The Gentlemen: Pensionsanspruch und Schattenwirtschaft

Es ist nie leicht in den Ruhestand zu gehen; schon gar nicht als erfolgreicher Unternehmer. Schließlich will man in guten Händen wissen, was man über Jahre und Jahrzehnte mühevoll aufgebaut hat. Da gibt es so einige Unwägbarkeiten zu überwinden, vor allem, wenn es sich bei dem Unternehmen quasi um das Britische Monopol für Cannabis-Handel geht. In Guy Ritchies neuer Gauner-Actionkomödie geht es zwar gut gekleidet, aber keineswegs immer zurückhaltend zu. Allein das erstklassige Ensemble macht „The Gentlemen“ schon zu großartiger, stilvollendeter Unterhaltung.

Es beginnt am Ende, oder vielleicht doch nicht: Mickey Pearson (Matthew McConnaughey) sitzt allein in einem Cafe und eine Pistole schleicht sich ins Bild und wird abgefeuert. Dann setzt die Handlung einige Zeit früher ein als Mickeys rechte Hand Ray (Charlie Hunnam) besucht von dem abgehalfterten Skandaljournalisten Fletcher (Hugh Grant) bekommt, der Ray eine ganz außerordentliche Räuberpistole über den Kampf um ein Marihuana-Imperium erzähl. Fletcher hat scheinbar gut recherchiert, weil sein Boss, der Zeitungsmogul Big Dave (Eddie Marsan) von Mickeys Arroganz angefressen ist.

Nun ist daraus ein Drehbuch entstanden, an den interessierten und meistbietenden Verkäufer – oder friedlich aber teuer an Ray, also Mickey – abgegeben werden soll. Fletchers Story entwickelt sich aus folgender Prämisse: Mickey Pearson, seines Zeichens Exil-Amerikaner, der einst zum Studieren nach England kam, hat aus dem studentischen Verkauf von Dope ein perfekt funktionierendes und erfolgreiches Cannabis-Imperium aufgebaut, mit diversen über das Land verstreuten geheimen Standorten. Nun will sich Michey um seiner schönen Frau Rosalind (Michelle Dockery) willen zur Ruhe setzen und „La Dolce Vita“ genießen.

Folglich bietet er sein Imperium einen potenten Käufer an: Matthew Berger (Jeremy Strong) ist ebenso exzentrischer wie krimineller Milliardär und scheint durchaus interessiert. Was die Transaktion erschwert sind einige Querschläger wie der ehrgeizige chinesische Triaden-Emporkömmling Dry Eye (Henry Golding), der hinter dem Rücken seines Bosses Lord George (Tom Wu) auch auf Mickeys Cannabis-Kette bietet. Außerdem wird zufällig gerade jetzt eine der geheimen Marihuana-Plantagen von Nachwuchs-Rrappern mit Hang zu kampfchoreografierten musik-Videos überfallen. Ray bemüht sich zwar, den größten Ärger abzuhalten, doch das klappt nur bedingt.

Es zeichnet Künstler wie auch Filmmacher aus, wenn sie Themen haben, zu denen sie im Lauf ihrer Karriere immer wieder zurückkehren, um die sie kreisen und an denen sie sich reiben. Bei Martin Scorsese beispielsweise ist es die Mafia, bei Guy Ritchie sind es die Kleingauner und Kiffer. Der Mann schafft es sogar die Artus-Sage in eine mittelalterliche Straßengang Posse zu verwandeln. Und selbst wenn es in „The Gentlemen“ fein betucht zugeht, bis hin zu den stylischen Sportklamotten in denen der Coach (Colin Farrell) und seine Schüler herumlaufen, stecht unter der schicken Tapete doch immer noch der selbe fiese Gaunerspaß den anderen übers Ohr zu hauen.

Immer wieder kommen Vergleiche und Metaphern aus den Tierreich aufs Tablett: Silberrückengorillas, Löwen und Hyänen. Oder um es mit den unvergesslichen Worten von Calvin & Hobbes Erfinder Bill Watterson zu sagen: „You can take the tiger out of the jungle, but you can’t take the jungle out of the Tiger.” Dabei geht es wie immer in Guy Ritchies Gauner-Klamotten zu wie bei den Hunden, die sich die Eier lecken, einfach weil sie‘s können.
Darin unterscheiden sich „Bube, Dame, König, Gras“, „Snatch“, „Rockarolla“, „King Arthur“ und „The Gentlemen“ absolut nicht.

Was sich ändert ist das filmische Feintuning. Die infantile Freude an abstrusen, scheinbar zufälligen Verwicklungen, non-linearem erzählen und eigenwilligen Milieu-Settings ist Guy Ritchie über die Jahre geblieben. Auch die immer großartigen Darsteller-Ensembles machen einen großen Reiz bei der cineastischen Gaudi aus. Ein Hauch von stilisierter Gewalt gehört ebenso dazu, wie flotte Einzeiler und coole Typen, die dann auch mal nicht so hart rüberkommen.

Quasi essentiell wichtig sind bei so einer Art von Gaunerkomödie, die nicht unbedingt ein Heist-Movie, also nicht um einen gewissen Coup herum angelegt ist, das Tempo und das Timing, auch und gerade wann den Zuschauern welche Infos zugänglich gemacht werden. Und im rechten Moment braucht es dann auch mal einen Kontrapunkt. Kaum jemand unter den zeitgenössischen Regisseuren beherrscht dieses Timing so perfekt wie Guy Ritchie. Vielleicht noch Luc Besson, aber das würde jetzt zu weit führen.

Zum großen Charme von Guy Ritchies Gaunerstücken, zu denen man eigentlich auch die beiden „Sherlock Holmes“ Abenteuer rechnen könnte, gehört auch, Stars gegen ihre vermeintlichen Rollenklischees zu besetzten. Ist man von Matthew McConaughey inzwischen zwielichtige Rollen gewohnt, so kommt Hugh Grant („Notting Hill“, „Bridget Jones“) als schmieriger Journalist recht erfrischend ins Bild geschlendert.

„The Gentlemen“ setzt die großartige Reihe kriminell unterhaltsamer Gaunerstücke fort, mit der Regisseur Guy Ritchie schon seit seiner „Lock Stock and Two Smoking Barrels“ zu begeistern wusste. Der Rest ist ein perfekt choreografiertes Gaunerstück. Gereift wie ein alter Single Malt.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

The Gentlemen
OT: The Gentlemen
Genre: Action, Krimi, Komödie
Länge: 113 Minuten, USA, 2019
Regisseur: Guy Ritchie
Darsteller: Matthew McConaughey, Michelle Dockery, Eddie Marsan Hugh Grant, Colin Farrell, Charlie Hunnam,
FSK: Ab 16 Jahren
Vertrieb: Concorde Home Entertainment
Kinostart: 27.02.2020
DVD- & BD-VÖ: 09.07.2020