Inzwischen ist es zum Gemeinplatz geworden, das der Britische Sender BBC ein Garant für hochkarätige Serien ist, gerade im Bereich der Krimis und Thriller. Und dennoch gelingt es einigen Formaten immer noch herauszustechen. So wie die Miniserie „River“, um einen eigenwilligen Polizisten, der den Mörder seiner Partnerin sucht. Abi Morgans Geschichte ist nicht nur ein Schaulaufen für den großartigen Stellan Skarsgård, sondern auch eine höchst sehenswertes Spiel mit Genreklischees und Erzählstrukturen. Polyband hat die Serie nun auf Deutsch veröffentlicht.
Es sieht aus wie öder Polizistenalltag: John River (Stellan Skarsgård) und seine Kollegin Jackie „Stevie“ Stevenson (Nicola Walker) versorgen sich während ihrer Schicht in einem Drive-In mit Fastfood. Doch dann taucht ein gesuchtes Auto auf und eine wilde Verfolgungsjagd beginnt, die später zu Fuß fortgeführt wird und in den anonymen Hochhäusern des sozialen Wohnungsbaus mit dem Unfalltod des Verfolgten tragisch endet.
Erst nachdem Rivers Kollegen und die Ambulanz eingetroffen sind, offenbart sich das volle Ausmaß dieses Vorfalls. Denn Rivers Kollegin Stevie ist bereits tot. Ermordet auf offener Straße, während Rivers hilflos daneben steht. Seitdem wirkt der Detektiv mit derangiert und traumatisiert. Grund genug für den Polizeichef, den ungeliebten Eigenbrödler schwedischer Herkunft mit seiner guten Aufklärungsquote aus dem Polizeidienst zu entfernen.
Geisterhafte Kollegen
Doch Rivers Vorgesetzte Chrissie Read (Lesley Manville) hält an dem Ermittler fest und schickt ihn zur Psychologin. Außerdem bekommt River einen neuen Kollegen zugeteilt, Ira King (Adeel Akhtar), um seine aktuellen Fälle zu bearbeiten. Mit der Mordermittlung an Stevie hat River zwar weiter nichts zu tun, aber er forscht auf eigene Faust nach und mit dem Toten, den er verfolgt hat, hat River eine neue Spur.
Der deutsche Begriff Krimidrama umschreibt nur sehr ungenau, was im Englischen als „charakter driven crime drama“ bezeichnet wird. In gewisser Weise handelt es sich um eine Untersparte des Krimis, bei der die Protagonisten und ihre Psychologie im Mittelpunkt stehen. „Luther“ mit Idris Elba beispielsweise ist ein Paradebeispiel dafür und nun eben „River“. John River ist aufgrund seiner „Manifestationen“ zwar einsam, aber nie allein. Ein Sonderling, ein Außenseiter, der nicht nur, aber auch wegen seines Erfolgs dazugehören darf.
Erfolgreicher und geduldeter Sonderling
Selbstverständlich treibt die Kriminalhandlung, die Suche nach dem Mörder der Kollegin, die Handlung an, aber im Vordergrund steht eindeutig der Charakter des sonderlichen Ermittlers. Und Autorin Abi Morgan („The Hour“, „Suffragette“) stattet ihren tragischen Helden mit allerlei Absonderlichkeiten aus. Vor allem aber mit einer übersinnlichen Gab, oder einem Fluch: Er wird von Toten begleitet, die er selbst wahrnimmt, als wären sie noch lebendig. Sie reden mit ihm und mischen sich in sein Leben und seine Arbeit ein. Das ist nicht nur Stevie, die für River deutlich mehr war als nur eine Kollegin, sondern auch die Opfer seiner jeweiligen Fälle. Und als konstanter Nervtöter der schottische Serienmörder Thomas Cream (Eddie Marsan), dessen Biografie River gerade gelesen hat. Cream existierte übrigens tatsächlich und trieb in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sein Unwesen. Man vermutete eine Zeit lang, dass er Jack the Ripper sein könnte.
Vertrackte Dreharbeiten
Abi Morgans Story geht sehr sorgsam mit ihren Informationen um und kann so immer wieder für Überraschungsmomente sorgen. Die Szenen in denen River Geister sieht, wurden großteils tatsächlich doppelt gedreht, um den Unterschied zwischen Rivers Wahrnehmung und der Realität auch gebührend herauszustellen. Die Tätersuche entwickelt sich in jeder der rund 55 Minuten langen Folgen jeweils um eine Spur (und einen Verdächtigen) weiter. Dabei kommen auch immer neue Infos zu River, zur Familiengeschichte seiner Kollegin und neue Verwicklungen zu Tage. Das ist handwerklich sehr geschickt und intelligent gemacht und hält die Spannung hoch.
Vor allem aber lebt die Serie „River“, deren Handlung nach diesen sechs Folgen eigentlich abgeschlossen ist, von den Darstellern. In einem Ensemble, das ebenso namhaft ist wie sehenswert aufspielt, sticht Stellan Skarsgård in der Hauptrolle heraus. Skarsgård ist ein Charakterdarsteller von Weltruf („Good Will Hunting“, „Thor“, „Ein Mann von Welt“, „Einer nach dem Anderen“) der in „River“ die volle Bandbreite seines Könnens entfalten kann. Ebenso wortkarg wie getrieben, hadert River nicht nur häufig mit seinem Leben und seiner Gabe, sondern ist auch immer bemüht zu funktionieren. Diesen Zweispalt und die Tragik der Figur transportiert Stellan Skarsgård auf einzigartige Weise.
Wer im Genre der Krimi-und Thriller-Serien nach hochklassiger Abwechslung sucht, ist mit „River“ erstklassig bedient. Eine originelle, spannende Geschichte und eine großartige Darstellerriege machen die Britische Serie zu einem absoluten Tipp.
Serien-Wertung: (8 / 10)
River – Staffel 1
OT: River – Season 1
Genre: TV-Serie, Crime & Thriller
Länge: ca. 349 Minuten (6 Folgen), GB, 2016
Idee & Drehbuch: Abi Morgan
Regie: Richard Laxton, Tim Fywell, Jessica Hobbs,
Darsteller: Stellan Skarsgård, Nicola Walker, Eddie Marsan
Bonus: The Making of River, Creating Manifests, Being River, Deleted Scenes
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Polyband
DVD-& BD-VÖ: 18.11.2016