In den letzten Monaten waren einige unterhaltsame Musikfilme in den Kinos zu sehen. Allen voran das Queen-Biopic „Bohemian Rhapsody“. Und auch Heavy Metal Fans bekommen dieser Tage mit „Lords of Chaos“ und der finnischen Komödie „Heavy Trip“ einiges geboten. „Heavy Trip“ sorgte beim Fantasy Filmfest für derartig gute Laune, dass sich der Vertrieb Ascot Elite dazu durchrang, den Film Anfang des Jahres regulär in die Kinos zu bringen. Nun erscheint „Heavy Trip“ auf DVD und Blu-ray für das Home-Entertainment. Wer nicht auf Growls und Grunts steht, kommt dennoch auf seine Kosten.
Was soll man in einem verschlafenen finnischen Provinzkaff schon anderes machen, als mit Freunden zu musizieren. Im beschaulichen Taivalkoski gelten die vier Sandkastenkumpel Turo (Johannes Holopainen), Lotvonen (Samuli Jaskio), Jynkky (Antti Heikkinen) und Pasi (Max Ovaska) als verschrobene Homosexuelle, denn sie stehen auf Heavy Metal. Die Mitzwanziger haben seit 12 Jahren eine Band, die Heavy Metal Cover-Versionen spielt. Proben finden im Keller des Gitarristen statt, dessen Vater eine Rentierschlachterei hat, Sänger Turo ist Krankenpfleger und eigentlich eher schüchtern.
Kein Wunder, dass er bei seiner ehemaligen Mitschülerin Miia (Minka Kuustonen), die die Tochter des Dorfpolizisten ist, nicht landen kann. Auch die musikalische Karriere der Jungs kommt nicht so recht vom Fleck. Für einen Auftritt bräuchte man nach Meinung aller Bandmitglieder eigene Songs. Das aber scheitert an dem wahnwitzigen Gedächtnis des Bassisten. Der verwaltet als Bibliothekshelfer nicht nur die größte Heavy Metal Sammlung Finnlands. Sondern kann bei den Proben auch alle Songideen gleich zuordnen und damit abbügeln.
Endlich eigene Heavy Metal Songs schreiben
Dann endlich kommen die Jungs auf eine Idee zu einem eigenen Song. Und sie drücken Frank, dem Veranstalter eines norwegischen Heavy Metal Festivals, der zufällig in der Gegend ist, das Demo in die Hand. Diese Begegnung ändert alles für die vier Kumpel. Deren Band nun Impaled Rectum heißt und „Symphonic Post-Apocalyptic Reindeer-Grinding Christ-Abusing Extreme War Pagan Fennoscandian Metal“ spielt. Die Band wird zur lokalen Berühmtheit und demnächst geht es los, um auf dem Festival im Nachbarland zu spielen. Zuvor muss die Band aber noch ein paar Hürden nehmen.
Die Vorliebe der Finnen für hartmetallische Sounds ist ebenso legendär und beinahe klischeehaft wie jene zum finnischen Tango. Für die Regisseure Juuso Laatio und Jukka Vidgren jedenfalls eine willkommene Steilvorlage für eine solide musikalische Komödie. Selbstverständlich muss der Film erst einmal die Situation der Band darstellen, bevor es endlich auf die Straße geht. Filmisch ist „Heavy Trip“ irgendwo zwischen der genialen Mockumentary “This is Spinal Tap” (1984) und dem schwedischen Comig- of Age Drama „Raus aus Amal“ („Fucking Amal“, 1998) angesiedelt ohne allerdings auch nur annähernd deren Klasse zu erreichten. Einige Filmzitate werden dem Zuschauer durchaus bekannt vorkommen (z.B. „Fargo“, „Four Lions“).
Die finnische Provinzposse verläuft weitgehend erwartungsgemäß. Die Jugendfreunde trauen sich nicht hinaus in die Welt, sind schüchtern und haben starke Neigung zum Nerdtum. Der Alltag von Juuso Laatio, Jukka Vidgren ist öde, Möglichkeiten zum Eskapismus sind selten und Alkohol ist teuer. Zudem gibt es noch den lokalen Schlagerstar und die Halbstarken des Ortes, die keine Gelegenheit auslassen, die Metalhead zu verarschen.
Impaled Rectum auf dem Weg zum Festival
So weit, so bekannt und auch ein bisschen verstockt inszeniert. Das mag zum Konzept gehören, da auch Turo als Hauptfigur arg steif rüberkommt, aber filmische Dynamik geht anders. Das die Filmemacher auch turbulente Action inszenieren können, zeigt sich etwa nach der Hälfte des Films. Dann, als es endlich nach Norwegen zum Festival geht. Auch auf dem Road-Trip ist nicht jeder Einfall sonderlich originell, aber das Tempo zieht mächtig an und die Band hebt ab. Wer als Zuschauer bis hierhin dran geblieben ist, wird mit eine wunderbar abgedrehten Flucht zum Festival belohnt. Die ist mehr als nur unterhaltsam.
In musikalischer Hinsicht wissen die finnischen Filmemacher, worauf sie sich einlassen. Und etliche Gags und Jokes beziehen sich auf die Legenden und die Folklore der Heavy Metal Szene. Egal, ob Sarg auf der Bühne oder Busunfall, in musikalischer Beziehung und auch im Bereich des Extreme Metal bewegt sich „Heavy Trip“ sehr stilsicher. Allerdings fehlt es gerade zu Beginn der Komödie etwas an Power. Im direkten Vergleich zu der französischen Musik-Komödie „Happy Metal“, die 2014 veröffentlicht wurde, haben die Franzosen die Nase ein wenig vorne. Weil ich gerade dabei bin, kann ich an dieser Stelle nur die grandiose finnische Graphic Novel „Perkeros“ empfehlen. Die handelt ebenfalls von einer Heavy Metal Band, und ist vor ein paar Jahren auf Deutsch herausgekommen ist.
Das finnische Heavy Metal Road-Movie “Heavy Trip” braucht ein bisschen bis er in die Gänge kommt. Die Betulichkeit der finnischen Provinz weicht erst langsam der wilden Roheit des „Symphonic Post-Apocalyptic Reindeer-Grinding Christ-Abusing Extreme War Pagan Fennoscandian Metal“. Immerhin konnten Impaled Rectum ein positiven Eindruck hinterlassen.
Heavy Trip
OT: Hevi reissu
Länge: 91 Minuten, FIN, 2017
Genre: Komödie, Musik,
Regie: Juuso Laatio, Jukka Vidgren.
Darsteller: Johannes Holopainen, Samuli Jaskio, Antti Heikkinen, Max Ovaska, Minka Kuustonen.
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Ascot Elite
Kinostart: 10.01.2019
DVD_& BD-VÖ: 01.03.2019




