin im Sommer 2020 mit der Band führten.)

„All my friends are wasted, all my friends are high. I’m the one who’s wasted, all our friends just die.”

2018 fanden sich Schlagzeugerin Mary Westphal, Gitarristin und Sängerin Katharina Ott-Alavi und Bassistin Karo Peschedag zum gemeinsamen Musizieren zusammen. Die Chemie und die musikalischen Vorlieben stimmten und seither schrammelt, schreit und groovt sich die Band im punkigen Underground Berlins ins Gehör. Geboten werden dabei Songs und Sounds, die wesentlich von Grunge und Riot Grrrl und Lo-Fi Fuzzrock inspiriert sind. Das klingt erstaunlich modern, will sagen zeitlos, und gefällt mit seiner wütenden Attitüde. Das vorab ausgekoppelte „Potface“, und auch „Bitter Lollipop“ haben Ohrwurm-Charakter, „Shamebath“, „Head On Collision“ und „J T“ kommen deutlich schwerer, buzz-artiger rüber und schleppen sich durch die verzerrten Sounds. Mit „Death to“ und „Topped With Cheese“ drücken die drei Damen ordentlich aufs Tempo und dann wieder entspannter in Richtung „Outro“ zu rocken.

Jetzt die musikalische Vergleichs-Datenback auszupacken bringt ebenso wenig wie der irgendwie nutzlose Verweis, dass 24/7 Diva Heaven mit der Aggressivität ihrer Musik als Frauenband schon aus der Szene herausstechen. Anno 2021 sollten Krach und Wut längst keine Domäne der Kerle mehr sein und dennoch bleibt die weibliche Fraktion im härteren Musiksektor überschaubar. Das sollte sich schleunigst ändern, ein nachahmenswertes Projekt, an dem auch 24/7 Diva Heaven maßgeblich beteiligt sind, ist das Musikerinnen-Netzwerk „Grrrl-Noisy“. Gut so, mehr davon. Bereits Bob Marley wusste wie es geht, und Joe Strummer hat den „Redemption Song“ aufgegriffen:“Emancipate yourself from mental slavery“.

24/7 Diva Heaven tragen mit ihrer Liebe zum Krach und der Verwurzelung im Underground dazu bei, dass Punk nicht stirbt, aber auch nicht zu Stadion-kompatibel wird. Zielt pfiffig auf Bauch und Kopf. Starke Band, großes Album: knackig, existentiell, auf den Punkt. „Stress“ geht auf der nach oben offenen Spinal Tap Skala bis 11. Und jetzt alle: „All my friends are wasted…“

Album-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

24/7 Diva Heaven: „Stress“
Genre: Noise Rock, Punk,
Länge:39 Minuten
Format: Vinyl, Digital,
Label: Noisolution
Vertrieb: soulfood
VÖ: 19.03.2021

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Besetzung:
Katharina Ott-Alavi – Gitarre, Gesang
Karo Paschedag – Bass
Mary Westphal – Schlagzeug

Tracklist:
1.Potface, 2. Bitter Lollipop, 3. Shamebath, 4. Everything Sucks, 5. Head On Collision, 6. Everyman7. JT, 8. Death To, 9. Topped With Cheese, 10. White Swamp, 11. Outro