Wenn in einer kleinen Gemeinschaft jemand das Zusammenleben und die Ruhe stört, ist das eine Sache. Wenn sich jemand als Dorftyrann aufspielt, eine ganz andere. In der dänischen Thriller-Drama-Serie „Killing Mike“, die von ZDFneo koproduziert wurde, tun sich einige erwachsene Mobbing-Opfer zusammen, um Mike, die Quelle ihrer Qualen, zu ermorden. Das stellt sich in der Umsetzung schwieriger dar, als in der Planung. Nach der TV-Ausstrahlung Anfang Oktober 2020, bringt Eye See Movies die Serie nun als DVD und Blu-ray für das Home-Entertainment heraus.
Die ausgelassene Party der jungen Leute, die gerade mit der Schule fertig sind, endet tödlich. Aksel der Sohn des Dorfarztes wankt im Morgengrauen Fahrrad schiebend auf der Landstraße herum als er von einem Pick-up überfahren wird.
Eineinhalb Jahre später trauert Dorfarzt Peter (Claus Riis Østergaard) immer noch um seinen Sohn und hat den Verdacht, dass Automechaniker Mike (Morten Hee Andersen) ihn absichtlich überfahren hat. Das Gerücht gibt es auch schon länger, vor allem weil Aksels Freundin Mia (Frieda Krøgholt) davon überzeugt ist. Bei einem Zeltfest stellt Peter Mike zur Rede und der streitet das nicht einmal ab.
Nachdem Wirtin Bibi (Lene Maria Christensen), deren Mann Tom (Jesper Riefensthal) von Mike ebenfalls tyrannisiert und erpresst wird, Peter beruhigt hat, kommt zum ersten Mal der Gedanke auf, Mike einfach aus dem Weg zu räumen. Da wären auch John (Mads Rømer) und Milad (Dar Salim) mit von der Partie. John, weil dessen psychisch angeschlagener Sohn Kasper (Jesper Bryder) damals mit im Auto saß und immer noch mit Mike befreundet ist, und Milad, weil Mike seinen Sohn geprügelt und gequält hat. John und Mike arbeiten auf der örtlichen Hühnerfarm.
Die Gruppe spinnt die Mordgedanken einfachmal weiter und kommt schnell zu dem Schluss, dass es nur funktioniert, wenn alle dabei sind und keiner etwas verraten kann. Peter schlägt aktive Sterbehilfe an einer alten, alleinstehenden Patientin vor, die ohnehin nur noch einige Wochen zu leben hätte. Quasi als Generalprobe und gemeinsam begangenes Verbrechen.
Von der Planung zur Ausführung dauert es allerdings noch eine ganze Weile. Auch deshalb, weil jeder der Mitverschwörer so seine Probleme hat. Vor allem sorgt das Auftauchen von Peters jüngerem Bruder Martin (Anders Juul) für einige Unruhe in dem (fiktiven) Städtchen Balling auf der dänischen Ostsee-Insel Fünen.
Martin aus Kopenhagen mimt den erfolgreichen Schriftsteller, ist aber pleite und bleibt erstmal. Er schläft mit Mia, pumpt Peter an, wird von Mike als Zahlmeister einer derben Sause ausgenommen, und beginnt eine Affäre mit seiner Jugendfreundin Anna (Marijana Jankovic), die ist allerdings inzwischen lange mit John verheiratet und sorgt sich um ihren Sohn Kasper. Zu allem Überfluss kommt Martin der Mördertruppe noch auf die Schliche.
In Dänemark und auch international räumte die Serie „Killing Mike“ einige wichtige Fernsehpreise ab und Thriller-Kost aus Skandinavien und Serienfutter aus Dänemark sind an sich ja schon beinahe so etwas wie ein Qualitätssiegel. Dennoch gelingt es der dänischen Serie ziemlich gekonnt die meisten Erwartungen, die Zuschauer:innen an das Format haben könnten, zu unterlaufen. Das beginnt bereits mit dem Auftakt: Wer bei den feiernden jungen Leuten an eine Entwicklungsgeschichte, ein „Coming of Age“ erwartet, wird schnell in eine andere Richtung geschubst. Obgleich die Dörfler mit Mordabsichten auch eine gewisse Entwicklung durchmachen müssen, um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Allerdings haben die Autoren Marie Østerbye und Christian Torpe, die beide bereits an der dänischen Serie „Rita“ arbeiteten, anderes im Sinn als in schwarzhumoriger Manier missglückte Attentate aneinanderzureihen. Statt dessen entfaltet sich eine Drama, das die Gruppe von Protagonisten als durchschnittliche Menschen zeigt, die im Grunde nur auf der Suche nach ihrem persönlichen kleine Glück sind, außer Peter vielleicht, der einen traumatischen Verlust verarbeiten muss.
Hierzulande hat man für die von ZDFneo mitproduzierte Serie einen recht reißerischen Titel gewählt. „Killing Mike“ kommt zwar direkt zum Kern der Sache, aber der internationale Titel „Deliver Us“ („Erlöse uns“) setzt eine völlig andere Erwartungshaltung, ebenso der dänische Titel „Fred til lands“ („Frieden im Land“). Da scheint es doch eher darum zu gehen, endlich Ruhe zu haben als darum, wie man jemanden aus dem Weg räumt. Und genau so entwickelt die Serie auch ihre Qualitäten. Gefilmt in der typisschen realistischen Schlichtheit, die dänische Serien häufig ausmacht.
Mike, der Dorftyrann, wird von Morten Hee Andersen, mit einer undurchschaubaren Boshaftigkeit dargestellt , die so beiläufig rüberkommt, dass einem Hanna Ahrends Begriff von der Banalität des Bösen“ in den Sinn“ kommt, allerdings wird Mike nicht systemisch legitimiert, sondern ist schlicht ein gefühlskalter Soziopath, der spaß an Gewalt und Machtspielchen hat.
Der Fokus im Drama von „Killing Mike“ liegt aber auf den Opfern, die sich selbst zu Tätern machen wollen, nicht auf der Ergründung des Fieslings. Vielleicht lässt sich die Serie dabei zu oft zuviel Zeit und erzählt zu ländlich gemächlich von den Problemen und Hindernissen in der Kleinstadt Balling. Vielleicht sind einige Aspekte dann doch wieder zu genretypisch wie Mikes Verbindung zu drogendealenden Rockern. Am Ende kann „Killing Mike“ dann noch mit einer überraschenden Wendung aufwarten. Ob Zuschauer:innen sich davon überzeugen lassen, hängt davon ab, wie sehr sie den Schicksalen der Geschichte gefolgt sind.
Die dänische TV-Serie „Killing Mike“ pendelt zwischen Thriller und Drama, meisnten Ggekommt, bisweilen zu langatmig. Die Mordabsichten der Dörfler zeigt anschaulich wozu permanentes Mobbing auch bei Erwachsenen führen kann. Wer Action oder schwarzen Humor erwartet, ist hier falsch. Diese Nordic Noir-Serie setzt auf Psychologie und Drama.
Serien-Wertung: (6 / 10)
Killing Mike
OT: „Fred til lands“, Internat. Titel: “Deliver Us”
Genre: TV-Serie, Drama, Krimi,
Länge: 480 Minuten (8 x 60), DK/D, 2020
Idee und Drehbücher: Marie Østerbye, Christian Torpe
Regie: Søren Balle, Louise Friedberg, Martin de Thurah
Darsteller: Morten Hee Andersen, Lene Maria Christensen, Claus Riis Østergaard, Dar Salim
FSK: ab 16
Vertrieb: eye see movies, AV Visionen
DVD- & BD_VÖ: 05.11.2020
Copyright der Fotos: Tine Harden,