Perfect Life Staffel 1: Vorsicht mit Wünschen!

In der spanischen TV-Serie „Perfect Life“ läuft die Lebensplanung für die drei Frauen aus Barcelona alles andere als optimal. Mit zunehmendem Alter verschieben sich die Perspektiven und Wünsche und vielleicht lassen sich auch nicht mehr alle Ziele erreichen. „Perfect Life“ ist zwar ein Serien-Format, das aus Frauensicht erzählt, aber unterhaltsam und sehenswert ist das auch für Männer allemal. So glamourös wie bei „Sex And The City“ geht‘s hier nicht zu, aber lebendiger und weniger spießig. Justbridge Entertainment hat die spanische Serie nur für das Home-Entertaiment veröffentlicht.

…und das war auch notwendig, hatte sich der TV-Sender Vox doch im November 2019 entschieden, die Serie nach der Ausstrahlung der ersten Doppelfolge umgehend wieder abzusetzen, weil die Quoten nicht stimmten. Vor allem bei der avisierten jungen Zielgruppe stieß die ausgezeichnete spanische Serie nicht auf Gegenliebe.

Schon nachdem Zuschauer:innen sich den Klappentext der DVD-Box durchgelesen haben, wird klar, warum die Zielgruppe nicht guckt: Es geht um drei Frauen, die ihren 30. Geburtstag hinter sich haben. Warum soll junge Leute das interessieren? Die Geschichte von „Perfect Life“ ist also eine Geschichte der Missverständnisse. Dabei hat die Serie ihren ganz eigenen Charme und ziemlich munteren Unterhaltungswert. Vielleicht hätte man die Serie anders platzieren und ankündigen sollen?

Bereits in Spanien sorgte „Perfect Life“ für Rummel, als bekannt wurde, dass eine Schauspielerin ausgetauscht wurde, weil sie schwanger war. Konservative meinten dem vermeintlich feministischen Tv-Format damit an den Karren fahren zu können. Wurde dann aber doch nichts: Die Schwangere wurde pragmatisch wegen der anstehenden Nacktszenen des Charakters ersetzt. Ihr wurde eine andere Rolle angeboten, die sie aber ablehnte. Soviel dazu.

Die erste Szene ist quasi ein Prolog und damit auch wegweisend für den Ton, den das spaniche TV-Format anschlägt. Ein junges Mädchen spielt mit seinem Puppenhaus und hat dabei ganz genaue Vorstellungen wann es verheiratet sein will, welche Qualitäten der Bräutigam haben soll, wie viele Kinder die Ehe hervorbringt und wie diese heißen. Jahre gehen ins Land und Maria (Leticia Doleira ) sitzt mit ihrem Freund Gustavo (David Verdaguer) beim Anwalt, um den Kaufvertrag für eine Eigentumswohnung zu unterschreiben. Doch plötzlich kneift der, weil Maria so pingelig und unflexibel sei.

Kurzerhand quartiert sich Maria bei ihrer großen Schwester Esther (Aixa Villagrán) ein, probiert ein bisschen Ecstasy. Dann gehen die beiden beschwingt zum Kindergeburtstag bei ihrer Freundin Cristina (Celia Freijeiro). Ganz spontan lässt sich Maria mit dem Gärtner Gari (Enric Auquer) ein, der sie prompt schwängert. Allerdings hat Gari eine geistige Behinderung und nun fangen die Probleme für Maria erst richtig an.

Sie ist zwar endlich schwanger, weiß aber nicht, ob das Kind gesund wird, und einen Partner hat sie auch nicht. Die Zahnärztin hatte sich das alles anders vorgestellt. So wie auch ihre Schwester Esther, die lesbische Künstlerin hat einen Hang zur Depression, wird immer noch finanziell von ihren Eltern unterstützt und hat mit Social Media so ihre Probleme, obwohl man als Künstler heute doch omnipräsent sein muss.

Cristina wiederum, hat zwar schon zwei Töchter, aber ihr Gatte will unbedingt och ein weiteres Kind, einen Sohn selbstredend. Weil die Anwältin auf der ganzen Familienarbeit sitzen bleibt, happert es gelegentlich im Job. Außerdem fühlt sie sich von ihrem Mann als Frau nicht mehr wahrgenommen, und spielt mit dem Gedanken an einen Seitensprung.

Hauptdarstellerin Leticia Doleira hatte auch die Idee zu dieser Serie, erarbeitete die Drehbücher mit Autor Manuel Burque und führte auch bei der Hälfte der Episoden selbst Regie. Die Mehrfachbelastung gelingt ganz wunderbar und mit den drei Frauentypen hat das Ensemble einen Großteil (nicht nur) weiblicher Probleme und Träume in einer bestimmten Lebensphase thematisch abgesteckt. Sicher könnten Zuschauer:innen meinen, die Figuren seine etwas plakativ, aber zur dramaturgischen Verdichtung und komödiantischen Überhöhung gehört auch ein gerüttelt Maß an Stereotypen, um sich daran zu reiben.

Untermalt wird das Seriengeschehen von einem durchaus fein zusammengestellten Soundtrack moderner spanischer Popmusik. Wer wie ich auch mit den Ohren sieht, wird merken, dass hier kongenial und empathisch genau das Lebensgefühl der Serie transportiert wird, die schon sehr modern und progressiv rüberkommt.

Mit der kurzen Episoden-Spieldauer von jeweils nur 22 Minuten landet „Perfect Life“ ganz automatisch in dem Sektor, in dem isch auch amerikanische Comedy-Serien tummeln, will aber etwas ganz anderes. In der katalonischen Serie geht es schon recht direkt zur Sache und gelegentlich ist es auch kaum lustig, was hier abgeht, aber es ist unterhaltsam, spannend und ungewöhnlich, sofern man/frau sich denn für diese Lebensphase jenseits der 30. Interessiert.

Dieses Alter scheint (nicht nur für Frauen) eine Phase des Übergangs zu sein. Das nimmt sich zwar wie eine Floskel aus, da genaugenommen das gesamte Leben eine Art Übergang und Bewegung ist und selten in einem Status verweilt. Mental und auch körperlich allerdings sind in dieser Zeit Prozess am Laufen, die vorher noch nicht da waren.

Wissenschaftler:innen behaupten, der Körper würde ab 27 Jahren wieder langsam abbauen, das macht sich auch im Hang zur Zwischenbilanz bemerkbar. Noch ist frau nicht alt, kann noch unterschiedliche Lebensentwürfe ansteuern, sich zwischen Karriere und Familie, zwischen Beziehung und Hedonismus, zwischen Tradition und Moderne entscheiden, aber erste Anzeichen werden bemerkbar, dass da eine Frist abläuft, dass da wegweisende Entscheidungen anstehen, die das eigene Leben lange prägen, dass die biologische Uhr tickt.

All das greift „Perfect Life“ charmant, unprätentiös und tragikomisch auf, ohne dabei verkopft oder eingefahren zu sein. Mit viel Liebe für die Unzulänglichkeiten und Sorgen der Figuren zeigt die spanische Serie schlicht und schön wie das Leben so spielen kann. Das ist allemal ein Binge-Watching wert. Gegen eine Fortsetzung wäre auch nichts einzuwenden.

Serien-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Perfect Life Staffel 1
OT: Vida Perfecta
Genre: TV-Serie, Drama, Comedy
Länge: 176 Minuten (8 x 22 Minuten), E, 2019
Idee: Leticia Doleira
Regie: Leticia Doleira, Gilesta Guindal, Elena Martín
Darsteller: Leticia Dolera, Celia Freijeiro, Aixa Villagrán
FSK. Ab 12 Jahren
Vertrieb: Just bridge Entertainment
DVD-VÖ: 29.05.2020

Perfect Life bei Justbridge Entertainment