Das Autorengespann Henning von Melle und Volkmar Joswig hat im Sommer seinen dritten gemeinsamen Kriminalroman „Schneesturm“ veröffentlicht. Darin macht der weltweite Drogenkrieg auch nicht vor dem eher betulichen Norddeutschland Halt und reißt eine Bremer Reederei in die Krise.
Während in Bremen August von Gehlen, Patriarch und Reeder, unter ungeklärten Umständen verstirbt, kommt es in der Drogenszene von Hannover zu einer Serie von Morden. Die Albaner und die Kolumbianer tragen Revierstreitigkeiten aus und teilen den Drogenmarkt neu auf. In Bremen beginnt Kommissar Küster zu ermitteln und sein Kollege Kuhlmann macht sich ebenfalls an die Arbeit. Wie die Obduktion ergibt, würde der Bremer Reeder vergiftet und dessen beide Söhne Alexander und Thilo müssen sich nun um die Belange der Reederei kümmern. Außerdem hat auch deren Stiefmutter Natascha ein Wörtchen mitzureden.
Alexander wendet sich an den Bremer Journalisten Christian Doll, der sowieso schon zu dem Todesfall recherchiert hat, und gewinnt ihn als Pressesprecher der Familie. Der Reporter verspricht sich von dem Engagement eine spätere Buchverwertung der Ereignisse. Stattdessen mehren sich die Todesfälle in der Nähe der Familie und Doll wird immer tiefer in die Geschehnisse hereingezogen. Und einige Familienmitglieder der von Gehlens haben zumindest dubiose Verbindungen zu der Drogenszene.
Bekannt ist das Autorenduo Henning von Melle und Volkmar Joswig auch wegen seiner unterhaltsamen Lesungen. Dafür haben die beiden den Begriff Literatainment geprägt und man kann sich lebhaft vorstellen, dass „Schneesturm“ sehr turbulent und mit viel Tempo auf das Publikum losgelassen wird.
Konzipiert ist der Kriminalroman sehr filmisch, dauernde Szenenwechsel zu anderen Orten des Geschehens, viele handelnde Akteure, viel direkte Aktion, so dass sich schnell ein umfangreiches Bild ergibt. Vergleichbar vielleicht mit der Art und Weise wie Regisseur Steven Soderberg sein Oscar-prämiertes Drogenpanorama „Traffic“ (2000) aufgebaut hat. So lebt „Schneesturm“ vor allem von dem hohen Erzähltempo und soliden Milieuschilderungen. Das Bringt viel Action mit sich und auch einige Gewalt, wie man sie aus dem Bandenmilieu kennt. Andererseits bleiben einige Charaktere auch eher typenhaft. „Schneesturm“ ist durchaus unterhaltsam und als Thrillerkonstrukt nicht ohne Charme.
Allerdings fehlt durch den ständigen Wechsel von Personen und Orten auch ein wenig der erzählerische Fokus. Der Leser wird nicht wie bei einem typischen Ermittlerkrimi in die Gedanken und Fortschritte der Detektive mitgenommen, sondern bastelt sich sein eigenes Bild zusammen. Dabei bildet der mitten im Geschehen angesiedelte Reporter Christian Doll einen kleinen erzählerischen Fixpunkt. Dennoch bleibt die allbeobachtende Perspektive der Knackpunkt des Romans.
Das Spannungsmoment eines Thrillers wird der turbulenten Art des Erzählens geopfert. Das hohe Tempo und die ständige Action kompensieren, dass der aufmerksame Leser in diesem „Schneesturm“ grundsätzlich immer ein bisschen zu gut orientiert ist.
Roman-Wertung: (6 / 10)
Schneesturm
Autoren: Henning von Melle, Volkmar Joswig
Genre: Kriminalroman
ISBN: 978-3-89841-782-2
Verlag: Schardt Verlag, 224 Seiten, Taschenbuch,
VÖ: 01.06.2015
Offizielle Verlags-Seite
Homepage Henning von Melle
Homepage Volkmar Joswig