Für Freunde von Musikfilmen war 2016 ein ziemlich gutes Jahr; auch wenn die absoluten irgendwie Highlights fehlten. Nicht nur, dass im Kino rund 25 Filme mit musikalischem Thema angelaufen sind, auch waren die fiktionalen Beiträge recht gelungen und die unter den Musikdokus gab es einige wirklich spannende. Und das schließt noch nicht einmal die DVD-Premieren im Home Entertaiment Sektor mit ein.
Wer sich des öfteren auf diesen Seiten tummelt, weiß, dass der Musikfilm zu meinen Steckenpferden gehört und die Kategorisierung, was nun ein Musikfilm ist und was nicht, ist gerade im fiktionalen Bereich extrem willkürlich. Während es bei „Ein Lied für Nour“ recht nachvollziehbar ist, warum die wahre Geschichte eines Casting-Show-Teilnehmers zu dem Musikfilmen zählt, ist da bei anderen Filmen nicht ganz so augenscheinlich. Das sehenswerte Drama „Elvis & Nixon“ beispielsweise ist keine Musikfilm, weil es darin nicht um Elvis‘ Musik geht, Während das deutsche Jugenddrama „Rockabilly Requiem“ sehr wohl ein Musikfilm ist, denn abgesehen davon, dass die drei Teenies zusammen in einer Band spielen, sind die Sounds in dem Film essentiell, aber dazu später mehr.
Was ist ein Musikfilm?
Auch im TV gab es einige sehenswerte neue Musikfilme, vornehmlich Dokus. An dieser Stelle muss ich den Sender Arte höchst lobend erwähnen, der nicht nur während des von Iggy Pop moderierten „Summer of Scandal“ einige schone Dokus und einen sehenswerten Live-Mitschnitt von Iggy Pops „Post Pop Depression“ ausgestrahlt hat, sondern auch und gerade die Redaktion des „Tracks“-Magazins, die immer wieder kleine, auch ältere Perlen des Musikfilms ausgräbt und regelmäßig präsentiert. Da lohnt es sich am Ball zu bleiben, wenn man musikalisch nicht zu sehr in einem bestimmten Genre verhaftet ist.
Ich habe 2016 rund 30 neue Musikfilme gesehen, TV jetzt nicht mitgerechnet. Für eine Top 5 eine relativ geringe ausgangsmenge, aber immerhin mehr als dem Zuschauer und gerade dem Kinogänger in den Jahren zuvor angeboten wurde. Darunter einiges, was mehr oder minder als offizielle Band-Bio durchgeht („Oasis: Supersonic“) oder wie im Fall von „The Music of Strangers“ nach Werbeverantstaltung für ein Projekt roch. Aber es gab auch eher anthologisch zusammengestelltes wie die Janis Joplin Biographie „Janis“ oder persönliche Entdeckungsreisen wie „El Viaje“. Sogar das Rolling Stones Konzert „Havana Moon“ war kurzfristig im Kino zu bestaunen (Quasi parallel zum Start der Beatlesdoku, ein Schelm, wer Böses dabei denkt).Das meiste habe ich auf diesen Seiten ausführlich vorgestellt. Daher jetzt fix zum Kernpunkt:
Top 5: Musikfilme 2016
5. Feuer bewahren – Nicht Asche anbeten
Dokumentarfilmerin Annette von Wangenheim macht seit Jahrzehnten Dokumentarfilme. Mit ihrem Portrait des Choreograph und Tänzer Martin Schläpfer ist ihr etwas gelungen, was über einen sehr lebendigen Tanzfilm hinausgeht. Der bodenständige Choreograf, den zu den bedeutendsten Tanzkünstlern der Gegenwart zählt, vermittelt in „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“ auf charmante und leidenschaftliche Weise seine künstlerische Vision. Mehr als ein Jahr lang begleitet die Filmmacherin den Ballettstar und fängt dabei auch zwei „Uraufführungen“ ein, was den Film noch interessanter macht: Das Solo-Tanzstück „Alltag“ und die Auftragskomposition „Deep Field“ von Adriana Hölszky werden in diversen Entwicklungsstadien begleitet. Kurzweilige Interviews, aufschlussreiche Blicke hinter die Kulissen und wunderbar gefilmte Tanz-Aufführungen fügen sich zu einem sehr stimmigen Film zusammen. (D, 85 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Real Fiction)
Film-Wertung: (8 / 10)
4. Sumé – The Sound of a Revolution
Ein Ausflug in Grönlands rockige Vergangenheit gelingt der Doku “ Sumé – The Sound of a Revolution“. Kaum jemand kennt die Band, die es Anfang der 1970er Jahre wagte, progressive Rocksounds mit politischen Texten zu versehen, die in grönländische gesungen wurden. Den Dänen, die Grönland quasi mitverwalten, gefiel der Soundtrack zur Unabhängigkeit nicht unbedingt, aber immerhin feierte die Band auch im Rest von Skandinavien Achtungserfolge, während man zuhause auf Grönland schon ziemlich „Rockstar“ war. Dokumentarfilmer Inuk Silis Høegh fängt das damalige Lebensgefühl ebenso ein, wie die Gegenwart der ehemaligen Musiker. Es lohnt sich für Prog-Rock-Fans durchaus mal in die alten Sumé-Scheiben reinzuhören. Hier geht‘s zur ausführlichen Filmbesprechung dieser sehr sympathische Musikdoku. (DK/N, 2014, 73 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Mindjazz)
Film-Wertung: (8 / 10)
3. The Beatles – 8 Days a Week – The Touring Years
Ich oute mich an dieser Stelle mal: Auf die Gretchenfrage des Pop „Beatles oder Stones?“, würde ich mit Hendrix antworten, wenn’s britisch bleiben müsste: The Who. Und dennoch gehören die großen beiden Bands der britischen Rock-und Pophistorie zu den (im Fall der Beatles oft nachträglich) am besten filmisch dokumentierten. Umso erstaunlicher, dass Regissseur Ron Howard („Da Vinci Code“, A Beautiful Mind“)in aller bester Martin Scorsese Manier (Dokus über Dylan, die Rolling Stones und George Harrison) noch einen Aspekt findet, der sich im Fall der Beatles zu dokumentieren lohnt und die Fans und Zuschauer auch tatsächlich zu begeistern weiß. Auch diese feine Doku habe ich ausführlich vorgestellt. (USA / GB, 2016, 99 Minuten, ab 6 Jahren, Studiocanal).
Film-Wertung: (8 / 10)
2. Frank Zappa – Eat That Question
Ausschließlich aus Archivmaterial hat Filmmacher Thorsten Schütte diese Doku über Frank Zappa zusammengestellt. Vor allem ging es dem Regisseur darum, den Künstler, der 1993 viel zu früh verstarb, selbst zu Wort kommen zu lassen. Und das gelingt ganz wunderbar und auch für hartgesottene Frank Zappa Fans sehr unterhaltsam. Eventuell fehlt unbedarfteren Zuschauern hier und da der Kontext, um die Szenen auch im Schaffen Zappas einzuordnen, aber im Grunde richtet sich „Eat that Question“ auch nicht an totale Zappa-Neulinge, sondern an Musik- und Kulturinteressierte, die zumindest den Namen verorten können. Ohne Frage ist und bleibt Frank Zappa ein wichtiger und einflussreicher zeitgenössischer Musiker und Komponist und ein nonkonformistischer Geist. Das wird einem bei dieser Doku recht schmerzlich bewusst. Hier geht’s zur ausführlichen Filmbesprechung. (D, 2016, 90 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Arsenal Filmverleih)
Film-Wertung: (8,5 / 10)
1. Dope
Der beste Musikfilm des vergangene Jahres hat mich selbst auch ein bisschen erstaunt, und das aus zwei grünen: Zum Ersten handelt es sich ausnahmsweise mal nicht um eine Doku und zum zweiten noch nicht einmal um die fiktionalisierte Biografie eines Musiker, sondern um eine pfiffige und temporeiche Comig of Age-Komödie. Aber in „Dope“ brennt Regisseur und Drehbuchautor Rick Famuyiwa ein großartiges Feuerwerk an musikalischen Bezügen und popkulturellen Referenzen ab. Zuvor machte Famuyiva vor allem mit romantischen Komödien für ein afroamerikanisches Publikum auf sich aufmerksam machte, nun schickt er einen nerdigen schwarzen Teenager in einen Drogenschlamassel. Aber der findige Malcolm (Shameik Moore), weiß sich auf dem gefährlichen Gelände der Drogengangs geschickt durch die Problemzonen zu manövrieren. Dabei lernt er die attraktive Nakia (Zoë Kravitz) kennen, sammelt gehörig Street Credibility und bringt auch seine Band nach vorne. Malcolms Trio versucht sich auch als Punk-Band und musikalischen Ausflügen jenseits des Hip-Hop. Und weil das Bandgefüge und die musikalischen Ambitionen der jungen Leute im Film ziemlich zentrale Bedeutung haben, ist „Dope“ nicht nur ein rasante, mitreißende und extrem intelligente Komödie, sondern auch der beste Musikfilm 2016. (USA, 103 Minuten, Ab 16 Jahren, Sony) Hier gehts zur deutschen Film-Website.
Film-Wertung: (9 / 10)