Das Ende ist erst der Anfang: On the Road to Nowhere

Es gibt so Filme, die stürzen mich als Kritiker in einen kleine Zwiespalt: bin ich Fan, oder bin ich professioneller Betrachter. Bouli Lanners neues Regiewerk „Das Ende ist  erst der Anfang“ ist so ein Fall. Eigentlich passiert in den kauzigen belgischen Roadmovie schlicht zu wenig, aber der Film drückt zumindest bei mir auf die richtigen Trigger, um den Film zu mögen. Da fällt mir dann eine Zeile aus einem Gedicht von Richard Brautigan ein: „Wir wissen schon, was wir mögen.“ Nun aber: Letzte Ausfahrt  Belgien.

Die beiden in die Jahre gekommenen Rocker Cochise (Albert Dupontel) und Gilou (Bouli Lanners) sollen einem Geschäftsmann sein Mobiltelefon wiederbeschaffen. Also machen sich die beiden widerwillig in ihrem Pick-Up auf den Weg. Das Handy befindet sich in Besitz von Willy (David Murgia), der zusammen mit Esther (Aurore Brutin) ausgerissen ist und sich nun durch eine unwirkliche öde Landschaft schlägt. Unterwegs treffen sie auf einen Landstreicher, der sich Jesus nennt.

Als Willy in eine Lagerhalle einbricht, um ein Geschenk für Esthers Tochter zu besorgen, wird er überrascht und hat nun eine ganze Horde zwielichtiger Dorfgestalten an den Fersen. Mit denen machen auch Cochise und Gilou auf ihrer Suche Bekanntschaft, allerdings muss der Handy-Auftrag erst einmal warten, als Gilou plötzlich zusammenklappt und erst einmal ins Krankenhaus verfrachtet werden muss.  Jetzt heißt es abwarten.

Der nicht nur in seiner Heimat beliebte Schauspieler Bouli Lanners hat sich einmal mehr hinter die Kamera gewagt und beobachtet ein skurriles Sammelsurium aus Charakteren. „Das Ende ist erst der Anfang“ ist mittlerweile sein vierter Spielfilm als Autorenfilmer. Inspiriert wurde die Story durch die absurd in der Landschaft stehende Betonrampe, auf der Ester und Willy zu Beginn des Filmes zu Fuß unterwegs sind. Lanners hatte die ehemalige Eisenbahntrasse eines Nachts im Zug gesehen und später daraus seine Story über die Menschen am Rande der Gesellschaft entwickelt.

Stilistisch ist „Das Ende ist erst der Anfang“ eine Art Post-Western, bei dem es kaum ins Gewicht fällt, dass hier keine Cowboys auf ihren Pferden durch die Prärie reiten, sondern alte Rocker mit einem Auto durch die belgische Provinz zuckeln. Das Personal ist ebenso kauzig wie großartig besetzt (in Nebenrollen sind Max von Sydow und Michael Lonsdale zu sehen), die Story ebenso schlicht wie filmgeschichtlich anspielungsreich und die epischen, weiten Landschaften sind lakonisch und mit grau verhangenem Himmel gefilmt, der einen darauf warten lässt, dass endlich einmal die Sonne durchbricht.

Ich mag das alles sehr. Vor allem, wenn es von einem gelungenen Indie-Rock-Soundtrack untermalt wird. Und man sollte Filmmacher Bouli Lanners („Eldorado“) zutrauen, dass er seine filmischen Referenzen an „Natural Born Killers“, „Reservoir Dogs“ und „Dead Man“ bewusst eingebaut hat, um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen. Allein, so richtig großartig ist die Story von den beiden Rockern trotz einiger sehr schöner und überraschender Wendungen dann doch nicht geworden. Zu oft verliert sich die Kamera in der Weite, zu selten bricht trockener, zynischer Humor die trostlose Stimmung und das eher gemächliche Erzähltempo.

Dabei ist „Das Ende ist erst der Anfang“ mit ein paar wirklich außergewöhnliche Gestalten unterwegs. Allen voran das geistig etwas beeinträchtigte junge Paar Esther und Willy, bei dem man sich erst noch fragt, was  die da überhaupt treiben. Erst nach und nach offenbart sich deren infantilem, romantische Unschuld. Von Unschuld sind Cochise und Gilou ganz schön weite weg. Die beiden Rocker leiden eher an Burn-Out und haben eigentlich überhaupt keinen Bock mehr für irgendwelche Heinis die Kohlen aus dem Feuer zu holen.   Man wird eben älter und die Frage, ob da nach diesem Leben noch etwas kommt, schimmert am Horizont schon mal durch.

Mit seinem jüngsten Regiewerk ist dem belgischen Star Bouli Lanners ein bedächtiges, skurriles Road Movie gelungen, das nicht so genial ausgefallen ist wie „Eldorado“ und einige Längen zu überwinden hat. Wer auf diese Art von lakonischen Reiseunternehmungen steht, wird Gefallen an dem Film finden.

Film-Wertung:6 out of 10 stars (6 / 10)

Das Ende ist erst der Anfang
OT: Les premieres les dernieres
Genre: Road-Movie, Komödie,
Länge: 138 Minuten, B, 2016
Regie: Bouli Lanners
Darsteller: Albert Dupontel, Suzanne Clément, Aurore Brutin , David Murgia, Bouli Lanners
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: NFP
Kinostart: 11.05.2017