Quintett: Der Flug der Wildgans

Der 2006 verstorbene, amerikanische Regisseur Robert Altman, gehörte zu den produktivsten Regisseuren der Traumfabrik. Er war, wenn man so will, ein Vertreter des New Hollywood. Für einen schnellen Werküberblick emfpielt sich die inzwischen auch schon als DVD erschienene, sehr gelungene Doku „Altman“. Neben großartigen Filmen wie „MASH“, „The Player“ und „Short Cuts“ hat Altman aber auch eigenwillige Filmexperimente realisiert. Das absurde Science-Fiction Drama „Quintett“ gehört definitiv dazu.

In einer zukünftigen Welt hat eine Eiszeit die Welt in eine kalte Ödnis verwandelt. Oder, wie Altman selbst einmal in Frage stellte, vielleicht gar nicht auf der Erde? Einige wenige Menschen überleben in den Resten der Städte oder als einsame Jäger. Eine Zivilisation im engeren Sinne gibt es kaum noch und das trostlose Dasein der Menschen wird bestimmt vom simplen Drang zu Überleben.

Der Robbenjäger Essex (Paul Newman) macht sich nach dem Tod seines Freundes auf den Weg in die Stadt, weil die Jagd keine Beute mehr bringt. Zusammen mit dessen junger Tochter Vivia (Brigitte Fossey), die ein Kind von Essex erwartet. In der Stadt sucht er seinen Bruder und findet eine Gesellschaft vor, die jeglichen Lebensmut verloren hat und deren einziger Lebenssinn ein „Quintett“ genanntes Glücksspiel ist.

Als Essex Bruder und dessen gesamte Familie, auch Vivia, durch eine Bombe getötet werden, macht sich Essex auf die Suche nach dem Täter und entdeckt, dass „Quintett“ nicht nur auf dem Brett gespielt wird, sondern auch ein tödlicher Wettstreit ist, in den er nun verwickelt wird.

Die Postapokalypse „Quintett“ entstand 1979 nach einer Idee und einem Drehbuch von Robert Altman und wurde auf dem Weltaustellungsgelände in Montreal gedreht. Als der Film in die Kinos kam, stieß er großteils auf Ablehnung und die Kritiker bemängelten vor allem die Inhaltsleere des stilistisch gewagten Eiszeitszenarios. Und in der Tat fallen vor allem die eindrücklich gestalteten Bilder auf, sogar die Kamera wirkt als sei sie an den Rändern von Frost überzogen. Der Zuschauer blickt durch eine vereiste Scheibe auf eine Welt, die durch eine Klimakatastrophe in eine Art Mittelalter zurückgeworfen wurde.

Menschen erfrieren oder verhungern und marodierende Hundemeuten machen sich über die Kadaver her. Die Menschheit hat jede Hoffnung und jeden Lebensmut verloren, nur Essex, der symbolträchtig mit einer Schwangeren in die Stadt einzieht, vermittelt einen Funken Lebenskraft und ist in der Lage, der Anziehungskraft des Glücksspiels zu widerstehen.

Sicher, seine Stärke entfaltet „Quintett“ vor allem auf visueller Ebene, die allerdings von einer teilweise enervierenden Filmmusik begleitet wird. Komponist Tom Pierson integriert in den, typisch für die 1970er, leicht psychedelisch-schrillen Soundtrack mittelalterliche Melodieelemente. Auch bei seinen Figuren hat sich Altman bei mittelalterlichen Bekleidungen bedient, die die Charaktere seltsam entfremdet durch diese Reste einer technisierten Welt streifen lassen.

Der metaphysiche Überbau dieser postapokalyptischen Gesellschaft wurde zu Recht kritisiert, da Altman abgesehen von den völlig undurchsichtigen Regeln des abstrusen Brettspiel weder auf die Umstände der Katastrophe eingeht, noch halbwegs überzeugende religiöse Regeln oder gesellschaftliche Normen dieser Gemeinschaft darlegt. Abgesehen von den sehr wagen, auf Nihilismus hinauslaufenden Glaubensgrundsätzen des sinistren Saint Christopher bleibt unklar, was diese Gesellschaft am Leben erhält. Auch mit dem Symbolismus macht es sich Altman ein wenig zu leicht, um als philosophisch durchzugehen.

Und dennoch entfaltet „Quintett“ mit seiner guten Besetzung eine morbide Faszination, die gelungen mit den Rätseln dieser Eiswelt spielt und weniger auf thrillerartige Effekte hinaus will, als auf das psychologisches Drama einer sterbenden Menschheit, die eigentlich schon abgestorben ist, es aber noch nicht bemerkt hat.

Die filmische Postapokalypse „Quintett“ gehört bestimmt nicht zu den Höhepunkten in Altmans oder Newmans Schaffen und überzeugt eher mit ihrer Kuriosität als mit dystopischer Qualität. Trotzdem geht von dieser filmischen Eiswüste eine visionäre Kraft aus, die zwischen Kammerspiel und Weltuntergang pendelt.

Film-Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Quintett
Originaltitel: Quintett
Genre: Sci-Fi, Drama
Länge: 113 Minuten
Regie: Robert Altman
Darsteler: Paul Newman,
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Eurovideo
Kinopremiere: 24.08.1979
DVD VÖ: 08.03.2012