Kaskadeur: Uncanny Valley

Irgendwie ist es schon schwerer Rock, den „Kaskadeur“ aus Potsdam auf „Uncanny Valley“ zu Gehör bringen. Allerdings mit reichlich Bleeps und Cloncks und gniedeligen Interludes, die man nicht richtig Songs nennen kann. Das schwingt eine Weite mit, die sich schwer tut mit Kategorisierung und die bei allem Bock am Abrocken auch Lust auf Sounds und Spielereien hat. Kein Wunder also, dass die Band, die seit 2013 als Stonehenge eher Stoner mäßig rockte, einen neuen Namen brauchte für das aktuelle Album, das bei Noisolution erschienen ist. Kaskadeur machen vielleicht so was wie alternativen Prog Rock.

Was bei den ersten Durchläufen von „Uncanny Valley“ hängen bleibt sind drei Eindrücke: 1. Die Gitarre klingt extrem frisch und knackig. 2.WTF sollen diesen Zwischenspiele? 3. Ich mag das sehr. Jetzt hat der Rezensent das Problem, die überraschend entspannt zusammengeklöppelten, abwechslungsreichen Songs irgendwie in eine Schublade zu pressen. Da will eigentlich wenig passen.

Flashback Fatkids

Ja, progressiv ist das ganze irgendwie, aber mit Yes und ELP haben Kaskadeur wenig am Hut, eher schon mit Krautrock, dann aber eher späte Faust und frühe Can. Andererseits hat‘s auch was Wildes wenn das Potsdamer Quartett sich an Sounds versucht, die auch schon einen Retroaspekt haben. vor allem am Orgelsound kann man so schön drehen. Irgendwo las ich einen Vergleich mit „At the Drive-In“, der so auch abwegig ist, weil Kaskadeur aus einer ganz anderen Ecke aufgebrochen sind, ganz unterschiedliche musikalische Wurzeln haben. Mir kommen gelegentlich Medeski, Martin & Wood so um die Jahrtausendwende in den Sinn, als das Jazz Trio den lässigen Groove perfektionierte. Aber jetzt ist auch genug mit Querverweisen.

Es ist eben auch eine musikalische Qualität, dass eine Band Kopfkino lostreten kann, raum schafft und gibt für ungewöhnliches, Andersartiges, Assoziationen. Kaskadeur entwickeln mit Lust am Experiment ihren eigenen Sound, vor allem aber hat die Band, die früher Stonehenge hieß und diverse Alben etc veröffentlicht hat, großartige Songs im Gepäck.

Nach dem _valleywaltz“ Intro folgt der Titelsong „Uncanny Valley“, der mit einen so klaren und kantigen Gitarrensound aufwartet wie Sleater-Kinney auf dem grandiosen „No Cities to Love“- Album. Die Nummer rockt und ist ein perfekter Auftakt. Ich höre Kaskadeur an, dass die Band aus dem Stoner-Rock kommt: Immer wieder findet das Quartett zielsicher zurück zu Riff und Refrain.

Da zahlt sich dann aus, dass die Vier schon seit Jahren zusammen Musik machen. Das Timing stimmt und aus ebenjener rhythmischen Sicherheit, kann der Musikus dann auch in dem „unheimlichen Tal“ auf Erkundungsgänge ausziehen. Vornehmlich sind Keyboards und Gitarre auf Entdeckungsreisen unterwegs, aber auch Bass und Schlagzeug haben einige Momente, die herausragend unüblich sind.

Früher Stonhenge jetzt Kaskadeur

Stellt sich natürlich noch die Frage, darf man sich als Band einfach umbenennen? Oder muss man mit seinen alten, inzwischen blöden Namen behalten? Fragt doch mal bei den Toten Hosen oder bei den Ärzten, bei Queen, Green Day, The Who, etc. Is‘ halt blöd, wenn man schon ein bisschen bekannter ist, oder schon so viel veröffentlicht hat, andererseits: wen stört‘s denn wirklich?

Und irgendwann machen auch die Zwischenspiele Sinn, denn sie zeigen nicht nur einen Hang zum Verspielten, sondern sind jeweils gelungenen Überleitungen zu den kommenden Songs, die sich alle ein bisschen unterscheiden und so wird aus „Uncanny Valley“ eine runde, leider etwas kurze Geschichte.

Dass sich eine Band entwickelt, ihren Sound und ihre Songs lebendig gestaltet und auch immer offen für neue Einflüsse bleibt, ist eine musikalische Qualität, die den Dialog mit den Fans und Hörer:innen aufrecht hält. Bei Kaskadeur führt die Neuausrichtung zu einer echten Offenbarung. So frisch und zeitgemäß kann sich harter Rock anhören. Sollten alte Stonehenge Fans damit ein Problem haben, gibt‘s Stoner Bands genug, um die Enttäuschten zu trösten. Ich sage: Neue Rocker braucht das Land!

Album-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Kaskadeur: Uncanny Valley
Genre/ Tags: Prog Rock, Stoner, Math Rock,
Länge: 36 Minuten

Interpret: Kascadeur
Format: CD, LP, Download
LabeL: Noisolution
Vertrieb: Soulfood
VÖ: 25.09.2020

Songlist:

  1. _valleywaltz
  2. Uncanny Valley
  3. [least mean squares]
  4. Flashback Fatkids
  5. apply-physics()
  6. Part of Your DNA
  7. Snarc’51
  8. The Death of Basic Trust
  9. nearest_neighbor(searching):
  10. Spacegear Awayteam
  11. Bonzen haben Alles

Links:
Band-Homepage
Kaskadeur bei Facebook
Bandcamp von Kaskadeur
Kascadeur bei Noisolution