In seinen begeisternden Momenten schafft es das deutsche Drama über jugendliche Musikträume ein Gefühl davon zu vermitteln, wie der Punk-Spirit die Welt verändert und auch den altmodischen Rockabilly aus seiner verschnarchten Gruft gerüttelt hat. Dann reißt „Rockabilly Requiem“ mit. Aber der Psychobilly der anfangenden Achtziger Jahre tritt häufig genug in den Hintergrund der Geschichte, die in ihrer Intention zwar jugendliche Rebellion zeigt, aber auch unter ihrer eigenen holzschnittartigen Konstruktion leidet.
Irgendwo in der westdeutschen Provinz in Nähe zum Ruhrpott träumt Hubertus (Ben Münchow) davon Rockstar zu werden. Als Sänger einer Rockabilly-Kapelle hat er auch regionalen Erfolg, aber immer wieder reibt sich der Freiheitsdrang des Jungen mit der autoritäten Art seines Vaters. Schnell bahnt sich an, dass es in diesem Haus bald gewaltig krackt. Hubertus Kumpel Sebastian (Sebastian Tiede) wäre auch gerne so cool, ist aber eher von introvertiertem Naturell und hat es zu Hause gleichfalls nicht leicht: Der Vater ist abgehauen, die Mutter hoffnungslos überfordert mit der Situation; eigentlich hält Sebastian die Dinge am Laufen und sorgt für seine kleine Schwester. Da scheint es die attraktive Debbie (Ruby O. Fee) besser getroffen zu haben. Ihr Vater ist ein entspannter Biker, wohnt auf dem Land und lässt dem Mädchen so ziemlich jede Freiheit. Daher ist Debbies Hof auch oft genug Anlaufstelle der Freunde.
„Bleibst du stehen – oder rennst du weg?“
Als eine bekannte Rockabilly-Band in Deutschland auf Tour geht, sucht sie für jeden Gig regionale Opening Bands und lädt übers Radio zum Vorspielen ein. Für Hubertus ist das die Chance auf den Durchbruch, aber die Band hat kein Demo. Sebastian versucht dem Freund zu helfen, gleichzeitig spitzen sich die Dinge zu. Hubertus Vater hat die Faxen dick, fühlt sich von dem großflächigen Rückentattoo seines Sohnes provoziert und will ihn zum Kommiss schicken. Bei Sebastian taucht der Taugenichts von Vater auf und will wieder auf heile Familie machen, weil seine Freundin ihn rausgeschmissen hat. Mit dem Vater kommen auch die Drogen zurück und die Familie droht endgültig zu zerbrechen.
Es hätte ordentlich rocken und krachen können in Till Müller-Edenborns biografisch geprägten Jugenddrama, aber die Figurenzeichnung und die dramatische Konstellation bleibt einfach zu überfrachtet und derbe nah an Klischee. Da hilft alles nichts, selbst die so motiviert und überzeugend aufspielenden Darsteller können das nicht alles an die Wand spielen. Zwar wurde Ben Münchow mit dem Max-Ophüls-Nachwuchspreis ausgezeichnet, aber Sebastian Tiede ist der nicht ganz so heimliche Star des Films.
Das Drama rückt die geistige Enge der Kohl-Jahre in der BRD in eine legitime Nähe zur Spießbürgerlichkeit der Fünfziger Jahre, ist aber bisweilen viel zu schematisch: Egal ob es das Kohleschippen ist, das Rasenmähen in der Früh, wenn der Sohnemann nach Hause kommt, das jugendliche Beschwören von Sex, Drugs and Rock’n’Roll oder ob es die bisweilen arg floskelhaften Dialoge sind, immer wieder steht das Lebendige in „Rockabilly Requiem“ vor einer Wand aus bedeutungsschwangerer Aussage und Schicksalhaftigkeit, die nicht zu überwinden ist und dem Film viel von seiner Energie raubt. Am Ende wird es dann auch noch so überdramatisch wie das Requiem, also die musikalische Totenmesse, im Titel andeutet.
„Etwas Besseres als den Tod findest du überall.“ (Bremer Stadtmusikanten)
Dennoch, das musikalische Element in „Rockabilly Requiem“ ist packend. Die musikalische Szene und Atmosphäre gut getroffen und die gespielten Songs krachen auch soundmäßig gehörig. Die improvisierte Aufnahmesession in einer verlassenen Lagerhalle deutet zudem an, welche Soundverschiebungen nötig sind, um eine Musikrichtung Rockabilly, die in den Achtzigern durchaus konservativ war, mit frischer punkiger Energie zu beleben. Und wenn Sebastian sich dann am Ende selbst dazu durchringt, seinen Gefühlen musikalischen Ausdruck zu verleihen, hat man die Geburtsstunde des Psychobilly erlebt und weiß warum die Musik mal richtig angesagt war.
„Rockabilly Requiem“ ist kein Musikfilm im eigentlichen Sinne und benutzt die Musik als dramaturgisches Vehikel. Der Zugang ist also keineswegs musikhistorisch, aber gerade darum sind die musikalischen Szenen so stark, dass man auch über Holprigkeiten in der Story hinwegkommt und dem starken jungen Hauptdarsteller-Trio gerne weiter folgen mag.
Film-Wertung: (6 / 10)
Rockabilly Requiem
Genre: Drama, Musik,
Länge: 91 Minuten, D, 2016
Regie:Till Müller-Edenborn
Darsteller: Ben Münchow, Ruby O. Fee, Sebastian Tiede,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Farbfilm
Kinostart: 09.06.2016