Die neue französische Albumserie „Die Kinder des Prometheus“, die jetzt bei Panini Comics aufgelegt wird, rüttelt die griechische Mythologie gehörig durcheinander. Das Autoren-Duo Henscher und Emanuel Herzet lässt Jagd auf die Götter machen und das mit viel Action und einer unbändigen Lust an der Dekonstruktion des Pantheon.
Seit Jahrhunderten leben die griechischen Götter nicht mehr im Olymp, ihrer himmlischen Heimstatt, sondern anonym unter den Menschen auf der Erde und teilweise ihrer göttlichen Macht beraubt. Der unsterbliche Thymos wurde vor 4000 Jahren aus dem Olymp verbannt und hat einen Hass auch die Götter. Der Kerl ist immer noch wütend und macht nun in unserer Gegenwart Jagd auf die griechische Götterfamilie. Als es dann Poseidon überraschend erwischt, beschließt Zeus als Chef der Posse, einen Familienrat einzuberufen, um dem Wüterich Einhalt zu gebieten. Doch nicht alle Familienmitglieder sind mit den Maßnahmen des Patrons einverstanden und haben eigene Pläne.
„Die Kinder des Prometheus“ schmeißt den Leser mitten hinein ins Geschehen und bevor man auf den ersten Seiten überhaupt die Orientierung gefunden hat, ist man schon mitten in der atomaren Apokalypse Hiroshimas gelandet. Die wie sich herausstellt ein Attentat auf eben jenen Thymos gewesen ist, der den griechischen Göttern, die unerkannt auf Erden wandeln so hartnäckig zusetzt. Von hier aus entfaltet sich die epische Rachestory on Henscher und Herzet dann mit actionreichen Panels kreuz und quer durch den Globus und auch durch die Geschichte. Denn die Protagonisten sind ja schon etwas länger am Start und haben allerhand miterlebt.
Die Panels von Rafa Sandoval müssen sich hinter den amerikanischen Superhelden-Actionern der großen Verlage Marcel und DC nicht verstecken. Kein Wunder, denn Sandoval hat bereits für beide gezeichnet (u.a. „X-Men“ und Green Lantern“) und sein Stil ist ebenso dynamisch wie abwechslungsreich was Blickführung, Totalen und Zooms angeht. Es dauert eine Weile, bis man sich in die von Jordi Tarragona Garcia kolorierten Panels eingelesen hat und überhaupt merkt, worauf es ankommt. Dann aber entwickelt Sandovals Stil eine sehr kraftvolle Dynamik, die dem französischen Comic-Album gut zu Gesicht steht.
Das Storytelling von Henscher und Emmanuel Herzet ist durchaus anspruchsvoll und ein grober Überblick über die griechische Mythologie und die Heldensagen ist durchaus hilfreich, um all die Anspielungen zu verstehen. Da das hierzulande mal zur klassischen Bildung gehörte, sollten ältere Leser weniger Probleme haben, in die Geschichte und die vielen Charaktere hineinzukommen. Die Gottheiten, die im ersten Band auftreten, haben sich unter den Menschen eingerichtet, sind aber alle mit ihren charakterlichen Eigenheiten gut getroffen und auch sehr stimmig in das neue Ambiente übertragen worden. Hades beispielsweise hockt in einem stillgelegten Reaktor in Tschernobyl und hofft, dass Thymos ihn in Ruhe lässt, immerhin müssen die Toten ja irgendwo bleiben und wer weiß schon wohin mit denen, wenn der Herrscher über die Unterwelt selbst vernichtet ist?
Und hier noch ein bisschen Ballastwissen:
Den deutschen Titel „Die Kinder des Prometheus“teilt sich die Comic-Serie nicht von ungefähr mit dem 2015 erschienenen historischen Sachbuch „Die Kinder des Prometheus – Eine Geschichte der Menschheit vor der Erfindung der Schrift“ von Hermann Parzinger. Beide bezieht sich im Titel auf Prometheus, jenen Titanen in der griechischen Mythologie, der den Menschen das Feuer brachte und den Göttern damit einen Teil ihrer Macht raubte. Philosophisch hat dieser Mythos zu unterschiedlichen Deutungen bezüglich Religion und Kultur geführt. Eine Gängige Interpretation sieht Prometheus, der später von den Göttern für seine Tat bestraft wurde, als unmittelbaren Bringer der Kultur, die die Menschheit auf eine weiter entwickelte Stufe bringt. Die Kinder des Prometheus ist also immer auch ein Begriff, der die Menschheit in Beziehung zu den Göttern beschreibt.
Wesentlicher Teil der Kultur ist dann auch die Reflektion über das eigene Sein. Also die Philospohie. Womit sich in der Comic-Serie am Rande auch beschäftigt. Denn Jäger der Götter heißt Thymos. In der griechischen Mythologie ist niemand mit diesem Namen zu finden. Der Begriff „thymos“ taucht als Teil eine philosophischen Konzeptes bei Platon auf und bezeichnet grob gesagt einen Gemütszustand und eine von drei menschlichen Grundmotivationen. Mit anderen Worten, die Wut, den Furor selbst als Antriebskraft, der aber in der griechischen Antike kanalisiert und zivilisiert wurde und als positive Gestaltungskraft der Gesellschaft gedeutet wurde. Also macht hier im Grunde genommen die personifizierte Wut der Menschen auf die Götter (die sie im Stich gelassen haben?) Jagd auf die ehemaligen Olympioniken. Das ist dann als Erzählkonzept schon wieder eine weitere abstrakte Betrachtungsebene, die “Die Kinder des Prometheus“ absolut lesenswert macht. Es bleibt abzuwarten, wohin sich die Serie entwickelt, nachdem im Auftaktband zunächst die Fronten geklärt, die Protagonisten in Stellung gebracht und der Konflikt geschürt ist.
Der Auftakt der französischen Alben-Serie „Die Kinder des Prometheus“ macht Lust auf mehr. Die Variation klassischer griechischer Mythologie in einen actionreich inszenierten und wendungsreichen Racheplot ist sehr gelungen und die anspruchsvolle Grafik von Zeichner Rafa Sandoval und Kolorist Jordi Tarragona Garcia steht der Geschichte selbst in nichts nach.
Comic-Wertung: (8 / 10)
Die Kinder des Prometheus – Band 1: Familientreffen
OT: Les prométhéens Tome 1 – Réunion de famille, Éditions du Lomard, 2015
Genre: Fantasy, Action,
Autoren: Henscher, Emmanuel Herzet
Zeichner: Rafa Sandoval
Farbe: Jordi Tarragona Garcia
Übersetzung: Barbara Wittmann
Verlag: Panini Comics, Hardcover, 60 Seiten
VÖ: 24.05.2016