Matangi/Maya/M.I.A.: Frei geboren

Die Rapperin und Künstlerin Mathangi „Maya“ Arulpragasam besser bekannt als „M.I.A.“ ist eine der schillerndsten Musikerinnen unserer Tage für musikalische Abenteuer ebenso bekannt wie für ihre provokante Art. Dem amerikanischen Sportfan ist ihr Mittelfinger-Auftritt beim Superbowl 2012 wahrscheinlich präsenter als die viele kontroversen Musikvideos, die immer wieder politische Missstände anprangern. Die sehenswerte Doku „Matangi/Maya/M.I.A.” zeigt ein eindrucksvolles und dynamisches Bild der Künstlerin. Nun ist der Film von Steve Loveridge bei Rapid Eye Movies auch für den Hausgebrauch erschienen. „Matangi/Maya/M.I.A.” ist weit mehr als nur eine Musikdoku.

Mathangi „Maya“ Arulpragasam ist immer für einen knackigen Spruch gut. Gleich zu Beginn der Doku fragt Regisseur und Studienfreund die Musikerin, warum sie nicht einfach ein pflegeleichter Popstar sein kann? Maya antwortet darauf, dass sie dann wohl drogensüchtig werden würde, wenn sie sich auf das produzieren von Hits verlegen würde. Die eigenen Anliegen dürfe man nicht verleugnen.

Der britischen Künstlerin sieht sich selbst als Tamilin. Ihre Eltern stammen von Sri Lanka, wo Maya nach ihrer Geburt in London auch zehn Jahre lang aufgewachsen ist, bevor die Familie als Flüchtlinge und ohne den Vater wieder nach London gezogen ist. Mayas Vater war Mitbegründer der tamilischen Rebellen, kämpfte aktiv gegen die Regierung von Sri Lanka und galt als Terrorist. Im Lauf des Bürgerkriegs auf Sri Lanka kam es wiederholt zu Pogromen gerade gegen die tamilische Bevölkerung.

Der Film von Steve Loveridge legt gerade anfangs viel Wert darauf, die Herkunft und Identität der Künstlerin zu ergründen, die ursprünglich an der Kunsthochschule studierte, um Dokumentarfilmerin zu werden. „M.I.A.“ (Steht für Missing in Action also „Im Gefecht vermisst“) begann ihre musikalische Karriere erst relativ spät, ihr Debutalbum „Arula“ erschien 2005, als die Künstlerin dreißig wurde. Ihr Ansatz Hip-Hop mit Dance-, Ethno- und Bollywood-Sounds anzureichern, gab dem Genre durch aus neue Impulse, gleichwohl ließ der Durchbruch noch auf sich warten, aber das kann jeder selbst nachlesen oder anschauen.

Wichtig ist, dass Maya ihre Ruhm und Erfolg, ihre mediale Präsenz auch immer genutzt hat, um für ihre humanitären und politischen Anliegen öffentlich zu machen und gerade die Menschenrechtsverletzungen auf Sri Langa anzuprangern. Man mag von dem Engagement und der Art der Publicity halten, was man will und kann Mayas Haltungen und Auftreten kontrovers diskutieren, aber es ist durchaus legitim, sich auch einzumischen. In Mayas Fall schlägt das Pendel mal mehr in Richtung Punk-Attitüde mal mehr in Bonos Gutmenschen-Engagement aus.

Dabei zeigt der Film auch ganz wunderbar, wie Massenmedien funktionieren, wie sich Leute und Actionen skandalisieren lässt und welche Mechanismen es Medienkonzernen erlauben, einzelne Künstler quasi mundtot zu machen. An einer Stelle der Doku nach einem Eklat telefoniert sie mit einer potentiellen Managerin und fragt wie sie überhaupt noch Radio-Airplay bekommen kann.

Bigott wirken die Medien nicht nur aus Mayas Sicht, wenn sie das Engagement der Künstlerin diskreditieren, wenn als Maya nach dem Superbowl-Auftritt in den USA zur Persona non grata degradiert wurde und daraufhin ihr Leben wieder nach London verlagerte. Bigott auch, wenn eine Kopfschuss-Sequenz in einem Musikvideo mehr Entsetzen hervorruft, als ein tatsächliches Hinrichtungsvideo. Zweischneidig wirkt an dieser Stelle aber auch die Künstlerin, die die Medien anklagt, selbst aber um die unterschiedliche Wirkung von realem Nachrichten-Material und inszeniertem Kunst-Film wissen muss. Die Provokation im Video ist definitiv beabsichtigt und spielt auch mit den Klischees im Hip-Hop. Allmacht und Gewalt an sich sind im Gangsta-Rap ja immer noch schlaffe, altbackene Klischees.

Bei der Film-Premiere auf dem Sundance Filmfestival soll Maya den Film ihres Studienfreundes Steve Loveridge das erste Mal gesehen haben. Zuvor hatte sich Loveridge wohl vier Jahre in seinem Kämmerlein verkrochen, um das umfangreiche Material, das zum Teil auch aus Home-Videos der Künstlerin besteht, zu sichten, editieren und zusammenzustellen. Er habe keine Musik-Doku drehen wollen.

Maya sagte daraufhin, obwohl der Film biografisch sein, Bilde er nur einen Teil ihres Wesens ab, sie selbst könne etliche weitere Dokus drehen, ohne große Überschneidungen mit dem Material von Lovegridges „Matangi/Maya/M.I.A.“. Als geneigter und beeindruckter Zuschauer will ich das einfach mal so stehen lassen. „Live fast, die young, bad Girls do it well“.

„Matangi/Maya/M.I.A.“ ist das dokumentarische Portrait einer ebenso starken wie eigenwilligen Künstlerin und Frau. Das ist weit mehr als eine Musik-Doku und einer der kraftvollsten Kinostarts des vergangenen Jahres. Nicht nur für Fans eine Inspiration.

Film-Wertung: 9 out of 10 stars (9 / 10)

Matangi/Maya/M.I.A.
OT: Matangi/Maya/M.I.A.
Genre: Doku, Musik, Biografie,
Länge: 93 Minuten, 21 Min Bonus, UK, 2018, OmU
Regie: Steve Loveridge
Musik M.I.A.
Mitwirkende: Maya Arulpragasam aka.M.I.A., Diplo, Bill Maher, Nicki Minaj, Madonna
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Rapid Eye Movies
Kinostart: 22.11.2018
DVD-VÖ: 29.03.2019

offizielle Film-Website

offiziele M.I.A.-Website

DVD-Extras
• Bisher ungesehene Aufnahmen von M.I.A.’s allererstem Live Auftritt
• Das Originalvideo von #MIAinSA mit Performance und Gesprächen nach der Vorführung in Johannesburg
• Behind-the-scenes von M.I.A.’s „Sunshowers“
• Deutscher Kinotrailer
Postkarten-Set