Ist ja gerade noch nix mit Ballsport. Ich hab da mal eine alte Doku rausgekramt, die sich mit dem Stadion-Neubau bei Allemania Aachen beschäftigt. Das ist ebenso Stadtplanung wie Sportgeschehen und kam 2013 zur Sichtung. Es gab Zeiten, da schien der Neubau des Stadions für den Fußballclub Alemannia Aachen eine gute Investition zu sein. Die Stadt hat kräftig mitgeplant, obwohl die neue Spielstätte in einem Natuschutzgebiet liegt. Vom Bürgerprotest gegen das Großprojekt erzählt die Doku mit viel Lokalkolorit, kaum Ballsport und ein bisschen Realsatire.
In Deutschland gibt es inzwischen kaum ein großes Bauvorhaben, bei dem nicht Anwohner und besorgte Bürger eine Initiative starten, um das Vorhaben zu verhindern. Dabei sind gar nicht immer hehre Ziele erforderlich. Blankeneser Bürgern reichte es als Grund, gegen den Hafenausbau auf der gegenüberliegenden Seite zu sein, weil der Lärm herüberwehen und außerdem die Aussicht verschandeln würde. Ole von Beust, seinerzeit Bürgermeister Hamburgs, trieb das zur Weißglut.
In Aachen lagen die Dinge anders, auch wenn die Realität die Hoffnungen inzwischen überholt hat, und die Alemannia Insolvenz anmelden musste, wahrscheinlich gerade wegen des neuen Stadions, das für den ausbleibenden sportlichen Erfolg dann doch zu viele Kosten verursacht. Wie auch immer.
Ursprünglich hielt es die Stadt Aachen für sinnvoll, den sportlichen Bundesliga-Aufstieg und den internationalen Wettbewerben, in denen der Kultverein vertreten war, eine angemessene Spielstätte zu bauen. Das alte Stadion, Tivoli, ist zwar Kult, aber entspricht nicht mehr den Anforderungen moderner Fußballstadien. Außerdem eine gute Gelegenheit den anderen internationalen Sport in Aachen, das Reiten direkt nebenan in einen Sportpark zu integrieren. So könnten beide Großveranstaltungen auf eine gemeinsame Infrastuktur zugreifen.
Dusselig nur, dass das angepeilte Gelände in der Aachener Soers liegt, einem Landschaftsschutzgebiet und sich Anwohner und Aachener Bürger gefunden haben, das Anliegen des Naturschutzes zu verteidigen. Über den Planungszeitraum begleiten die beiden Regisseure Miriam Pucitta und Michael Chauvisté die Bürgerproteste. Zu den Naturschützern gesellen sich auch bald die Kleingärtner, die von ihrem Gelände in der Soers umgesiedelt werden sollen.
Die beiden Regisseure sind in ihrer sympathischen Dokumentation nah bei den Menschen und während die Senioren bei der Erarbeitung des Protestsongs gefilmt werden, herrscht in der Stadt selbst, auch bei den Protestlern, eigentlich eine große Verbundenheit mit dem traditionellen Fußballclub. Man gönnt es dem Verein ja schon, aber gleichfalls hält man das Projekt für unsinnig und am falschen Standort geplant.
Unaufgeregt und bisweilen mit ein wenig Selbstironie agieren die Protestler und die Kleingärtner in ihrem Bemühen um die Erhaltung des Bekannten. Doch dem Oberbürgermeister selbst ist das Unternehmen eine Herzensangelegenheit. Viel bleibt vom Protest nicht über, aber auch die Planungen werden nicht wie ursprünglich umgesetzt. Am Ende wird das Stadion gebaut, das Landschaftsschutzgebiet geschont und die umgesiedelten Kleingärtner wachsen in der neuen Kolonie auch langsam an.
Als Bonusmaterial gibt es einige Szenen, die im Film nur angedeutet sind, in ganzer Länge und vor allem ein nachträgliches Update zur Insolvenz des Fußballclubs Alemannia Aachen, die das ganze Unternehmen in ein völlig anderes Licht rückt. Die Doku kam im Sommer ‚12 ins Kino. Nun steht er da, der neue Tivoli und wartet darauf, angemessen bespielt zu werden.
Im Grunde ist „Friede, Freude, Eierkuchen“ eine typische aber in Zeiten von baulichen Prestigeobjekten und Planungskatastrophen hochaktuelle Doku über einen Bürgerprotest gegen ein Großbauprojekt, die aber vom Lokalkolorit getragen wird. Mit Fußball hat das weniger zu tun und dürfte vor allem für Aachener interessant sein.
Film-Wertung: (6 / 10)
Friede, Freude, Eierkuchen
Genre: Dokumentarfilm
Länge: 87 Minuten, D, 2012
Regie: Michael Chauvistré, Miriam Pucitta
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Realfiction / Good Movies
Kinostart: 20.04.2012
DVD-VÖ: 25.01.2013