Zum Auftakt meiner Kolumen, die ich aus der Tiefkühle auftaue, gibt es einen Beitrag, der sich mit dem eigenen Tun beschäftigt. Was soll eigentlich Kritik? Und warum mache ich meine so wie ich sie mache? Der Text hat schon ein paar Tage auf dem Buckel, die grundsätzlichen Gedanken sind aber nicht falscher geworden. Also, viel Spaß beim Lesen.
Ich plauder’ jetzt mal aus dem Nähkästchen einer Redakteuse: Ein Einblick in das tägliche Geschäft und die Beweggründe, etwas so zu tun, wie es sein sollte, nicht wie es am meisten Spaß macht. Das Thema sind Besprechungen, Rezensionen, Kritiken und der Grund warum es hier so wenig Verisse gibt, obwohl ich daran Vergnügen fände.
Der Aufrag: Information
Sobald es etwas Neues auf dem Kultursektor zu berichten gibt, setzen wir, die so genannten und selbst ernannten Kritiker, uns hin und beschäftigen uns damit. Dann muss einem interessierten Publikum vermittelt werden, worum es geht, damit dieses aufgrund der Informationen selbst entscheiden kann, ob es einen Kulturträger- wahlweise Film- als interessant, also sehenswert, einstuft oder nicht. Das ist recht sachlich betrachtet, folgt aber dem zugrunde liegenden Informationsauftrag.
Jetzt wäre es ein Leichtes, Werke, die ich nicht schätze oder mit denen ich schlicht nichts anfangen kann, in der Luft zu zerreißen: Sagt mir nix, ist auch nix! Das macht Freude, reagiert ab, führt in sprachliche Abgründe, weckt die schadenfreudigen Herzen der Leser – ist aber nicht zielführend.
Die Hürde: Geschmack
Wenn ich meine Zeit schon einem Projekt widme, sollte ich als Kritiker auch die nötige Distanz wahren, den Gegenstand der Betrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln zu beurteilen. Was haben die kreativen Leute sich gedacht? Wer ist Zielgruppe? Was erwartet diese und was bekommt sie? All das geht nicht, wenn ich auf dem Standpunkt beharre: “Sagt mir nix!” Also ist “Alienvision” angesagt.
Der Begriff stammt aus der Filmwelt und bezeichnet das Übernehmen einer personifizierten Kameraperspektive wahlweise mit abweichender visueller Ausrichtung. So zuerst in “Wolfen” (1981) verwendet: Die Kamerafahrten aus Sicht der Wölfe wurden mit Wärmebildkameras und Steadicams gedreht.
Fast immer hatte jemand eine ganz gute Idee, Schauspieler und andere Mitwirkende haben sich darauf eingelassen und ihr könnt sicher sein, es findet sich auch bestimmt jemandem, dem es gefällt. Diese Perspektiven versuche ich / versuchen wir mit zu berücksichtigen. Daher sind die Besprechungen auch eher wohlwollend; der Anteil an Verrissen ist minimal.
Die Lösung: Empathie
Dazu ist mir auch die Zeit zu schade. Schließlich wollen wir ja anregen, nicht abstoßen. Die “Kauf”-Entscheidung liegt letztlich beim Konsumenten. Selbstverständlich ist es wichtig, eine Meinung zu haben und Bedenken und Vorbehalte auch zu äußern, das gehört zur Informationspflicht dazu.
Am Ende bleibt die alte Weisheit: Wenn etwas durchdringend fäkal riecht und auch aussieht wie ein Haufen, wird es sich wohl nicht um Schokolade handeln. Aber das sagen wir dann auch.
Viel Spaß im Kino. (Wenn es denn wieder aufmacht).
Bis dahin: #BleibtGesund aka #StayHome aka #WirBleibenzuhause
[ursprünglich veröffentlicht auf Cinetrend.,de als Ansichten am Donnerstag, 28.08.2008]